Erotikladen in KölnRegine Thoeren möchte Frauen zu mehr Lust verhelfen

Regine Thoeren in ihrem Kölner Laden „Lady’s Toys“
Copyright: Jörn Neumann
Köln – Bin ich dafür nicht schon zu alt?“ Diese Frage stellen sich Frauen, sobald sie die 50 überschritten haben, immer häufiger. Sie tun es, wenn sie in der Umkleidekabine einen weit oberhalb des Knies endenden Rock probieren, oder wenn sie im ärmellosen Kleid vorm Spiegel stehen und dabei nur schwer den Blick von der Innenseite ihrer Oberarme lösen können. Regine Thoeren kennt all die Unsicherheiten in Bezug auf den eigenen Körper. Aber sie kann sich an kaum eine Kundin erinnern, die sich bei ihr im Laden gefragt hätte: „Bin ich dafür nicht schon zu alt?“
„Die, die zu mir kommen, haben solche Zweifel bereits überwunden“, sagt die 61-Jährige, die mehr über die intimsten Wünsche aber auch über die intimsten Probleme von Frauen jenseits der 50 Bescheid wissen dürfte, als irgendjemand sonst in der Millionenstadt Köln. Denn genau das ist das Klientel, mit dem Thoeren seit fast einem Vierteljahrhundert in ihrem Frauen-Erotik-Laden zu tun hat. „Meine Kundinnen haben Kinder geboren und diese jahrelang versorgt. Dazu kam der Partner, dessen Beruf und meist noch der eigene. Da blieb kein Platz für Lust. Die kehrt oft erst zurück, wenn der Druck abnimmt. Das ist das Geschenk des Älterwerdens.“

Regine Thoerens Laden „Lady’s Toys“ in Köln.
Copyright: Jörn Neumann
Wir sitzen in dem etwas versteckt in einer kleinen Gasse im Martinsviertel gelegenen Geschäft inmitten des gesamten Instrumentariums, das die vermeintlich schönste Sache der Welt noch schöner machen soll. Bedauerlicherweise glaube ein Großteil der Welt da draußen, dass spätestens mit Einsetzen des Klimakteriums Schluss mit der Lust sei“, sagt die Kölnerin und lässt dabei ein Lachen erklingen, dem anzumerken ist, dass sie nach Ladenschluss mit ähnlicher Leidenschaft im Chor singt, wie sie tagsüber Frauen in puncto Lust berät. Und Beratung tut Not; „denn nirgendwo wird so gelogen wie beim Geld und beim Sex“, sagt die Expertin.
Sexualität bleibt ein Thema bis ins hohe Alter
Eine Stammkundin betritt das Geschäft und entscheidet sich nach einigem Abwägen für ein Mieder mit einer Corsage, die die Brust schön hervorhebt, aber kein Stück verdeckt.“ Kundinnen wie diese 60-Jährige, „die einfach ihr Liebesleben aufhellen“ möchten, habe sie viele, sagt Thoeren und straft somit all jene Lügen, die Frauen ab einem gewissen Alter als „Trockenpflaumen“ bezeichnen und aufs sexuelle Abstellgleis befördern. Seit fast 23 Jahren werde sie an jedem einzelnen Tag im Geschäft eines Besseren belehrt.„Das Bedürfnis nach Berührung und Zärtlichkeit hört nie auf. Sexualität bleibt ein Thema bis ins hohe Alter. Es wird nur verschwiegen, weil in unserer Gesellschaft dieser Jugendwahn grassiert.“
Prominente Frauen, die mit 60 wie 35 aussähen und bis ans Lebensende beteuerten, nichts hätten machen zu lassen, trügen enorm zur allgemeinen Verunsicherung bei. „Kaum einer weiß noch, was älter werden heißt und was altersgerecht ist“, sagt Thoeren, während sie frisch eingetroffene Wäschestücke auf Bügelchen hängt. Schwarze Slips, die sexy wirken und dabei trotzdem das Körperteil kaschieren, mit dem viele Kundinnen ein Problem hätten: „den Bauch.“
Natürlich gebe es Frauen, die aufgrund von persönlichen Erfahrungen und Enttäuschungen mit dem Thema abgeschlossen hätten, sagt Thoeren. „Aber die, die hier reinkommen, die wollen noch Sex. Egal, wie alt sie sind: Ehefrauen, Singles, Witwen, Frauen mit Rollator, Frauen im Rollstuhl.“ Erst kürzlich sei wieder eine über 80-Jährige da gewesen, die sich für einen Vibrator interessiert habe. Sie empfehle dann etwas hübsches Leichtes, was sich gut in die Hand schmiege. „Die Frauen möchten sowieso nicht diese Riesendinger, sondern etwas kleines Buntes“, sagt Thoeren und berichtet lachend, dass lediglich die Männer weiterhin dem Irrglauben anhingen, fleischfarbene Exemplare in Quasi-Unterarm-Länge seien der Schlüssel zum Glück. „Ein Ammenmärchen!“
Lust im Alter, Demenz und Gesundheit

Regine Thoerens Laden „Lady’s Toys“ in Köln.
Copyright: Jörn Neumann
„Apropos Glück“, sagt die Lust-Beraterin. „Ich erlebe oft, dass es sich geradezu beglückend auf das Liebesleben auswirkt, wenn die Potenz nachlässt. Berührung und Zärtlichkeit werden dann nämlich wichtiger als der Höhepunkt. Immer wieder höre sie von Frauen, dass sich die Prostata-Operation beim Partner fast segensreich ausgewirkt habe. „Die Männer sind dann eher dazu bereit, sich um die Lust der Frau zu bemühen.“Frauen, die Probleme mit der Sexualität haben, rate sie vielfach: „Gehen Sie in die absichtslose Berührung.“ Das könne ein Handhalten sein, eine Fußmassage oder ein gegenseitiges Eincremen.
„Dieses nicht zielstrebige und erfolgsorientierte Losmarschieren tut im Übrigen auch den Männern gut“, ist Thoeren überzeugt. „Sex ist die intimste Form der Kommunikation, die wir miteinander austauschen können.“ Durch Küsse und Berührungen erlebten wir bereits als Baby, wie es sich anfühlt, geliebt und angenommen zu werden. „Dieses Grundbedürfnis behalten wir ein Leben lang“, sagt die Kölnerin und schildert Situationen, in denen Frauen mittleren Alters zu ihr kommen, um für ihre dementen Mütter ein Stimulationsobjekt zu erwerben. „Der Demenzkranke verliert zwar sein Kurzzeitgedächtnis, aber er erinnert sich an die schönen Momente sexueller Erfüllung.“

Regine Thoerens Laden „Lady’s Toys“ in Köln.
Copyright: Jörn Neumann
Ein vielfach unterschätzter Vorteil des Alters sei die Tatsache, dass die Menschen mehr Zeit füreinander haben, betont Thoeren mit einem vielsagenden Lächeln. „Männer wissen oft nicht, dass Frauen schlicht und ergreifend viel länger brauchen.“ Vor ein paar Wochen sei eine Kundin hereingekommen, habe sich neben ihr in den Korbsessel fallenlassen, den Kopf nach hinten gelehnt, die Augen geschlossen und verkündet: „Ich hatte gestern den besten Sex meines Lebens!“ Sie selber habe die etwa gleichaltrige Frau neugierig angestarrt und und gespannt auf die Erklärung gewartet, die „großartig – weil so einfach“ war: Der Mann sei „so wundervoll langsam gewesen. „Noch langsamer als langsam...“
Einmal im Jahr besucht eine kleine Gruppe von Frauenärzten den Frauen-Erotikladen, um sich über die neuesten Errungenschaften auf dem Gebiet zu informieren. Thoeren wünschte sich, es gäbe insgesamt mehr Gynäkologen, die das Thema Lust angingen wie ein Automechaniker, der Spaß daran hat, seinen Kunden dabei zu helfen, den vielleicht schon Jahre stillgelegten Oldtimer wieder ans Laufen zu kriegen.Thoerens Kernsatz lautet: „Es gibt für alles eine Lösung!“ Die müsse nicht notgedrungen bananenförmig sein und brummen. Oft lasse sich das Problem bereits mit zwei, drei Tropfen Gel beheben.