Der vegetarische FleischkochBeste österreichische Küche im Gasthaus Scherz

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Österreicher Michael Scherz im Gastraum seines Restaurants. 

  • In unserer neuen Serie stellen wir statt Restaurants interessante Köche in Köln vor.
  • Diesmal geht es um Michael Scherz, der in seinem Gasthaus allerlei Fisch- und Fleischgerichte zubereitet, obwohl er selbst Vegetarier ist.
  • Über Spätzle, Wiener Schnitzel und Fischstäbchen spricht der gebürtige Vorarlberger im Interview.

Köln – Ich kenne keinen Koch, der so begeistert vom köstlichen Duft eines Stücks Fleisch oder dem Vergnügen des Wurstens schwärmen kann wie Michael Scherz. Der 1985 geborene Vorarlberger ist ein großartiger Fleisch- und Fischkoch, geradezu exzessiv bei der Suche nach dem besten Produkt, sein Wiener Schnitzel ist Legende, seine Sudfleisch-Klassiker lehrbuchhaft. Und jetzt kommt es: er ist seit seinem 14. Lebensjahr Vegetarier. Wie das geht? Er probiert alles, aber schluckt es nicht.

„Ich will nicht kategorisch ausschließen, dass ich mal wieder Fleisch esse. Aber ich bin gut gefahren durch meinen Vegetarismus“, erklärt er. Allerdings sagt er „duach“ statt „durch“, ein andermal wie ein echter Kölscher „Liebschen“. Ein wilder Mix, und er lacht viel. Seine grundsätzlich optimistische Lebenseinstellung hat ihm durch so manche Krise geholfen.

„Als ich in Köln ankam, war ich total broke, hatte nur zwei Reisetaschen. Kam um 10 Uhr abends an, bin mit einer Freundin zum Büdchen und hab mein letztes Geld versoffen.“ Er schläft mehrere Monate auf der Isomatte, sucht ein österreichisches Restaurant, findet das „Gruber's“. Hier bleibt er lange, auch wenn er zwischendurch in Wiesbaden am Herd steht und für „Industriellenpartys und Porsche-Events kochen muss. Wo die Leute fragen, ob sie Ketchup zum Hummer haben können und sauer sind, wenn es den nicht gibt.“

2013 dann das eigene Restaurant in der Berrenrather Straße. Scherz entscheidet aus dem Bauch: „Die Sonne schien so rüber, der Eigentümer hat mir laut über die Straße gerufen, war witzig und schön.“ Der Laden hat keine Außengastronomie, nur 34 Quadratmeter und die Luft steht an heißen Tagen. „Wie bescheuert war das denn?“

2018 dann der Umzug in die Luxemburger. Das Geld ist knapp, erst wenn ein Tisch abgeräumt ist, kann mit dessen gespültem Geschirr ein anderer sein Essen bekommen. „Jetzt haben wir Teller übrig, sogar wenn der Laden voll ist.“ Und das ist er oft, weil das Gasthaus eines der besten mit aromenstarker, österreichischer Küche in der Domstadt ist. Gasthaus Scherz, Luxemburger Str. 256 50937 Köln Telefon 0221-16929440 www.scherzrestaurant.de Mo 17.30 -22.30, Di–So 12.30–14.30 & 17.30–22.30

Geschmacksfragen

Was haben Sie als Kind am liebsten gegessen und wie blicken Sie heute auf dieses Lieblingsgericht?

Ich war immer ein Fan von Käsespätzle in rauen Mengen. Sobald du ein bisschen Nahrung verdauen kannst, drückt man dir die in Vorarlberg rein. Das ist immer noch eins meiner Lieblingsgerichte. Da muss aber dieser ganz fiese zehn bis zwölf Monate alte Räßkäse rein, der ist ein bisschen wie Harzer Roller. In der Kombi mit Bergkäse und Emmentaler sorgt das für die Ziehbarkeit des Käses. Der muss beim Kochen auch schnell zergehen.

Bei uns macht man eher Knöpfle, nennt sie aber Spätzle, der Vorarlberger ist touristisch ausgelegt: Spätzle kennt der Deutsche. Es is a bissl schwierig das immer auf der Karte zu haben, denn wir bekommen nicht immer den richtigen Käse. Und wir brauchen viel! Denn wenn der Service mit dem Teller vorbeigeht sagen die Gäste „Oha“ und bestellen das auch noch.

Was hat Sie bewogen, Koch zu werden?

Ich habe immer viel mitkocht mit der Mutter, obwohl sie nicht die Überköchin ist, ohne das negativ zu meinen! Mit sechs Kindern hast du halt viel zu tun und nicht immer die Muße. Mein Vater hat irgendwann gesagt „Wenn du nicht weißt, was du werden willst, wirst du Koch wie dein Bruder.“

Vormittags hat er das gesagt, ich bin dann mit meiner Mutter in das Restaurant, nach zwei Minuten Gespräch hatte ich den Ausbildungsplatz. Ich war an der Hand von meiner Mutter und sie redet über meine Ausbildung! Das war schon peinlich, ich war 14 damals. Ich bin dann vier Jahre da geblieben. Naturküche hat mein Chef es genannt, wir haben im Wald Senfblüten gesammelt, oder Flusskrebse bekommen.

Welches Produkt finden Sie besonders spannend?

Ich bin total heiß auf Kräuter und so Geschichten. Letztens hatte ich Knoblauch- und Schnittlauch-Blüten, das war so ein intensiver, feiner Geschmack. Zum Beispiel bei Forellen, dazu Steinbuttrogen – den finde ich eigentlich nicht so gut – aber in einer cremigen Milch-Nuss-Butter-Geschichte, dann die Blütchen darauf: simpel, aber so schön, ein stilles kleines Gericht.

Wir haben jetzt auch fermentierten Knoblauch gemacht, wilden Brokkoli mit Kapern eingelegt. Überhaupt machen wir momentan viel ein, damit wir genug zu tun haben. Ich finde es wichtig, dass wir gemeinsam kochen und den Laden am Laufen halten.

Was ist zu Unrecht in Vergessenheit geraten?

Gewürze und Kräuter. Früher hat man mit Gewürzen versucht, Fehltöne zu überdecken, heute werden sie kaum noch verwendet. Da gibt es einen Trend zur Simplifizierung, zum Teil nur drei Zutaten, das flacht manchmal auch massiv ab. Wenn man nur Salz auf zwei fermentierte Sachen macht, fehlt mir was, nämlich das Mühe-Thema sich mit Gewürzen auseinanderzusetzen.

Es ist so schwierig, eine größere Bandbreite von Gewürzen zu verwenden! Wir bekommen Tulpen aus Zimbabwe oder Avocado von 5000 Kilometern entfernt, aber bei Franzosenkraut gibt es nur einen einzigen Typen in Frankfurt, der das anbaut. Das ist ein Einhorn-Thema, so selten.

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Welches Gericht wollen Sie nie mehr kochen, essen, sehen?

Dieses ständige Wiederkäuen von Klassikern! Das ganze Tomaten-Mozzarella-Balsamico Reduktionsthema, oder Tiramisu und Crème brûlée, obwohl ich die auch lecker finde, aber warum machen wir nicht eine Malakofftorte, wie geil ist das denn?

Welches Gericht wollten Sie schon lange mal wieder kochen und warum?

Es gibt vieles, was ich mal gekocht, aber noch nicht ganz hingekriegt habe. Lammzungen wollen wir seit zwei Wochen wieder auf die Karte bringen, die bekommen wir von einem Typen aus Husum. Oder Sot-l'y-laisse so groß wie Kiwis von Burgunder-Puten. Das sind diese schwarzen Viecher, die aufrecht stehen und nicht die Brust über den Boden ziehen. Ein dankbares Produkt.

Ihr Haus-Rezept für unsere Leser?

Es gibt Fischstäbchen, oder Staberl wie der Ösi sagt. Die Fischstäbchen sind vom Stör, weil es viele Züchter in Deutschland gibt, die den Fisch züchten – ob an der Rhön oder in Wipperfürth. Für mich ist der Stör als Filet genauso wie Welsbauch eine unterschätzte heimische Rarität, die auch in höchster Qualität erschwinglich ist und einfach herrlich schmeckt.

Rezept: Fischstäbchen vom Stör mit Wurstfettmajo und Weißem-Fenchel-Kimchi

(Für 6 Personen)

Michael Scherz Fischstäbchen

Fischstäbchen vom Stör mit Wurstfettmajo und Weißem-Fenchel-Kimchi

Zutaten für Stör und Mayonnaise:

1,5 kg Störfilet (im Ganzen wäre das Tier 3 - 4 Kg) 200 g Wurstfett (z.B. Chorizofett, oder selbst aus 600 g Txistorra-Wurst auslassen) 2 Eier 1 Löffel grober Senf 20 g Liebstöckl 3 Zehen Knoblauch 1 Prise Salz (und etwas mehr zum Abschmecken nach eigenem Gusto) 4-5 Spritzer glutenfreie Sojasauce evtl. 4 cl Bouillon-Reduktion (dafür eine normale Bouillon um 50 % auf kleiner Flamme einreduzieren, also ohne sichtbare Blasenbildung einzig ein wenig Dampf entweicht)   Zutaten zum Panieren:

300 g Mehl 150 g Ei Salz, Muskat, Feines Paniermehl Zubereitung:

Störfilet in Fischstäbchenstücke portionieren und panieren (dafür Ei verquirlen und mit Salz und Muskat abschmecken), in Rapsöl gülden ausbacken. Wer gerne Butter als Geschmacksträger verwenden möchte, kann ein gefrorenes Stück Butter fein über die fertigen Fischstäbchen reiben.

Wurstfett, Senf, Eier, Liebstöckl, Knoblauch, Salz und Sojasauce (gerne auch ein Schluck Boullion-Reduktion) vermischen und eine Stunde an einem warmen Ort stehen lassen. Dann mit dem Stabmixer aufmixen. Kaltstellen und am besten erst am nächsten Tag verwenden, damit das Wurstfett anziehen kann und wir einen zauberhaften Lipgloss-Effekt im und am Mund haben.

Zutaten Fenchel-Kimchi:

2 kg Fenchel (falls möglich junger Fenchel mit ausgeprägtem Grün) 50 g Koriandersamen 50 g Weißer Pfeffer, gestoßen 50 g Zitronenmyrte 90 g Salz 150 ml Fischsauce (oder Glutenfreie Sojasauce, vegetarische Worcesteshiresauce)

Zubereitung:

Koriander, Pfeffer, Zitronenmyrte, und Salz vermengen, kurz anrösten und mit Fischsauce aufmixen. Fenchel bei 98° grad ca. 12 Minuten abdämpfen. Dann der Länge nach halbieren und die Segmente einzeln intensiv würzen, auf die gewünschte Größe schneiden und dann schichten. Entweder vakuumieren oder in Gläsern einmachen und für zwei Wochen einkühlen.

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