Der „Mann fürs Grobe“ in Bonn

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Reiner Schreiber

Reiner Schreiber

Bonn - Als vor gut zwei Jahren vor dem Bonner Rathaus ganz überraschend der damalige CDU-Fraktionschef Reiner Schreiber verhaftet wurde, da fand bei den Bonner Christdemokraten ein Führungsstil sein Ende, unter dem so mancher Stadtverordnete schwer gelitten hatte. Und in den Amtsstuben der Stadtwerke und der Stadtverwaltung, die Schreiber wechselweise geführt hatte, rieben sich die Mitarbeiter, die in direktem Kontakt zum „Chef“ gestanden hatten, die Hände: Endlich war „der Kleen“, wie Schreiber respektlos ob seiner Körpergröße hinter vorgehaltener Hand tituliert wurde, auf sein Normalmaß gestutzt worden.

Und es erhob sich der Chor der - zuvor - schweigenden Beobachter, die schon immer gewusst haben wollten, dass „der Mann Dreck am Stecken hat“. Enthüllt hatte freilich die Bonner Staatsanwaltschaft, in welch dreister Weise der langjährige starke Mann der Bonner Christdemokraten seine Macht genutzt hatte, um sich persönlich zu bereichern. Und bezeichnend zum Zeitpunkt der Verhaftung Schreibers war, dass ihm auf der politischen Bühne niemand ernsthaft gefährlich werden konnte oder wollte. Außer einem, und das war er selbst. Schreiber scheiterte, weil er neben dem administrativen und politischen Einfluss auch noch die Macht des Geldes genießen wollte.

Die Fahnder waren ihm dank akribischer Recherche seiner Dienstgeschäfte auf die Schliche gekommen. Sie prüften sämtliche Reiseunterlagen Schreibers und entdeckten auf einer Hotelrechnung die Telefonnummer einer Züricher Bank, die Schreiber unbedachterweise angerufen hatte. Dort fanden sie dann mit Hilfe ihrer Schweizer Kollegen das geheime „Sparbuch“ des Bonner Politikers. Als das Konto aufflog, befanden sich rund 3 Millionen Mark auf der Haben-Seite, in etwa das Doppelte des Betrags, den die Staatsanwälte als Bestechungssumme aus einem Sanierungsgeschäft mit dem ABB-Konzern nachweisen konnten. Der ehemalige Kreisvorsitzende der Bonner CDU, Helmut Hergarten, der sich selbst als Opfer einer von Schreiber inszenierten Parteispenden-Affäre sieht, hat erklärt, warum dem Mann mit begrenzter Schulbildung und einer kaufmännischen Ausbildung eben so viel Macht zuwachsen konnte. In dem altehrwürdigen „Akademiker-Verein“ der Bonner CDU übernahm Schreiber schon frühzeitig die Rolle des „Mannes fürs Grobe“. Autoritär bis ins Mark, ausgestattet mit einem schnellen Verstand und der nötigen Chuzpe, packte Schreiber dort zu, wo das hochbürgerliche Parteiestablishment vornehm die Finger in den Rocktaschen vergrub.

Viele Merkwürdigkeiten im administrativen Geschäft wurden ihm nachgesehen. Etwa dann, wenn einem Kiesunternehmer für die Verfüllung städtischen Mülls in seiner Grube ohne Not immer höhere Preise bezahlt wurden und die Stadt selbst noch für die Verlagerung einiger Nerzkäfige auf dem Gebiet der Kiesgrube schwer zur Kasse gebeten werden konnte. Schreiber war damals der für die Müllentsorgung verantwortliche Amtsleiter. Seine Gegner im Rathaus, die auf die seltsame Bevorzugung des ABB-Konzerns bei der Auftragsvergabe zur Sanierung zweier Heizkraftwerke aufmerksam machten, überzog Schreiber mit einem juristischem Verfahren - das Bestechungsgeld von 1,4 Millionen alter Mark hatte er da schon auf seinem Schweizer Bankkonto gebunkert.

Bei allem Witz und Charme, mit denen der Karrierepolitiker auch die ihm genehmen Journalisten („meine Jungs“) zu bewirten und zu unterhalten wusste, blieb er letztlich ein einsamer Mann in Bonn. Es gibt Schilderungen darüber, wie sich Schreiber als Leiter des größten öffentlichen Betriebs in Bonn, der Stadtwerke, nächtens mit dem Dienstwagen durch Bonn chauffieren ließ, um per Autotelefon die in den diversen Energiestationen Dienst verrichtenden Angestellten der Kontrolle halber anzurufen.

Nachgewiesen hat die Staatsanwaltschaft dem bönnschen Inhaber eines Schweizer Schwarzgeldkontos die illegale Einnahme der Bestechungsgelder vom ABB-Konzern. Wie eifrig der einst arm und als Waise aufgewachsene Schreiber seine auch heute noch verborgenen Geschäfte betrieb, lässt sich aus dem Finanzverkehr auf seinem Konto erahnen. Dort gab es insgesamt Geldbewegungen von 11 Millionen Mark. Die Bonner Staatsanwaltschaft hätte noch reichlich zu tun, wäre Schreiber nicht verstorben.

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