Gesunder Schlaf für alle KörperbaustellenSchlafen für den Stoffwechsel

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Gemüt und Gehirn brauchen vor dem Zubettgehen Frieden – keinen Streit mit dem Partner.

Gemüt und Gehirn brauchen vor dem Zubettgehen Frieden – keinen Streit mit dem Partner.

Köln – Der Körper und seine Organe haben am Tag und in der Nacht eine eigene Rhythmik. Ist sie gestört, kann der Stoffwechsel nicht reibungslos funktionieren. Der Schlafmediziner Dr. Michael Feld: „Unser Organismus schwingt sich ein wie ein Orchester. Tagsüber spielt jeder Musiker seinen Part, aber in der Nacht muss die Melodie sitzen, damit die komplette Sinfonie erklingen kann.“ Die nächtliche Re-Harmonisierung und das Einschwingen der Organe aufeinander sind Erholung pur, vor allem auch für Magen und Darm, die sich besser regenerieren können, wenn sie sich ungestört aufeinander einpendeln. Es liegt nahe, dass das nur klappen kann, wenn der Schlaf erholsam und ungestört ist „und der Körper sein Ding machen kann“.

Befehl an die Leber

Am Beispiel der Leber lässt sich das gut erklären. Feld: „Unsere Leber braucht das Dunkelheitshormon, sonst kann sie nicht entgiften. Das Schlafhormon Melatonin signalisiert ihr: Es ist Nacht, du kannst jetzt loslegen.“ Bei Menschen, die gut schlafen, funktionieren alle Abläufe im Organismus automatisch und reibungslos, „aber bei denen, die nicht gut schlafen, ist zuerst das Gehirn gestört, dann Herz, Magen und Darm sowie in der Folge alle weiteren Organe“.

Welche immense Nachtarbeit vor dem Körper liegt, erklärt der Gesundheitsexperte Professor Ingo Froböse: „Man muss sich klar machen, dass 50 000 bis 100 000 Zellen pro Sekunde kaputt gehen und zwar auf der gesamten Bandbreite der Zellstrukturen. Dazu gehören sowohl Muskelzellen als auch Gehirnzellen. Auf all diesen Körperbaustellen muss repariert, entsorgt und abtransportiert werden. Fehlt die Zeit, klappt das nicht.“ Weil vor allem die Rhythmik der Nacht empfindlich gestört ist.

Froböse: „Bestimmte Organe arbeiten in bestimmten Phasen der Nacht. Von Mitternacht bis 2 Uhr fährt der Stoffwechsel runter, aber nur dann, wenn ich liege, und nicht, wenn ich Party mache.“ Hellhörig wird man schon, wenn der Leiter des „Zentrum für Gesundheit“ sagt: „Wenn ich unruhig schlafe und nach eineinhalb Stunden wieder wach bin, dann stimmt mit dem Stoffwechsel etwas nicht. Der tuckert dann immer noch ziemlich weit oben und fährt nicht runter.“

Hauptregenerationsphase zwischen 2 und 4 Uhr

Solche Wachphasen sind wie Störfeuer für den Stoffwechsel und beeinträchtigen das Wohlbefinden erheblich. „In der Zeit zwischen 2 und 4 Uhr ist die Hauptregenerationsphase des Körpers. Wer in dieser Zeit zum Beispiel häufig zur Toilette muss, stört seinen Organismus erheblich bei der Arbeit. Die Auswirkungen sind für den Stoffwechsel ziemlich negativ“, sagt Experte Froböse.

Die Folgen eines gestörten Stoffwechsels erlebt Michael Feld bei Patienten in seiner Praxis häufig genug: Ein geschwächtes Immunsystem, Infekt-Anfälligkeit, Allergien, Rheuma, gestörte Wundheilung, Lymphknotenschwellungen und grippiges Unwohlsein. Mehr noch. „Es besteht die Gefahr eines chronischen Erschöpfungssyndroms, was sich so umschreiben lässt: Man will, aber man kann nicht.

Das ist ein immunologisches Problem und nicht zu verwechseln mit einem Burnout, denn das bedeutet: Man kann nicht und man will nicht.“ Um die Abläufe in der Nacht wieder in den Griff zu bekommen, müssen Atmung, Herz und Blutdruck in Ordnung sein. Michael Feld: „Wir sollten unseren Körper vor dem Schlafengehen nicht ärgern, ihn nicht mit Kalorien bombardieren oder mit Alkohol lahm legen. Man sollte es dem Körper vor dem Zubettgehen schon etwas nett machen.“

Feste Rituale sind wichtig

Das nennen Mediziner wie Feld Schlafhygiene und dazu gehören feste Rituale, die Gehirn und Körper klar machen: Gleich darfst du dich ins Bett legen. Feld: „Das oft zitierte Schäfchenzählen ist gar nicht so übel, weil es monoton ist und Monotonie macht müde.“ Ebenso wie kühle Temperaturen. „Der Körper und vor allem der Kopf müssen runtergekühlt werden, denn der Hauptschalter im Gehirn reagiert auf Senkung der Temperatur. Statt der 37 Grad nur noch 36 Grad – das macht müde.“

Dass die Körpertemperatur uns nicht ins Bett gehen lässt, erleben diejenigen, die spät abends von einer Party nach Hause kommen. Feld: „Ich muss erst runterkommen, vor allem temperaturmäßig. Genauso ergeht es mir, wenn ich bis spätabends noch am Computer sitze, auch da muss sich das überhitzte Gehirn erst abkühlen.“

Lesen Sie im nächsten Abschnitt, wieso Sie Streit und Stress vermeiden sollten

Streit ist schlecht für den Schlaf

Gemüt und Gehirn sind auch dann überhitzt, wenn man vor dem Zubettgehen mit dem Partner streitet. „Wir sind erregt, Durchblutung und Temperatur steigen.“ Das Versöhnen mit dem Partner bevor man ins Bett krabbelt macht Sinn – schon allein dem Stoffwechsel und dem Organismus zuliebe, ganz zu schweigen vom Seelenfrieden. Spätestens eine Stunde vor dem Schlafbeginn, so der Mediziner Feld, sollte die letzte Aktion angesagt sein. „Die restliche Zeit brauche ich zum Runterkühlen.“

Ähnliche Schäden am menschlichen Motor hinterlassen körperlicher und psychischer Stress, so Ingo Froböse. Er, der beruflich extrem viel unterwegs ist, betreibt relativ viel Sport, „um die körperlichen Stressoren in den Griff zu bekommen“. Psychischer und körperlicher Stress haben Einfluss auf den Stoffwechsel. „Zudem werden Hormonhaushalt, Blutdruck und die gesamte Aktivität des Organismus negativ beeinflusst.“

Stress macht dick

Stress fährt den Stoffwechsel in die Höhe, was manche zu dem falschen Schluss kommen lässt, dass man so vielleicht das eine oder andere Kilo schneller verlieren könnte. „Weit gefehlt“, so Froböse, „bei Gestressten reduziert sich der Fettstoffwechsel, aber der Zuckerstoffwechsel erhöht sich. Stress verändert die Energie-Bereitstellung, versetzt uns in Alarmbereitschaft, was wir daran merken, dass wir aufgrund des erhöhten Zuckerspiegels und der Anspannung schneller Hunger verspüren.

Die Hormone, die durch Stress freigesetzt werden, steigern die Zuckerausschüttung, und diesen Speicher wollen wir unbedingt wieder auffüllen. Bei Gestressten schreien die Hormone nach Zucker und wir verspüren einen unbändigen Hunger auf Gummibärchen und Schokolade.“ Übrigens: Wer sich Diäten unterwirft und sich über Tage und Wochen bestimmte Dinge versagt, auch der stresst seinen Körper und verärgert den Stoffwechsel zutiefst mit der Folge, dass dieser ihm die Qualen mit Sicherheit heimzahlt.

Im Alter mehr Ruhephasen

Das Zusammenspiel von Stoffwechsel, Schlaf und Organismus ist keine in Stein gemeißelte Regel für alle Phasen des Lebens, sondern altersabhängig. Froböse: „Im Alter bleibt zwar der Biorhythmus gleich, aber der Stoffwechsel tickt anders.“ Die Ursache liegt in der geringeren Muskelmasse. Die fehlenden Muskeln fallen als eine der wichtigsten Stoffwechselorgane mangels Masse aus.

Ingo Froböse: „Alles im Organismus läuft flacher. Ich brauche mehr Ruhephasen, auch tagsüber.“ Mit zunehmendem Alter komme der Stoffwechsel schneller an seine Grenzen und brauche mehr Zeit, sich zu erholen. „Je älter man wird, desto länger und ausgeprägter sollte man schlafen, damit der Körper sich regenerieren kann.“

Das vielgepriesene geöffnete Fenster hat übrigens nicht sonderlich viel mit erhöhter Sauerstoffzufuhr zu tun. Feld: „Es ist wissenschaftlich belegt, dass fünf Menschen, die in einem Raum mit geschlossenem Fenster schlafen, mengenmäßig gar nicht so viel mehr Sauerstoff verbrauchen als ein Mensch allein. Dass die Luft uns verbraucht vorkommt, liegt vor allem daran, dass sie nicht in Bewegung ist.“ Fürs Wohlbefinden kann das Fenster dennoch geöffnet werden – das zumindest bringt schon mal etwas Bewegung ins Schlafzimmer.

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