Drachenkönig wird zum Monster

Lesezeit 3 Minuten

Der Fotograf Dirk Gebhardt porträtierte Kinder beim Kölner Straßenkarneval - Mädchen und Jungen aus Paffrath erfanden dazu kreative Geschichten.

Paffrath / Köln - „Ich habe über ein Cowgirl geschrieben - das Mädchen sah unglücklich aus“, erzählt der zwölfjährige Joscha Wasser, „nicht glücklich darüber, dass es fotografiert wurde.“ Tatsächlich sind die Schwarz-Weiß-Fotos, die Dirk Gebhardt beim Karneval 2002 in der Kölner Südstadt aufgenommen hat, weit entfernt von platter Fröhlichkeit: Seine Bilder fangen eine große Bandbreite von Stimmungen ein. In der Ausstellung „. . . und was bist du?“ im Kölner Schokoladenmuseum sind sie bis zum 27. April zu sehen. Die Allerweltsfrage, was eine Verkleidung darstellen soll, ist nicht überflüssig: Gebhardt tituliert die kostümierten Pänz als „Quatschtante“, „Hähnchen“, „Elfe“ oder „Graf Dracula“ - doch die Kinder aus Paffrath sehen in den Bildern nicht selten etwas anderes. Einen Jungen im Fellkostüm beispielsweise versteht der Fotograf als „Drachenkönig“, während Roman Kirchner und Erginer Simsek (beide 12) darin ein Monster erblicken. „Er heißt Gonzo. Er hat ein Godzilla-Kostüm an und eine Trillerpfeife um den Hals.“ Mit einer solchen Beschreibung beginnen sie ihre Geschichte - um anschließend ihre Fantasie spielen zu lassen: „Er isst gerne Döner und Gyros Pita. Seine Hobbys: Fußbälle fressen und Städte zerstören.“ So spinnen Bild und Text das Spiel mit der Identität fort, das der Karneval eröffnet hat.

Deutschlehrer Peter Brinkemper von der Gesamtschule Paffrath, ein Bekannter von Gebhardt, lud Schüler der sechsten Klasse ein, sich zu den Fotos Gedanken zu machen. Ihre Kommentare hängen nun neben den Bildern der Ausstellung und sind auch im Katalog nachzulesen. Der Erlös aus dem Katalogverkauf fließt dem Kinderhilfswerk Unicef zu - Ford, Imhoff Stollwerck, die Stadt Köln und weitere Institutionen fördern das Ausstellungsprojekt. Zu dem Bild eines Mädchens mit Regenschirm hat Schülerin Jana Terenik (12) eine kurze Geschichte ersonnen: „Lisa Maria geht immer mit einem Regenschirm nach draußen, egal, ob es regnet oder die Sonne scheint“, heißt es darin. Miriam Dörr (11) hat sich „ein Mädchen im Engelskostüm, das ein bisschen zerrissen war“, vorgenommen. „Ich bin mit ihr ins Jugendamt gegangen und ins Phantasialand“, erzählt sie. Von einem „Cowboy, der aussieht wie ein Penner“, hat Markus Witsch (12) sich anregen lassen. Herausgekommen ist ein „Evangelium vom Armen, der ein Reicher wurde“. Es handelt von dem Penner Simon, der sich mit seinen kaputten Kleidern nicht auf den Rosenmontagszug traut - woraufhin Markus und seine Freunde ihn einladen, gemeinsam hinzugehen. Sie verbringen einen schönen Tag, doch am Abend kommt ein Millionär auf Simon zu und fragt ihn, ob er eine Rolle in seinem neuen Film übernehmen wolle. Von da sind es nur noch ein paar Sätze bis zum Happy End: „Und Simon wurde sehr reich.“

KStA abonnieren