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Edzard Ernst„Homöopathie kann Leben gefährden“

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Edzard Ernst baute in Exeter den ersten Lehrstuhl zur Erforschung der Alternativmedizin auf. (Bild: Privat)

Edzard Ernst baute in Exeter den ersten Lehrstuhl zur Erforschung der Alternativmedizin auf. (Bild: Privat)

KÖLNER STADT-ANZEIGER HerrErnst, Prince Charles wollteSie von ihrem Lehrstuhl für Alternativmedizinan der UniversitätExeter feuern. Warum?

EDZARD ERNST Prince Charleshatte einen Report über dieKosteneffizienz der Alternativmedizinin Auftrag gegeben,und auch ich sollte dazu einenBeitrag leisten. Der Bericht wardirekt für das Parlament vorgesehen,wurde mir gesagt. Alsich das fertige Dokument dannaber sah, waren die Erkenntnisseaus wissenschaftlicher Sichtfür mich absolut nicht haltbar.Deswegen bat ich darum, meinenNamen zu streichen.

Worum ging es?

ERNST Der Bericht kam unteranderem zu dem Ergebnis, dasssich die Behandlung von Asthmadurch die Homöopathie wesentlichgünstiger und effektivergestalten lässt. Das ist einegefährliche Aussage, die ich sonicht unterstützen wollte. Diealleinige Asthma-Behandlungmit Homöopathie kann nämlichlebensgefährlich für manchePatienten sein. Der Patient bezahltmit dem Leben dafür,während die Behandlungskostengespart werden, weil er totist. Das ist dann tatsächlichgünstiger.

Was passierte dann?

ERNST Ein Journalist bekam vondem Report Kenntnis und riefmich an. Und die „Times“ inLondon veröffentlichte die Geschichteauf der Titelseite. Dashat Prinz Charles so geärgert,dass er sich bei der Uni beschwerte.Daraufhin gab es einenspektakulären Versuch,mich zum Schweigen zu bringen.13 Monate lang lief dieUntersuchung meines Falls.Prinz Charles hat es zwar nichtgeschafft, mich rauswerfen zulassen. Dennoch war das ganzesehr unerfreulich. Man will sichja nicht den zukünftigen Königseiner Wahlheimat zum Feindmachen.

Das hätten Sie wesentlich bequemerhaben können. Schließlichhatten Sie einen gut dotiertenPosten als Professor fürPhysikalische Medizin und Rehabilitationan der UniversitätWien. Warum sind Sie überhauptnach Exeter gegangen?

ERNST Wien war wie ein goldenerKäfig – gut bezahlt mit vielenMitarbeitern. Es war damalsder größte Lehrstuhl seiner Artin Europa. Die Wiener mit ihremHang zum Intrigieren habenmich allerdings das Fürchtengelernt. Dort war ich inmeinen Ganztagsjob Dreiviertelder Zeit damit beschäftigt, mitdem Wiener Intrigantenspielfertigzuwerden.

Angriffe abwehren müssen Sieauch heute noch. Viele Anhängerder Alternativmedizin nehmenes Ihnen übel, dass Sie dieAlternativmedizin so stark kritisieren.Haben Sie damals verstanden,worauf Sie sich bei einemWechsel einlassen?

ERNST Nein, das habe ich nicht.Ich dachte, es wird ein ruhigerJob. Für mich war die Alternativmedizinein Hobby. Außerdemwusste ich, dass ich gernein England arbeiten würde. Ichhatte schon mal als junger Arztin London gearbeitet. Damalslernte ich meine Frau kennen.

Wann ist Ihnen klar geworden,dass die Zeiten als Professorfür Alternativmedizin stürmischwerden?

ERNST Ich hatte noch nicht meinenKoffer ausgepackt als ichzu einer Konferenz nach Londoneingeladen worden war. Ineinem kurzen Statement erläuterteich meine Position – nämlichdass die Regeln der Wissenschaftauch auf die Alternativmedizinanzuwenden sind.Nach meinen Worten stand einMann wütend auf und rief, dassdie Wissenschaft dafür nichtgeeignet sei. Diese Meinungsverschiedenheitist oft derKnackpunkt in der Diskussion.

Was entgegen Sie ihren Kritikern?

ERNST Wissenschaftliche Prinzipiensind fast wie Naturgesetze.Sie haben überall Bestand.Ich bin Weinliebhaber. Zu Vorträgenbringe ich oft eine Flaschemit und stelle sie vorneauf das Podest. Jeder kann siebekommen. Voraussetzung:Derjenige nennt mir eine Therapie,die nicht mit Methodender evidenzbasierten Medizin,zum Beispiel durch klinischeStudien mit verschiedenen Patientengruppen,untersucht werdenkann. Bis heute habe ichdie Flasche immer wieder mitgenommen.

Kritiker sagen, Sie würden alleMethoden der Alternativmedizinschlecht machen, obwohl Siezur Zunft gehören.

ERNST Das stimmt einfach nicht.Ich schaue mir Nutzen undRisiko nicht isoliert, sondernkombiniert an. Dann kommeich zu einer Empfehlung. Ichhabe gezeigt, dass etwa siebenProzent der angebotenen Therapienwirksam sind. Meine Zustimmungist nur nicht so pressewirksam.So bin ich zum Beispiel einBefürworter von dem PflanzenheilmittelKava Kava gewesen,das jetzt verboten wurde. Eshat gut gewirkt. Aber 80 Fällevon weltweit festgestelltenschweren Nebenwirkungenkonnte auch ich trotz der gutenWirksamkeit nicht ignorieren.Ich rate von Kava Kava deshalbab.

Welche Methoden halten Sienoch für wirksam?

ERNST Eine der besten ist diePflanzenheilkunde. So ist zumBeispiel das Johanniskraut sehrgut durch wissenschaftlicheStudien belegt worden. Und eshat sich gezeigt, dass die Pflanzevielleicht sogar besser wirktals herkömmliche Antidepressiva.Das Johanniskraut ist aber auchein gutes Beispiel dafür, dasses auch Wechselwirkungen gebenkann. Kombiniert man eszum Beispiel mit der Antibabypille,ist die Verhütungswirksamkeitherabgesetzt.

Manche Kinder haben dann ihrLeben wohl dem Johanniskrautzu verdanken, weil die Antibabypillein Kombination mit demJohanniskraut nicht mehr ausreichendschützte?

ERNST Ja, das kann gut möglichsein.

Besonders angefeindet werdenSie von den Homöopathen.Warum? Dabei sind Sie dochselbst ausgebildeter Homöopath.

ERNST Das wird oft gesagt, ichhabe aber keine vollständigehomöopathische Ausbildung.Ich habe mal etwa ein halbesJahr in einem Krankenhaus fürNaturheilverfahren gearbeitetund dort auch die Homöopathiekennengelernt. Ich versteheaber so viel, dass ich sie bewertenkann. Ich bin ein Kritikervon innen.

Ist das der Grund für die Vehemenzder Anfeindungen?

ERNST Einer von vielen Gründen.Im Fall der Homöopathieund auch der Chiropraktik handeltes sich manchmal um eineArt Religionsersatz. SolcheHomöopathen sollten bessereine Hahnemann-Religion gründen.(Anm. d. Red. BegründerHomöopathie).

Wovon würden Sie dringendabraten?

ERNST Von Manipulationen ander oberen Wirbelsäule – wiees die Chiropraktik tut – würdeich die Finger lassen. Es gabmehrere hundert Fälle vonQuerschnittslähmung nach einerBehandlung. Abraten würde ichauch von der so genanten Chelat-Therapie, bei der Chemikalieninjiziert werden. Sie sollgegen Arteriosklerose helfen.Diese Therapie hat aber extremeNebenwirkungen.

Welche zum Beispiel?

ERNST Den Tod.

INTERVIEW: MIRIAM BETANCOURT

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