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Fußball-BundesligaKritik und Applaus – Watzkes schwieriger Start als Präsident

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Denkzettel zum Amtswechsel: Der neue BVB-Präsident Hans-Joachim Watzke erhielt nur 59 Prozent Ja-Stimmen

Denkzettel zum Amtswechsel: Der neue BVB-Präsident Hans-Joachim Watzke erhielt nur 59 Prozent Ja-Stimmen

Hans-Joachim Watzke erhält bei seiner Wahl zum BVB-Präsidenten nur 59 Prozent Zustimmung. Er spricht offen über Kritik, Missbrauchsvorwürfe und seinen Respekt vor der Aufgabe.

Erst Pannen und Beifall, dann Kritik und ein deutlicher Denkzettel: Die Mitglieder von Borussia Dortmund haben Hans-Joachim Watzke mit der Wahl zum Präsidenten nach eigener Aussage einen „Lebenstraum“ erfüllt. Auf der XXL-Mitgliederversammlung wurde der langjährige Geschäftsführer der BVB-Kapitalgesellschaft aber deutlich abgestraft. Der 66-Jährige erhielt sechseinhalb Stunden nach dem verzögerten Start der emotionalen Veranstaltung nur 59 Prozent der Stimmen. Intern hatte man auf ein Ergebnis von mindestens 70 Prozent gehofft.

„Ich nehme die Wahl an und zolle meinen Kritikern Respekt“, sagte Watzke nach dem Denkzettel, dessen Verkündung auch von Buh-Rufen in der Westfalenhalle begleitet wurde. „Ich habe sehr viel Demut und Respekt vor dieser Aufgabe“, sagte Watzke, der einziger Präsidentschaftskandidat war. 

Zunächst Beifall für Arbeit als Geschäftsführer

Zuvor hatte Watzke sein Amt als Geschäftsführer der KGaA des BVB zur Verfügung gestellt und war da noch minutenlang gefeiert worden. Der 66-Jährige zeigte sich bei seiner Abschiedsrede emotional und rang mehrfach mit den Worten. „Da ist schon viel Wehmut dabei“, sagte Watzke, der auf fast 21 Jahre als Geschäftsführer der BVB-Kapitalgesellschaft zurückblickte: Die drohende Insolvenz 2005 zu Beginn seiner Tätigkeit, das Bombenattentat auf den Mannschaftsbus 2017 („das war eine Zäsur“) und die Corona-Pandemie.

„Wir haben mehrfach in den Abgrund geblickt“, sagte Watzke und wandte sich dann überraschend an einen Widersacher der vergangenen Monate: Den bisherigen Präsidenten Reinhold Lunow, der zunächst gegen Watzke als Präsidentschaftskandidat antreten wollte, sich nach einem monatelangen öffentlichen Zwist aber zurückzog. „Lieber Reinhold Lunow: Du hast mich immer unterstützt und warst da, als wir in den Abgrund geblickt haben. Dafür möchte ich dir heute auch ganz herzlich danken“, sagte Watzke nun.

Auf der Bühne versöhnten sich der bisherige Präsident Reinhold Lunow und sein Nachfolger Hans-Joachim Watzke öffentlich

Auf der Bühne versöhnten sich der bisherige Präsident Reinhold Lunow und sein Nachfolger Hans-Joachim Watzke öffentlich

Lunow selbst reagierte ergriffen. „Wir haben viele Sachen gemeinsam gemacht. Dass es in letzter Zeit Schwierigkeiten gab, dass wir auseinander gebracht worden sind, das war nicht unbedingt unsere persönliche Schuld. Das lag auch an Leuten im Umfeld, die das befeuert haben. Das war nicht nötig“, sagte der 72-Jährige unter Tränen, wünschte Watzke „alles Gute“ für seine Arbeit als Vereinspräsident und umarmte ihn anschließend. 

Ricken wünscht sich DFB-Pokal für Präsident Watzke

In seiner Amtszeit als Leiter der Geschäftsführung der BVB-Kapitalgesellschaft hatte Watzke den Fußball-Bundesligisten saniert und zum größten Widersacher von Bayern München gemacht. In der Zeit wurde der BVB zweimal deutscher Meister, dreimal DFB-Pokalsieger und erreichte zwei Champions-League-Endspiele. Sein Nachfolger als Sportchef Lars Ricken würdigte Watzke als „listigen Fuchs“, der „wie ein Löwe für den BVB“ gekämpft habe und gab der anwesenden Mannschaft und Trainer Niko Kovac einen Auftrag. „Ich wünsche mir, dass unser künftiger Präsident Aki am Ende der Saison den DFB-Pokal in den Händen halten darf“, sagte Ricken.

Neben vielen wohlwollenden Worten und Applaus gab es allerdings auch Kritik. Ein unangenehmes Thema sprach Watzke selbst an. „Das ist etwas, was mich tief getroffen hat“, sagte er zu Missbrauchsvorwürfen gegen einen ehemaligen langjährigen Mitarbeiter in den 1990er Jahren. „Da wird einem einfach nur schlecht. Man erschaudert“, sagte Watzke zu Berichten von Betroffenen, denen er ein „tief empfundenes Mitgefühl“ aussprach. 

Kritik am Wahlkampf und Umgang mit Missbrauchsvorwürfen

Zwei Anwaltskanzleien seien damit beauftragt worden, die Fälle aufzuarbeiten. „Wenn es Versäumnisse gegeben hat - und die hat es offenbar gegeben - dann werden wir die abstellen. Denn sowas darf es bei Borussia Dortmund nicht mehr geben“, sagte Watzke.

Von den Mitgliedern gab es indes Kritik am Umgang mit den Missbrauchsvorwürfen sowie am öffentlichen Streit mit Lunow. Der Fanabteilungs-Vorsitzende Tobias Westerfellhaus sprach von „fragwürdigen Wendungen in einem Wahlkampf, der am Ende kein Wahlkampf war“ und bekam dafür lauten Applaus. „Diese Monate haben gezeigt, dass unser Verein dringend Veränderungen benötigt“, sagte Westerfellhaus. Auch der umstrittene Werbedeal mit dem Rüstungskonzern Rheinmetall kam noch einmal zur Sprache.

Die Wahl Watzkes wurde auch durch technische Pannen geprägt. Wegen „technischer Probleme“ begann die Versammlung exakt eine Stunde später als geplant. Mehrere hundert Mitglieder hatten am Vormittag länger als geplant auf Einlass in die Westfalenhalle 3 warten müssen. Die Veranstaltung fand erstmals in hybrider Form statt, so dass theoretisch sämtliche Vereinsmitglieder digital hätten abstimmen konnten.

Auch wenn sich Watzke im Verein künftig genauso um die Handball- und Tischtennisabteilung kümmern muss, bleibt sein Einfluss im Fußball groß. Er ist weiterhin Aufsichtsratschef der Deutschen Fußball Liga, DFB-Vizepräsident und Mitglied im UEFA-Exekutivkomitee. (dpa)