Leguan-WrapEchsen zum Essen

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Leguan-Burritos

Leguan-Burritos

Ein Schuss – und die Kugel aus dem Luftgewehr zischt in den Wipfel der Palme. Tot platscht der Grüne Leguan vor die Füße von George Cera. Mehr als 20000 Mal hat er angelegt, gefeuert, seine Beute in den Eimer geworfen. 20000 Iguanas weniger, das ist eine gute Bilanz, findet Cera.

„Save Florida, eat an Iguana“ – „Rettet Florida, esst Leguane“ ist das Motto des Chefs und einzigen Mitarbeiters der „Lizard Control“ auf der Insel Boca Grande. Gleichzeitig ist es der Name seines Buches. Der Untertitel, „The Iguana Cookbook“, soll Appetit machen. Es ist ein Kochbuch für Leckereien aus Echsenfleisch.

Der 45-jährige George Cera ist über die Echsenpopulation von Boca Grande gekommen wie das Jüngste Gericht. Jetzt landet jeder Leguan im Kochtopf, der nicht rechtzeitig auf der Palme ist, besser noch dahinter und damit aus seiner Schusslinie. Im Golfcart, dem Verkehrsmittel erster Wahl im Reichen- und Rentnerparadies Boca Grande, fährt Cera auf die Jagd. „Iguana Hunter“, Leguanjäger, so nennen sie ihn hier.

Von der Plage zum Gaumenschmaus

Auf der sieben Meilen langen Insel westlich von Fort Myers hatten sich die Echsen über Jahre ungestört vermehrt und sind zur Plage geworden. Eigentlich stammen sie aus Südamerika und Mexiko, wo sie durchaus schon mal auf dem Teller landen. Eine gern erzählte Legende besagt, dass ein Familienvater die ersten sechs Tiere Anfang der 1980er Jahre auf Boca Grande laufen lies. Seine Kinder hatten sich nicht mehr um die Echsen gekümmert, die sie geschenkt bekommen hatten. Was dann passierte, erzählt eine Nachbarin. „Erst gab es immer weniger Vögel auf der Insel. Wir hatten hier immer viele bunte Vögel, und deren Gesang war Mitte der 80er Jahre plötzlich verstummt.“ Etwas später fiel den Bewohnern auf, dass die niedlichen Georgia-Gopher-Schildkröten nicht mehr durch die Vorgärten krochen. Dafür hatte jetzt eine andere Spezies die Macht auf Boca Grande übernommen.

Grüne Leguane gelten als Pflanzenfresser, aber hier machten sie auch vor Vogel- und Schildkröteneiern nicht Halt. Ihre neue Heimat Florida muss den Echsen anfangs wie das Schlaraffenland erschienen sein. Andere Tierarten wurden, entsprechend dem wachsenden Hunger der Iguanas, immer seltener. „Am Ende fraßen sich die Echsen sogar gegenseitig, so sehr war das ökologische Gleichgewicht aus den Fugen geraten“, sagt Cera.

Die letzte Ehre erweisen

Die County Verwaltung, das Big Gasparilla Island Government, schritt jetzt ein. Die „Lizard Control“, ein Hauptberuflicher Echsenjäger, sollte das Problem lösen. Dann könnten eines Tages vielleicht wieder Vögel singen auf Boca Grande, so die Hoffnung. George Cera war der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Seine Echsenfallen entpuppten sich zwar als Flop, dafür hatte er eine andere Idee. In Ohio war er mit Waffen in der Familie groß geworden. Wenn er eines konnte, dann schießen.

Nicht alle Nachbarn auf dem reichen und liberalen Eiland mochten sich mit dem Mann arrangieren. Vor einigen Häusern darf er ausdrücklich nicht jagen, so wollen es die Bewohner. Ruhezonen für Leguane sind diese Straßenzüge, aber wenn sie diese Plätze verlassen, droht ihnen die Kugel. „Es gibt keine bösen Tiere. Die Menschen, die sie hierher gebracht haben, waren einfach Idioten“, sagt Cera. „Ich bin froh, dass wir den toten Tieren noch eine letzte Ehre erweisen können, indem wir sie nicht auf den Müll werfen. Eine Mahlzeit aus Echsenfleisch hat doch viel mehr Sinn“, findet Greg, der Koch im South Beach Bar & Grill.

Auf die Speisekarte haben es die Echsen zwar nicht geschafft, aber mit den Ideen aus dem Kochbuch des Leguanjägers lässt sich hervorragend für Freunde und Familie herumexperimentieren. „Meistens sage ich vorher nicht, was ich da gekocht habe. Später sind immer alle überrascht über den milden Geschmack der Iguanas, irgendwo zwischen Hühnchen- und Krebsfleisch.“

Gegessen werden nur Beine und Schwänze

Greg zerlegt die Tiere, Kopf und Körper wandern in den Müll. Gegessen werden nur die Beine und Schwänze. Vier Tiere hat er heute von George bekommen, 16 Beine und vier Reptilienschwänze wirft er in das kochende Wasser. Fünf Minuten, dann ist das Fleisch gar und wird auf Eis abgeschreckt. Jetzt lässt sich die schuppige Reptilienhaut lösen, dann das Fleisch von den Knochen.

Mariniert, mit Gemüse und Salat in einen Wrap gerollt, geht das Echsen-Sandwich rein optisch als normaler mexikanischer Burrito durch. „If you can’t beat’em – eat’em“ – wenn wir sie auch nie vollends schlagen werden, lasst sie uns wenigstens essen. In Lateinamerika gehört Iguana seit Jahrhunderten zum Speiseplan. Gerade auf dem Lande wird die Echse gegrillt, gekocht oder gebraten. „Gallinas de Palo“, Hühnchen der Bäume, werden die Tiere dort genannt. Sowohl Konsistenz als auch der milde Geschmack erinnern an eine Mischung aus Geflügel und Krebsfleisch. Iguana auf Pizza, Leguansuppe, Echsencurry – all diese Rezepte hat der Leguanjäger von Boca Grande in seinem Kochbuch zusammengetragen.

George Cera hat mittlerweile so viele Leguane getötet, dass zahlreiche einst verschwundene Tierarten wiedergekommen sind nach Boca Grande. Und doch fährt er weiter jeden Tag raus und findet immer wieder Leguane. „Da ist noch einer“, flüstert er und schießt.

Für alle, die mutig genug sind, es einmal selber auszuprobieren, haben wir hier das Rezept:

Aus dem Buch: „Save Florida, Eat An Iguana. The Iguana Cookbook“ von George Cera, herausgegeben im Eigenverlag, erhältlich bei www.amazon.com

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