Ein Dorf mitten im Wald

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In der waldreichen Umgebung von Dormagen-Straberg finden auch oft Schulwanderungen statt.

In der waldreichen Umgebung von Dormagen-Straberg finden auch oft Schulwanderungen statt.

Gleich aus welcher Richtung Besucher in Richtung Straberg fahren, sie werden überall Wälder sehen. Deshalb wird dieser Dormagener Stadtteil auch als Walddorf bezeichnet.

Dormagen-Straberg - „Nicht kalle, dunn“: Dieses rheinische Sprichwort beherzigen die Straberger wie kaum ein anderer Ort im Stadtgebiet. Sie diskutieren nicht erst monatelang über ein Vorhaben, sie packen an. Wie die Mitglieder der Sankt-Hubertus-Schützenbruderschaft, die zurzeit mit dem Baumaterial, für das die Stadt einen Zuschuss gewährt hat, das eigene Schützenheim, den Hubertus-Saal, restaurieren. Brudermeister Wolfgang Sedler: „Unser Saal ist 1975 letztmals renoviert worden, er musste dringend saniert werden.“ So seien die Stromleitungen, die Isolierung und der Schallschutz erneuert worden. Bei dieser Gelegenheit sei auch eine neue Decke eingezogen worden.

MITTEN IM ORT

Heute: Dormagen-Straberg

Morgens treffen sich ältere Schützen der 360 Mitglieder zählenden Bruderschaft, um anzupacken, abends kommen dann auch viele berufstätige Schützen, um nach Dienstschluss mitzuhelfen. Eigentlich sollte der Saal schon fertig sein, der lange Winter hat aber auch hier den Zeitplan beeinträchtigt. In wenigen Wochen soll das Heim fertig sein, das im großen Saal 600 Gästen Platz bietet und im Untergeschoss noch einmal weiteren 150 Besuchern.

Auf jeden Fall werden die Schützen die Veranstaltungen zur „Gottestracht“, ihrer Frühkirmes, am 20. und 21. Mai hier feiern. Das große Schützenfest folgt dann im September. In der Karnevalssession schunkeln die Einwohner auch im Schützenheim. Eine eigene Karnevalsgesellschaft gibt es nicht, die Schützen sind auch für den „Spaß an d'r Freud“ in ihrem Dorf zuständig.

Die Schützen haben übrigens auch keine Berührungsängste gegenüber den Mitgliedern des kleineren Schießvereins (dahinter verbergen sich die Sportschützen). Sedler: „Wenn Not am Mann ist, helfen wir uns gegenseitig.“

Das taten die Straberger auch, als die Vereine und Bürger vor einigen Jahren für eine neue Glocke für ihre im vergangenen Jahr restaurierte Pfarrkirche Sankt Agatha sammelten. Die Glockenweihe auf einer Wiese nahm Josef Kardinal Meisner am Fronleichnamstag des Jahres 2004 vor.

Sport für jeden

Eigeninitiative ergriffen auch Mitglieder des FC Straberg, als sie vor zwei Jahren ebenfalls mit finanzieller Unterstützung der Stadt die Laufbahn am Sportplatz herrichteten. Mit 1100 Mitgliedern gehört der Sportverein, der 1968 zunächst nur als Fußballverein gegründet worden war, mittlerweile zu den größten Klubs im Stadtgebiet von Dormagen. Der Schwerpunkt hat sich inzwischen gewandelt. 800 Mitglieder nehmen die Angebote in den Bereichen Leichtathletik und Breitensport wahr. Geschäftsführer Josef Schoos: „Nur 20 Prozent der Mitglieder kommen aus umliegenden Orten.“ Der wöchentliche Terminkalender umfasst viele Bereiche. Vom Lauftreff für Anfänger und Fortgeschrittene, Gymnastik und Ballspiele, Wirbelsäulen-Gymnastik, Sport für Ältere und Inline-Skating bis hin zum Kindersport und zur Leichtathletik für Kinder und Jugendliche reicht das Angebot. 24 Übungsleiter und zwölf Trainer und Betreuer für die Fußballer bilden den personellen Kader. Volks- und Crosslauf am 27. Mai und die Sportwoche vom 14. bis 18. Juni sind die beiden größten Veranstaltungen des Vereins. Schoos, der selbst über 38 Jahre in Straberg wohnt, und zwar direkt am Waldrand, lebt gerne hier: „Straberg ist einer der schönsten Orte weit und breit.“

Vom Charme des Walddorfes hat sich auch das Ehepaar Krüger leiten lassen, als es vor 23 Jahren nach Straberg zog. Der Tierarzt Dr. Dietrich Krüger: „Schöner kann man kaum wohnen.“ Auch er ist inzwischen Mitglied in vielen Vereinen: „Da werden die Leute schon fast hineingeboren.“ Auch die Umgebung des Ortes hat es ihm angetan: „Man ist in wenigen Minuten im Wald, und auch der Straberger See liegt direkt vor der Haustür.“ Schwimmer, Segler und Surfer tummeln sich hier vor allem im Sommer. Auch wenn die Einwohner des Nachbarortes Nievenheim gelegentlich den Namen streitig machen, die Straberger lassen nichts auf ihren See kommen. So sieht es auch die frühere Vorsitzende des Bezirksausschusses Straberg, Elisabeth Steiner: „Schließlich haben ausschließlich Straberger Landwirte das Gelände an die Betreiber verpachtet.“ Der Eingangsbereich liege nach wie vor auf Straberger Gebiet und werde wohl nicht verändert.

Viele junge Familien

Im kommenden Monat soll der See wieder zum Bade und Segeln laden, allerdings fehlt bisher noch ein neuer Stahlgitterzaun. Für die Finanzierung ist der Rhein-Kreis Neuss zuständig. Ebenso wie Krüger ist auch Steiner fasziniert von der Anziehungskraft von Straberg. Die neue Wohnsiedlung an der Blumenstraße mit 150 Wohnhäusern ließ die Einwohnerzahl auf etwa 2800 steigen: „Nach wie vor gibt es eine große Nachfrage nach Wohnungen im Ort.“. Besonders faszinierend, so Steiner, sei die Tatsache, dass immer mehr junge Familien nach Straberg zögen: „Unser Kindergarten hat eine lange Warteliste.“ Zu den Angeboten für Kinder gehören auch drei Spielplätze und eine Grundschule. Die weiterführenden Schulen dagegen liegen in Horrem oder Knechtsteden.

Auf dem Bolzplatz und an der Grillhütte in der Nähe des Sportplatzes herrscht vor allem im Sommer Hochbetrieb. Steiner bedauert, dass die private Tennisanlage geschlossen ist: „Die vergammelt immer mehr.“ Als Vorsitzende des Jugendfördervereins engagiert sie sich vor allem für obdachlose Jugendliche und junge Straftäter. Sie hilft jungen Menschen bei der Suche nach Lehrstellen und begleitet sie auch zu Behörden.

Die Pfarrgemeinde Sankt Agatha, zu deren Bezirk übrigens auch die Klosterbasilika Knechtsteden gehört, hält ein umfassendes Angebot sowohl im Jugend- als auch im Seniorenbereich vor. So feiert die Katholische Junge Gemeinde in diesem Jahr ihr 30-jähriges Bestehen. Vom 17. bis 21. Juli organisiert sie die Stadtranderholung. Gut besucht ist auch die Altenstube, hier engagieren sich ebenfalls viele ehrenamtliche Kräfte. Die Handarbeitsgruppe organisiert regelmäßig die beiden Karnevalssitzungen im November, die jeweils ausverkauft sind. Der Kirchenchor würde sich über neue Mitglieder freuen.

Die Grundschule in Straberg ist fast vollständig saniert. Ab 2007 soll für 30 Kinder die offene Ganztagsschule eingeführt werden. Die gebürtige Strabergerin Steiner: „Ich bin stolz, in einem solchen Ort zu wohnen und möchte mit niemandem tauschen.“

Wenige Geschäfte

Das Gewerbe- und Einzelhandelsangebot in Straberg lässt bei der verhältnismäßig niedrigen Einwohnerzahl zu wünschen übrig. Zwar gibt es eine Metzgerei, zwei Bäckereien, ein Blumengeschäft, eine Gärtnerei und eine Trinkhalle. Der letzte „Tante-Emma-Laden“, in dem Lebensmittel und Getränke angeboten werden, schließt aber Ende des Jahres. Für Steiner ist das ein großes Problem: „Wenn aber alle zum Aldi fahren, dürfen sie sich nicht wundern, wenn demnächst überhaupt kein Laden mehr da ist.“ Immerhin gehören zu den Dienstleistungsangeboten im Ort auch eine Reinigung, eine Näherei und eine kleine Postannahmestelle.

Der Stadtbus fährt jede Stunde nach Dormagen. Will man nach Neuss oder Köln, ist das schon schwieriger. Steiner: „In Straberg kommt man ohne Auto kaum aus.“ Das bestätigen auch die Besucher des Conradhofes am Ortsrand. Der Bauernladen ist vor allem bekannt wegen seines frischen Straberger Spargels. Das Restaurant „Haus Hubertus“ in der Nähe der Waldstraße ist zu einem Geheimtipp für viele Gäste geworden. Gegenüber der Kirche treffen sich die Straberger in der urigen Gaststätte „Alter Ulan“. Krüger: „Hier muss man sich einfach hin und wieder sehen lassen.“

Ein Arzt und ein Zahnarzt praktizieren in Straberg und sorgen so für die medizinische Grundversorgung.

Und am Ortsrand? Hundebesitzer, Reiter und Jogger finden hier ungeahnte Möglichkeiten. In einer knappen halben Stunde ist man in Knechtsteden.

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