Der Steuerschuldner

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Eigentlich müsste sich Bonns Stadtkämmerer Ludger Sander nun freuen: Seit das Kölner Oberlandesgericht verfügte, dass der Bonner Baulöwe Bethold Kaaf wieder auf freien Fuß zu setzen sei, könnte dieser als größter Steuersünder der Stadt doch jetzt alle Anstrengungen unternehmen, um seine finanziellen Verbindlichkeiten abzutragen. Vor dem Bochumer Landgericht hat er das jedenfalls einst beteuert.

Fraglich allerdings ist, ob der wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu vier Jahren und 10 Monaten Haft verurteilte Unternehmer der Stadt jemals einen Pfennig seiner Steuerschulden bezahlen wird. Die sind gigantisch. Rund 28 Millionen Euro, so hat man es in der Kämmerei errechnet, stehen der Gemeinde aus den langjährigen Geschäften Berthold Kaafs zu. Der steuerzahlende Normalbürger reibt sich die Augen: Wie, überhaupt, konnte die Stadt es zu einem Schuldenberg von 29 Millionen Mark kommen lassen, wo doch dem „kleinen Mann“ nur zu schnell per Bescheid, Mahnung und Pfändung jedwede Steuerschuld aus der Hand gewunden wird? Diese Frage haben die Verantwortlichen im Bonner Stadthaus bis heute nicht schlüssig beantworten können. Es sei halt so gekommen, und im übrigen gelte das Steuergeheimnis, lautete seinerzeit die müde Erklärung der Kämmerei. Hinter vorgehaltener Hand ist in Bonn zu hören: Angeblich hat es vor Jahren schon geradezu eine Hatz auf den säumigen Bauunternehmer gegeben. Der habe sich aber durch immer neue Tricks und Finten den Steuerjägern entziehen können. Warum dann aber die Stadt in anderem Zusammenhang noch Geschäfte mit dem angeblich so gesuchten Steuer-Verweigerer machte, weiß bis heute niemand so recht zu erklären.

„Man hat den Eindruck, dass der Begriff der Bananenrepublik eigentlich gar nicht so weit entfernt ist von der Wirklichkeit in der Bundesrepublik“, hatte am 10. November 1999 der Vorsitzende Richter der 13. Strafkammer des Bochumer Landgerichtes, Hermann Pamp, in seiner Urteilsbegründung konstatiert, als er den Baulöwen hinter Gitter schickte. Und die Sprecherin der Ankläger, die Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen hatte am Tage des Urteils in ihrem Plädoyer den Baulöwen Kaaf zitiert - mit einem Satz, den dieser in einer der zahlreichen Vernehmungen ausgesprochen getan hatte: „Es ist normal, dass in der Baubranche kein Geschäft gerade läuft.“

Äußerst krumm war es seinerzeit beim Verkauf des Bürohauses an der Friedrich-Ebert-Allee 40 zugegangen, das Berthold Kaaf zusammen mit dem Unternehmerkollegen Roland Ernst errichtet hatte. Hier residiert noch heute das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu einer Miete, die in den vom BMZ betreuten Entwicklungsländern als astronomisch angesehen werden würde und selbst in Bonn aufgefallen ist: 42 Mark pro Quadratmeter galten und gelten auch in der einstigen Hauptstadt als stolze Miete.

Eben dieser Preis bildete die Grundlage dafür, dass Kaaf und Ernst dieses Gebäude zur erstaunlichen Summe von 289 Millionen Mark an ein frisch gegründetes Konsortium verkaufen konnten, nachdem sie 212 Millionen für den Bau ausgeben mussten. Blieb die stolze Summe von 77 Millionen Mark übrig. Käufer waren die Bayerischen Beamtenversicherungen (BBV), die Pfandbrief- und Hypothekenbank (Depfa) sowie den Veba-Konzern. Im Zuge dieses Geschäftes sorgte Kaaf dafür, dass 6 Millionen Mark aus dieser Kaufsumme an seinem Kompagnon Roland Ernst vorbei als Schwarzgeld in die eigene Tasche und die Vertreter der Firmen floss, die das Gebäude aufkauften. Im Falle der BBV war dies der Vorstandsvorsitzende Klaus Dieter Schweickert, der auch Aufsichtsratsmitglied der Depfa-Bank war. Im Falle der Veba der ehemalige Bonner Oberstadtdirektor Dieter Diekmann (CDU), der mittlerweile als Immobilien-Manager bei der Veba eingestiegen war. Von den 6 Millionen erhielt Schweickert 2,8 Millionen in bar, Diekmann wurde mit 250 000 Mark in bar abgefunden, den Rest behielt Kaaf.

Während sich Dieter Diekmann in der Untersuchungshaft das Leben nahm, wurde auch Schweickert zu einer empfindlichen Haftstrafe verurteilt. Berthold Kaaf hat in der Vollzugsanstalt Euskirchen nicht einmal die Hälfte seiner Strafe absitzen müssen. Die Zelle sah er ohnehin nur während der Nachtstunden, denn am Tage durfte er 15 Stunden als Freigänger verbringen und seinen Geschäften nachgehen.

Kaaf hatte stets beste politische Verbindungen, wie sich die Kenner angesichts der jetzt erfolgten Schlüsselübergabe des Schürmannbaus erinnern. Als sich der CDU-Bauminister Klaus Töpfer um eine Sanierung mühte, stellte er auch zeitweilig Berthold Kaaf als Generalsanierer an. Heraus kam dabei nichts, Kaaf aber erhielt 690 000 Mark. Verdient hat Kaaf auch am Verkauf der ehemaligen Parteizentrale der CDU, dem Konrad-Adenauer-Haus an die Telekom.

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