Ein Meister der Überredung

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Der Kunstvermittler brachte Joseph Beuys ins Schaufenster.

„Ich will meine Begeisterung für die Kunst auch anderen nahe bringen“, sagt Dietmar Schneider. Der leidenschaftliche Kunstvermittler hatte selbst nie einen Zweifel daran, dass hinter der modernen Kunst mehr steckt als nur ein paar schräge Formen und schrille Farben. Schon als Kind hatte diese Faszination begonnen: mit einer realistischen Porträtbüste, die seinen Vater, den Opernsänger Josef Schneider, darstellt. Er hatte den mit dem Vater befreundeten Bildhauer kennen gelernt und ihm sogar im Atelier geholfen. Bevor Dietmar Schneider sich allerdings ganz seiner Tätigkeit als Selfmade-Kunstorganisator widmen sollte, arbeitete der 1939 in Breslau geborene Kölner zunächst einmal mehrere Jahre als gewöhnlicher Versicherungskaufmann. Tagsüber saß er im Büro, und am Abend suchte er den Kontakt zur Kölner Kunstszene, die sich damals, Mitte der

60er Jahre, in einer regen Aufbruchsstimmung befand.

Schneider spürte, dass die undurchsichtige Fremdheit der Kunst genau das Richtige war, um dem in vielen Bereichen trist-behäbigen Alltag der wachsenden deutschen Wohlstandsgesellschaft belebend auf die Sprünge zu helfen. Und mit der Idee, moderne Kunst in die Schaufenster der Hohe Straße zu bringen, hatte er den richtigen Riecher. „Die Leute blieben mitten im Einkaufsgeschehen stehen, neugierig-fasziniert oder verärgert, aber sie diskutierten miteinander“, sagt er rückblickend. An der Aktion, die mit 13 Schaufenstern begann, waren fünf Jahre später fast 70 Geschäfte beteiligt. Noch heute schwärmt Schneider davon, wie es ihm gelang, Josef Beuys für eine öffentliche Diskussion in der Hohe Straße zu gewinnen. „Von ihm habe ich gelernt, dass man jeden Menschen in seiner Einstellung akzeptieren muss.“ Die in der Folgezeit mit Beuys gemeinsam entwickelten Editionen sind in Sammlerkreisen sehr begehrt.

„Ich konnte immer gut überreden“, nennt Schneider seine große Stärke. Als einer der ersten entdeckte er die umfassenden Möglichkeiten des Kunstsponsorings durch große Kölner Firmen. Forsch und ungezwungen trat er immer gleich an die Geschäftsleitung heran und erklärte: „Die Künstler haben die Ideen, ihr habt das Geld. Machen wir etwas daraus.“ So entstand im Stammgeschäft von 4711 die „Galerie Glockengasse“. 24 Jahre lang organisierte Schneider dort Hunderte von Ausstellungen, „die bewusst fürs breite Publikum angelegt waren“. Zur Förderung der experimentellen Kunst gelang es ihm, mit 4711 und Toyota Förderpreise ins Leben zu rufen. Zehn Jahre lang organisierte er im Gothaer Kunstforum den Ausstellungsbetrieb. Und den Spielern des 1. FC Köln erklärte er im Trainingslager in Seminaren die Spielzüge der Kunst. Allerdings werde es immer schwieriger, von großen Unternehmen Geld für die Kunst lockerzumachen, weil die Kunst nicht populistisch genug sei.

Das erschwert ihm auch zusehends, die von ihm mit Unterstützung der Stadtsparkasse Köln gegründeten „Kölner Skizzen“ weiter herauszubringen. Seit mehr als 25 Jahren trägt er in der viermal im Jahr erscheinenden Zeitschrift viele kleine Mosaiksteine der Kölner Kunstszene zusammen. Und hier veröffentlicht er auch immer eine Auswahl der vielen Fotos, in denen er seit 1971 Kunstereignisse überall im Rheinland und Künstler im Porträt festhält. Die einzigartige Sammlung ist inzwischen auf rund 90 000 Schwarz-Weiß-Fotos angewachsen, von ihm und seiner Frau Christiane ebenso akribisch katalogisiert wie die anderen Teile seines randvollen Archivs: Kataloge, Einladungskarten, Kunstkritiken und die von ihm selbst herausgegebenen Editionen und Multiples. Dazu kommen die unzähligen Kunstwerke, die die hohen Wände seiner Altbauwohnung schmücken. Fast alle tragen eine persönliche Widmung, viele sind eigens für ihn angefertigt worden, als Zeichen von persönlichen Begegnungen.

Eindrucksvoll dokumentiert das gewaltige Kunst-Konvolut die Unermüdlichkeit, die Schneider seit mehr als vierzig Jahren in der Kölner Kunstszene umtreibt und die vielen Künstlerkontakte, die er seitdem pflegt. Ihn freut, dass viele Künstler, die er in ihren mageren Anfangsjahren kennen lernte, später weltberühmt wurden. Allerdings haben ihn diese Kontakte nie davon abgehalten, seinen Blick vorwiegend auf die jungen Künstler zu richten, „auf das Neue, das Noch-nicht-Entdeckte“.

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