Erdhaftes und die Flüchtigkeit des Daseins

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Innenstadt - Es ist eine große Kunst, flüchtige Momente im Strom des Lebens, in Bildern und Objekten einzufangen. Mitsuko Hoshino und Gerd Knäpper, die derzeit im Japanischen Kulturinstitut ausstellen, gelingt das auf ebenso bezaubernde wie unspektakuläre Weise: der Malerin Mitsuko mit viel Schwung und sanft schwebenden Farben; dem Keramiker Gerd Knäpper mit einer offenen Patina auf weichen erdigen Formen.

Ihre gemeinsame Präsentation ist ein weiteres, gelungenes Beispiel für das Konzept der deutsch-japanischen Dialogausstellungen, die im japanischen Kulturinstitut seit langem gepflegt werden. Erdhaftigkeit ist das zentrale Charakteristikum, das Gerd Knäppers Gefäße und freie Objektgestaltungen verströmen.

Als solle jeder Griff nach einer Schale, Teedose, einem Sakebecher oder Weihrauchbrenner uns daran erinnern, woher wir kommen: aus dem amorphen Lehm der Erde. Fein und grobkörnig zugleich sind die Oberflächen seiner Formen, auf denen Wellen, Spiralen oder gekreuzte blau-braune Farbspuren für eine ruhig-bewegte Textur sorgen.

Zu Knäppers Markenzeichen haben sich parallel angeordnete Strichmuster entwickelt, die er halbkreisförmig in die Keramikkörper einkerbt. Nachdem der 1943 geborene Wuppertaler zunächst in unterschiedlichen Ländern Erfahrungen als Keramiker sammelte, kam er 1967 ins japanische Moriyama, um dort traditionelle Töpferwerkstätten kennen zu lernen. 1971 siedelte er dorthin über, errichte in Jonai eine neue Werkstatt und lebt inzwischen seit 35 Jahren in Japan. Seine Werke, anfangs in ihrem Stil der japanischen Volkskunst-Bewegung verpflichtet und an den Vorbildern der Jomon-Zeit orientiert, wurden seitdem mit zahlreichen Ehrungen ausgezeichnet.

Wie der Deutsche Gerd Knäpper sich geduldig-beharrlich in die traditionelle japanische Keramikkunst einarbeitete, entdeckte die 1968 im japanischen Kanagawa geborene Mitsuko Hoshino die abstrakt-expressiven Elemente der modernen europäischen Malerei für sich.

Sie studierte Kunst an der renommierten Tama Art Universität in Tokio, bevor sie Ende der 90er Jahre nach London zog, wo sie heute lebt. Ihre Werke bezeichnet sie selber als „Fragmente, die meine Eindrücke von der Natur widerspiegeln“. So wird sie von der Bewegung des Windes im Gras oder vom Geräusch der Wellen an der Meeresküste inspiriert.

Die empfundene Stimmung setzt sie überwiegend in abstrakten malerischen Gesten um. Schwung und Leichtigkeit kennzeichnen ihren Umgang mit der Farbe - traditionelle Mineral-, Muschel- und Lehmpigmente. Manche ihrer Bilder zeigen nur wenige rote Farbhuscher, die wie eine Schleifspur aus Blut oder wie der Lauf von Vogelfüßen auf Sand die Flüchtigkeit unseres Daseins zum Ausdruck bringen.

Andere Arbeiten erfassen mit dünner schwarzer Farblasur das nie stillstehende Prinzip unaufhörlicher Drehungen und Gestaltverwandlungen, wie er sich im Wolkenflug oder in Rauchschwaden zeigt. Von atemberaubender Komplexität ist schließlich ein großes, vielfarbiges Landschaftspanorama, in dem unzählige kleine Farbgesten untrennbar miteinander verwoben sind und eine bewegte Szenerie unzähliger Brüche und Übergänge vor Augen führen.

Die gewohnte Trennung zwischen abstrakter und gegenständlicher Kunst (wie sie in Deutschland noch immer gepflegt wird) ist darin ebenso aufgelöst wie die Idee, ein Bild oder irgendein Moment des Lebens könne je die immer gleiche Bedeutung haben. Alles wandelt sich unaufhörlich, das ist die Lehre der Natur und der Werke beider Künstler.

Japanisches Kulturinstitut, Universitätsstraße 98, Montag bis Freitag 9-13 und 14-17 Uhr, bis 24. März.

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