Aktivisten wollen eine Abholzung des sogenannten Sündenwäldchens am Rande des Tagebaus Hambach verhindern. Jetzt beginnt die Räumung - die Polizei ist im Großeinsatz.
BraunkohlePolizei räumt besetztes Waldstück am Tagebau Hambach

Mit einer Hebebühne nähern sich Polizisten einem Aktivisten, der kopfüber in einem Baum hängt.
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Mit einem Großeinsatz hat die Polizei begonnen, ein letztes von Aktivisten besetztes Waldstück am Braunkohle-Tagebau Hambach im Rheinischen Revier zu räumen. Spezialisten für Einsätze in großer Höhe holten mehrere Braunkohle-Gegner aus den Bäumen. Es seien viele Einsatzkräfte vor Ort, sagte eine Polizeisprecherin.
Doch die Aktivisten kündigten Widerstand an. „Wir werden bleiben, solange wir können“, schrieb die Initiative „Lützerath lebt“. „Wir sind hier, um Wald und Natur vor den zerstörerischen Plänen von RWE zu schützen.“ Ein dpa-Reporter beobachtete, wie sich die Polizei Stück für Stück in dem Areal vorarbeitete.
Aktivistinnen und Aktivisten halten sich seit mehr als einem Jahr in dem nur noch sehr kleinen Waldstück westlich von Köln auf und haben dort Baumhäuser gebaut. Mit der Besetzung wollen sie die Abholzung des Wäldchens verhindern. Es kam schon mehrfach zu Polizeieinsätzen.
Das Waldstück trägt den ungewöhnlichen Namen „Sündenwäldchen“ - warum es so heißt, ist nicht eindeutig belegt. Angeblich tummelte sich einst die Dorfjugend zwischen den Bäumen, um sich ungestört treffen zu können.

Polizisten tragen einen Aktivisten aus dem sogenannten Sündenwäldchen.
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Aktivisten protestieren seit Jahren gegen RWE-Pläne
RWE will das etwa ein Hektar große Waldstück am Rande des Tagebaus roden, um Kies abbauen zu können. So soll die Böschung eines später dort geplanten Sees stabilisiert werden.
„Alle Genehmigungen liegen vor. Die erforderlichen artenschutzrechtlichen Überprüfungen und Maßnahmen haben stattgefunden“, betonte der Konzern in einer Stellungnahme zum Beginn der Räumung. Man appelliere an die Aktivisten, „das Recht zu akzeptieren, sich nicht an gesetzeswidrigen Aktionen zu beteiligen und in einem möglichen Protest besonnen zu bleiben“, schrieb RWE weiter. „Gewalt ist vollkommen inakzeptabel.“
Stadt Kerpen bittet Polizei um Hilfe
Um RWE die geplanten Arbeiten zu ermöglichen, hatte die Stadt Kerpen Ende September ein Aufenthalts- und Betretungsverbot für das Waldstück verhängt. RWE verfüge über alle rechtlichen Voraussetzungen und dürfe das Waldstück roden, heißt es darin.
Doch weil sich die Aktivisten nicht an diese Verfügung halten und trotzdem in dem Waldstück geblieben sind, kommt es nun zu dem Einsatz der Polizei.
Die Räumung sei zunächst verzögert worden, weil mögliche Sprengvorrichtungen an den Bäumen entdeckt worden seien, sagte ein Polizeisprecher. Diese hätten von Spezialisten untersucht werden müssen. „Das waren aber alles nur Attrappen“, sagte er.
Baumhäuser auf etwa einem Dutzend Bäume
In ihrer Allgemeinverfügung vom September ging die Stadt Kerpen davon aus, dass Aktivisten auf etwa einem Dutzend Bäume im Sündenwäldchen Baumhäuser oder Plattformen errichtet haben. Diese seien gegen Regen geschützt und über Seile miteinander verbunden.
Die Aktivisten seien damals dauerhaft mit fünf bis zehn Menschen im Wald gewesen, die regelmäßig abgelöst worden seien. Allerdings hatte die Stadt schon betont, dass bis zum Beginn der Räumung deutlich mehr Braunkohle-Gegner in das Sündenwäldchen kommen würden. Wie viele Aktivisten im Moment in den Baumhäusern sind, dazu äußerten sich auf Anfrage weder die Polizei noch die Aktivisten.
Immer wieder Polizeieinsätze
Zuletzt hatten Kohlegegner einen Braunkohlebagger und ein Förderband im Tagebau Hambach besetzt. Auch dabei waren spezialisierte Höhenretter der Polizei im Einsatz.

Mit zahlreichen Einsatzkräften und schwerem Gerät ist die Polizei im Einsatz.
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Der Braunkohle-Abbau im Rheinischen Revier sorgt seit Jahren für Auseinandersetzungen zwischen Umweltschützern und der Polizei. Die Räumung von 86 Baumhäusern im Hambacher Forst im Jahr 2018 gilt als einer der größten Polizeieinsätze in der Geschichte Nordrhein-Westfalens.
Tagebau soll zu Freizeitsee werden
Die Pläne von RWE für das Gebiet sehen vor, dass nach Beendigung des Kohleabbaus Wasser in das Tagebauloch eingeleitet wird, um es in einen Freizeitsee zu verwandeln.
Die Waldbesetzer werfen RWE hingegen vor, mit dem See vor allem einen Jachthafen für Reiche bauen zu wollen. Sie argumentieren außerdem, dass es zur Stabilisierung der Böschung andere Möglichkeiten gebe, bei denen keine so folgenschweren Eingriffe in die Natur nötig wären.

Das Sündenwäldchen ist nicht weit von den großen Baggern im Braunkohle-Tagebau Hambach entfernt. (Archivbild)
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Die Umweltschutzorganisation BUND hatte auch vor Gericht versucht, die Rodung zu verhindern - aber ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster hatte RWE bereits im Januar die Abholzung des Sündenwäldchens erlaubt. (dpa)
