Florettfechter Wolfgang WienandUnangefochten unter den Weltbesten

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Wolfgang Wienand lebt heute in Frankfurt. Dennoch ist der ehemalige Leistungssportler oft in Bergisch Gladbach, wo er aufwuchs und durch den TV Refrath zum Fechtsport kam. BILD: NONNENBROICH

Wolfgang Wienand lebt heute in Frankfurt. Dennoch ist der ehemalige Leistungssportler oft in Bergisch Gladbach, wo er aufwuchs und durch den TV Refrath zum Fechtsport kam. BILD: NONNENBROICH

Bergisch Gladbach – Am fünften Wettkampftag der Olympischen Spiele 2008 in China musste sich Wolfgang Wienand auf eine Geschäftsreise nach Antwerpen begeben. So kam es, dass der Chemiker und ehemalige Weltklasse-Fechter den Triumph der deutschen Fechter vom Frankfurter Flughafen aus mitverfolgte. Als Florettfechter Benjamin Kleibrink und Degenfechterin Britta Heidemann den jeweils ersten deutschen Einzel-Olympiasieg in ihrer Disziplin holten, saß Wienand in einer Warte-Lounge und fieberte mit. „Zum Glück konnte ich beide Final-Kämpfe verfolgen und auch beide Siegtreffer sehen“, sagt er. „Ich habe mich sehr gefreut, das ist ein starker Erfolg für die deutschen Fechter.“ Gegen den Bonner Benjamin Kleibrink habe er beim Olympischen Fechtclub (OFC) in Bonn sogar selbst einmal gefochten: „Damals begann er gerade, besser zu werden“, erinnert sich der 36-Jährige, der zwischen 1995 und 2000 zur Weltspitze der Florettfechter zählte.

Wolfgang Wienand kam bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta auf den vierten Platz, er war Weltranglistenerster, errang insgesamt elf Weltcupsiege und einen Gesamtweltcupsieg im Jahr 1997. Begonnen hatte die große Karriere des gebürtigen Kölners, der in Bergisch Gladbach-Hand aufgewachsen ist, mit einer kleinen Zeitungsannonce: Der TV Refrath lud zu einer Talentsichtung für den Fechtsport ein. Da Wienand, wie er schmunzelnd erzählt, als Kind „motorisch sehr engagiert“ gewesen sei, habe sich seine Mutter wohl erhofft, dass er nach dem Sport besser schlafe. Zehn Jahre war er alt, als er seine ersten Versuche mit dem Florett bei dem Refrather Verein unternahm. Die Lust am Zweikampf und das Spannende der Auseinandersetzung habe er von Anfang an empfunden. Als er 13 Jahre alt war, holten ihn Talentsucher nach Bonn, in das Bundesleistungszentrum Fechten. Der junge Sportler wechselte zum OFC und Trainer Frank Höltje, dem späteren Bundestrainer. Wolfgang Wienand sagt, er habe schnell gemerkt, dass er besser war als die anderen. „Und plötzlich habe ich Leistungssport betrieben. Das war so eigentlich nicht geplant.“

Mit 14 Jahren fuhr er bereits täglich zum Fechttraining nach Bonn. Bald zahlte sich das Üben aus: Aus der Juniorenweltmeisterschaft 1989 in Lissabon ging der damals 17-jährige Wienand als Sieger hervor. Zu dieser Zeit focht er außerdem schon in der zweiten Nationalmannschaft, ab 1995 für die Nationalmannschaft. Gute Ergebnisse bei nationalen und internationalen Wettkämpfen sorgten dafür, dass Wolfgang Wienands Name auf der deutschen Rangliste der Fechter immer höher kletterte, so dass er sich 1996 für die Olympischen Spiele in Atlanta qualifizieren konnte. „Das war eine harte Auswahl, weil die deutschen Hochleistungsfechter sehr stark waren in den 90er Jahren“, erinnert er sich. Den Einzug der Athleten bei der Eröffnungsfeier erlebte Wienand als sehr „bewegenden Moment“. Bereits das lange Warten bis zum Einlaufen sei etwas Besonderes gewesen: „Da steht man dann mit diesen vielen Sportlern aller Nationalitäten und freut sich einfach.“

Bei den Olympischen Wettkämpfen im Florett-Fechten traten die Sportler im 32er-Tableau nach dem K.o.-System gegeneinander an. „Das ist das Gnadenlose beim Fechten: Wenn du nur ein Gefecht verlierst, und sei es, weil du einen schlechten Tag hast, bist du raus aus dem Wettkampf“, erklärt Wienand. So könne es passieren, dass nicht immer der Besserplatzierte gewinne. 1996 war der deutsche Sportler Achter der Weltrangliste und gewann im Viertelfinale den Kampf gegen den damaligen Weltranglistenersten und Favoriten der Spiele, den Kubaner Rolando Tucker. „Das Turnier lief sehr gut für mich“, erzählt Wienand. Doch nach dem Sieg gegen den weltbesten Fechter, habe er die Spannung nicht aufrecht halten können: „Bis zum Halbfinale mussten wir drei Stunden warten.“ Dieser Umstand könne dazu beigetragen haben, dass es für ihn bei den Olympischen Spielen in Atlanta „nur“ Platz vier wurde, meint Wienand. „Ich habe mich trotzdem sehr gefreut. Von so einem Erfolg nimmt man etwas mit, das ist eine Motivation.“ Der Ansporn reichte aus, um 1998 Vize-Europameister zu werden und sich bei der Weltmeisterschaft 1999 in Seoul den dritten Platz zu erfechten. „Bestimmte Dinge will man als Sportler ja erreichen, um seine Leistung zu bestätigen.“ Das Olympia-Jahr 2000 war für den Fechter ein schwieriges, wie er sagt. „Seit 1996 war ich immer unter den ersten drei der Weltrangliste. Ich konnte mir nicht erklären, wieso ich plötzlich nicht richtig in Form war.“ Eine mögliche Erklärung bekam Wolfgang Wienand erst bei der medizinischen Untersuchung vor den Olympischen Spielen in Sydney, für die er sich trotzdem qualifiziert hatte: Er hatte zuvor am Pfeiffrischen Drüsenfieber gelitten. „Zu den Spielen war aber wieder alles gut“, so der ehemalige Leistungssportler. Er galt als einer der Favoriten auf eine Olympische Medaille, doch diesmal wurde ihm das K.o.-System zum Verhängnis. „Ich hatte keinen guten Tag“, erinnert er sich. Bereits in der ersten Runde musste er sich gegen den Ungarn Mark Marsi, der zu diesem Zeitpunkt auf der Weltrangliste weit hinter ihm platziert war, geschlagen gegeben.

Olympia 2000 war das letzte große Turnier, das Wolfgang Wienand bestritt. Bald darauf beendete der Fechter seine Karriere im Leistungssport, um sich dem Abschluss seiner Promotion zu widmen. Denn Wienand hatte parallel zu seinen sportlichen Erfolgen sein Chemiestudium in Regelstudienzeit und mit Bestnote abgeschlossen. „Nur vor den Olympischen Spielen habe ich jeweils ein Urlaubssemester genommen.“ Heute resümiert er: „Ich habe im Sport vielleicht nicht das Maximum erreicht, das mir möglich gewesen wäre.“ Trotzdem sei er mit dem Gesamtbild seiner Leistung auf Weltniveau zufrieden.

„Mit 28 hätte ich noch weiter fechten und an den nächsten Olympischen Spielen in Athen teilnehmen können“, sagt Wienand. Doch um sich für die wirklich gute Jobs in der Chemiebranche zu bewerben, wäre es dann zu spät gewesen. „Es war mir immer wichtig, mir neben dem Leistungssport eine zweite, berufliche Karriere aufzubauen.“ Mittlerweile arbeitet der Chemiker in Frankfurt, wo er mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn lebt. In Bergisch Gladbach-Hand besitzt die Familie jedoch immer noch einen Zweitwohnsitz, den sie regelmäßig nutzt. Zudem wohnen Wienands Eltern hier.

Seine sportlich aktive Zeit sei „einfach toll“ gewesen, sagt Wienand, und auch beruflich erlebe er Abwechslung und Herausforderungen. Seine Karriere in der Chemiebranche erfüllt den ehemaligen Fechter, aber: „In der Außergewöhnlichkeit lässt sich mit dem Leistungssport und Olympischen Spielen nichts vergleichen.“

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