Die Kollegen nennen ihn „Turbo-Rolf“

Lesezeit 4 Minuten
Rolf F., Angeklagter im so genannten Autobahnraser-Prozess, wird im Karlsruher Amtsgericht zum Prozessauftakt von Journalisten interviewt.

Rolf F., Angeklagter im so genannten Autobahnraser-Prozess, wird im Karlsruher Amtsgericht zum Prozessauftakt von Journalisten interviewt.

Der vermeintliche Autobahndrängler will nicht am Tod von Jasmin A. und ihrer Tochter schuld sein.

Karlsruhe - Bei seinen Arbeitskollegen hatte Rolf F. den Spitznamen „Turbo-Rolf“ und er wird von ihnen der „Linksblinker-Fraktion“ zugerechnet. Doch der schmächtige Angeklagte tritt im spektakulären Karlsruher Autobahnraser-Prozess ganz anders auf: Ruhig und zurückhaltend bestreitet der 34-jährige Testfahrer und Ingenieur von DaimlerChrysler die gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Zum Prozessauftakt vor dem Amtsgericht Karlsruhe sagt er am Montag: „Ich habe weder jemanden bedrängt noch was von dem Unfall bemerkt.“

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, am 14. Juli 2003 auf der Autobahn A 5 bei Karlsruhe durch extrem schnelles und dichtes Auffahren einen Unfall verursacht zu haben, bei dem die 21-jährige Jasmin A. und ihre zweijährige Tochter starben. Die Anklage lautet auf fahrlässige Tötung, Unfallflucht und fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs. Der Versuchsingenieur soll mit seinem 500 PS starken Mercedes CL 600 Coupé Bi-turbo mit einer Geschwindigkeit von 220 bis 250 Stundenkilometern „weniger als einen Meter“ auf den Kia der Frau aufgefahren sein. Dann habe er an dem 150 Stundenkilometer schnellen Kleinwagen „auf dem äußersten linken Rand der linken Fahrspur vorbeifahren“ wollen. Dadurch habe die offenbar erschrockene Frau das Steuer „unvermittelt nach rechts gerissen, kurz nach links gegengesteuert“ und sei dann ins Schleudern geraten, betonte Staatsanwalt Mathias Marx.

Der Kia prallte gegen mehrere Bäume, die 21-Jährige und ihr Kind waren sofort tot. Der Raser soll nach dem Vorfall mit unverminderter Geschwindigkeit weitergefahren sein. Arbeitskollegen berichteten später, er sei „kreidebleich“ am Zielort, einer Teststrecke für Autotypen im niedersächsischen Papenburg angekommen und habe sich in den folgenden Tagen kaum hinters Steuer gesetzt. Ständig habe er über den schweren Unfall auf der A 5 gesprochen und sich auch einmal mit einem Kollegen verdächtig lang im Büro eingeschlossen.

Doch vor Gericht kann Rolf F. alles erklären. Er sei erkältet gewesen, damals im Juli, und deshalb auch wenig gefahren. Ja, über den Unfall habe er viel geredet, schließlich sei ja in den Medien massiv nach einem entsprechenden Mercedes gefahndet worden. „Ich wusste aber nicht, ob es klug ist, sich als Unbeteiligter einfach so bei der Polizei zu melden“, erinnert sich der Angeklagte. Dass Kollegen ihm einen aggressiven Fahrstil unterstellen, führt er auf Rivalitäten zwischen zwei Prüfteams zurück.

Dem 34-Jährigen aus dem schwäbischen Münsingen droht eine Haftstrafe bis zu vier Jahren. Auf dieses Strafmaß sind Urteile vor einem Amtsgericht begrenzt. Doch am Ende des ersten Verhandlungstages scheint es eher unwahrscheinlich, dass er verurteilt wird. Tatsächlich kann auf Grund der Aussagen der vier Zeugen des Geschehens auf der A 5 lediglich ein rasender Mercedesfahrer, nicht aber der konkrete Angeklagte dem Unfallgeschehen zugeordnet werden. Die Zeugenaussagen vom Tatort haben zu viele Lücken. Ein Zeuge hat zwar einen dunklen Mercedes, der ihn in der Nähe des Unfallortes überholt hatte, gut beschrieben, vor allem die „beeindruckende Auspuffanlage“.

Allerdings hat dieser Zeuge den Unfall selbst nicht gesehen. Immerhin drei andere Zeugen haben von ihren Autos aus beobachtet, wie der Drängler Jasmin A.s Wagen aufs Blech rückte. Von Mercedes-Varianten haben sie aber wenig Ahnung. „Irgendwie sehen die heute ja alle gleich aus“, sagt einer. Schon möglich also, dass Rolf F. zwar in der Nähe des Tatorts gesehen wurde, den Unfall jedoch ein anderer dunkler Mercedes verursachte.

Auch die Berechnungen der Sachverständigen, deren Gutachten zudem keine Beweise für eine Berührung der beiden Fahrzeuge erbrachten, entlasten den Daimler-Mann. Der 34-Jährige selbst betont, er sei frühestens zehn Minuten nach dem Unfall - der sich laut Polizei gegen sechs Uhr ereignete - an der fraglichen Stelle unterwegs gewesen. Auf der Fahrt nach Papenburg sei ihm an der Unfallstelle lediglich ein Polizeifahrzeug mit Blaulicht und ein „massiver Stau auf der Gegenfahrbahn“ aufgefallen.

Aus der großen Auseinandersetzung über die Aggressivität auf deutschen Autobahnen ist so ein profaner Kriminalfall geworden. Ein Indizienprozess, bei dem sich die Richterin Brigitte Hecking für nichts anderes zu interessieren scheint als für die Fragen „Wie war's“ und „Wer war's“. (mit ddp)

KStA abonnieren