Garten gestalten und pflegenWas tun gegen Unkraut?

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Unkraut Gundermann: Die Pflanze blüht violett, hat runde bis nierenförmige Blätter mit gekerbtem Rand und bildet Ausläufer.

Unkraut Gundermann: Die Pflanze blüht violett, hat runde bis nierenförmige Blätter mit gekerbtem Rand und bildet Ausläufer.

Frau Langheineken, was ist überhaupt Unkraut?

Für mich ist Unkraut eine Pflanze, die zur falschen Zeit am falschen Ort wächst. In meinem Garten habe ich zum Beispiel einige Schneebeeren-Sträucher, die an Stellen wachsen, wo ich sie nicht haben möchte. Für mich sind sie dort Unkraut – auch wenn sie natürlich in keinem Unkrautführer auftauchen. Stink-Storchschnabel dagegen lasse ich auch im Staudenbeet stehen, weil ich ihn so schön finde. Nach dieser Definition spricht für mich nichts dagegen, von Unkraut zu sprechen, der Begriff ist ja bei vielen Gärtnern verpönt.

Beim Lesen Ihres Buches merkt man, dass Sie ein großes Herz für diese Pflanzen haben. Woher kommt das?

Ich arbeite auf einem Biohof, wo wir per Hand das Unkraut aus den langen Gemüsereihen ziehen. Dabei habe ich mir die Pflanzen genauer angeguckt und gemerkt, wie schön sie sind. Vor allem faszinieren mich aber ihre Strategien.

Jutta Langheineken ist Diplom-Ingenieurin für Gartenbau und Gartenjournalistin. 2006 hat sie das Redaktionsbüro „Step outside“ gegründet, das auf Garten- und Naturthemen spezialisiert ist. Ihr Wissen gibt sie in Büchern, Artikeln und ihrem Blog weiter: www.stepoutside.de/blog

Welche sind das zum Beispiel?

Das Franzosenkraut zum Beispiel ist ausgefuchst. Eine einzige Pflanze kann mehrere hunderttausend Samen produzieren, manchmal gibt es sogar drei Generationen pro Jahr – es ist ein richtiger Fleißarbeiter. Dann gibt es Undercoveragenten wie den Löwenzahn, die mit ihren tiefen Pfahlwurzeln an Nährstoffe kommen, an die andere nicht reichen. Giersch dagegen bildet riesige Wurzelsysteme, der gehört für mich zu den Tiefenentspannten. Und dann gibt es noch die Verdränger wie die Vogel-Sternmiere, die vor allem Fläche machen und anderen Pflanzen den Platz wegnehmen.

Aber ich kann Unkraut doch nicht einfach stehen lassen?

Bleiben Sie vor allem cool. Selbst wenn im Kohlrabibeet Unkraut steht, gedeiht das Gemüse ja trotzdem. Vielleicht wird es nicht ganz so groß, dafür siedeln sich Nützlinge an. Unkraut ist gar nicht das Teufelszeug, als das es immer dargestellt wird. Im Garten muss nicht immer alles picobello sein, man braucht nicht über alles die Macht und Kontrolle zu behalten.

Laisser-faire im Garten?

Ja. Alle reden davon, nicht mehr so perfektionistisch sein zu wollen. Im Garten kann man damit gut anfangen. Außerdem bringen klinisch saubere Flächen gar nichts. Wer gärtnert, hat die Patenschaft für ein Stück Natur übernommen. Damit hat man Verantwortung, denn es ist Teil eines großen Kreislaufs. Viele Menschen finden es schade, dass es immer weniger Schmetterlinge gibt. Aber kaum jemand lässt Brennnesseln stehen, von denen sich viele Raupen ernähren.

Wie gelassen sind Sie selber?

Im Staudenbeet entferne ich die Brennnesseln, aber sie haben eine eigene Ecke, wo sie wachsen dürfen. Giersch finde ich zum Beispiel unter Sträuchern schön, aber da, wo ich ein Staudenbeet anlegen wollte, habe ich ihn gerodet. Es ist eine Mischung: Ich sehe das Unkraut als netten Gast, der mal bleiben, den ich aber auch nach einer Weile rauswerfen darf.

Woher weiß ich denn, wann ich eingreifen sollte?

Immer, wenn es in einem Bereich zu viel wird. Lassen Sie der Pflanze nicht mehr Platz, als Sie ihr geben möchten. Bepflanzen Sie Staudenbeete eng, dann wächst dort fast gar nichts anderes mehr. Bis die Stauden eingewachsen sind, ist es hilfreich, im Frühjahr gut zu jäten. Es wird einfacher, wenn die Stauden größer werden und das Unkraut verdrängen. Beim Gemüse ist das etwas anderes. Aber wenn Sie in Reihen pflanzen, können Sie gut mit der Hacke durchgehen. Schauen Sie sich das Unkraut genau an: Je früher Sie die Pflanzen erkennen, desto besser. Jäten Sie Samenunkräuter, ehe sie blühen. Franzosenkraut zum Beispiel würde ich nie stehen lassen.

Ist der schnelle Griff zur Giftspritze nicht verlockend?

Sagen wir mal so: Auf dem Hof, auf dem ich arbeite, spritzen wir gar nicht. Und es funktioniert – durch Jäten und Hacken ernten wir trotzdem ziemlich leckeres Gemüse.

Aber Jäten ist mühsam und eintönig.

Es kommt ganz auf die Sichtweise an: Ich kann es als langweilig oder auch schön meditativ empfinden. Jäten kann Spaß machen. Man ist ganz nahe an seinen Gartenpflanzen, sieht auch, wie es denen geht. Und kann vieles entdecken, das man selber vielleicht nicht so gepflanzt hätte, das aber schön zusammen aussieht. Die gelbe Blüte eines Hahnenfußes in einem Beet, wo sonst nur rosa und pink blühende Pflanzen stehen, bringt einen auf neue Ideen.

Jutta

Langheineken: „Das

Unkraut-Buch. Erkennen, Nutzen,

Entfernen“, BLV-Verlag, 96 Seiten,

12,99 Euro.

Wir brauchen also einen anderen Blick auf die Pflanzen?

Was als Unkraut wahrgenommen wird, ist subjektiv und auch von der Zeit abhängig. Sonnenblumen, die wir heute so lieben, galten früher als Unkraut. Man hat also die Wahl. In Finnland gibt es ein Sprichwort: Dem Fröhlichen ist jedes Unkraut eine Blume, dem Betrübten jede Blume ein Unkraut.

Welches Kraut mögen Sie persönlich am liebsten?

Den Ehrenpreis liebe ich sehr! Den Stink-Storchschnabel mag ich auch gerne. Ich mag seinen Geruch, und man kann die Pflanze notfalls ganz leicht aus der Erde ziehen. Gundermann habe ich in meinem Garten unter eine Clematis gepflanzt, beiden geht es bestens.

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