Kinder wissen: Jetzt beginnt die schönste Zeit des Jahres. Die Sommerferien können aber noch besser werden. NRW hat lauter Superlative zu bieten.
Zum Flamingo oder zum Schloss?So gelingen Sommerferien der Superlative in Nordrhein-Westfalen

Die meisten Wasserschlösser, der waldreichste Landkreis, der kürzeste Fluss, die nördlichste Flamingo-Kolonie Europas - Nordrhein-Westfalen hat das Zeug für Ferien der Superlative.
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Wenn man die Geschichte mythologisch erzählen will, dann ist es wohl einem Missgeschick des obersten germanischen Göttervaters zu verdanken, dass jetzt ein Eisvogel auf einem Zweig über der hellgrün dahin gluckernden Pader sitzen und nach Fischen Ausschau halten kann. Der Sage nach hat der alte Odin im Eifer des Rauschs nämlich seinerzeit wohl mal seinen Metbecher fallen lassen. Um die Sauerei vor seiner Frau zu verbergen, saugte er den Alkohol mit seinem Bärenfell auf. Wohl mehr schlecht als recht, schließlich vertagte er den Ärger damit nur. Denn bald darauf sickerte der Honigwein in kleinen Rinnsalen wieder aus dem Tierhaar: Die Quellflüsse der Pader waren entstanden.
Den meisten Met, so könnte man schlussfolgern, hat Odin am Ende doch in die eigene Kehle geschüttet. Denn allzu viel Flüssigkeit scheint für die Pader nicht übrig geblieben zu sein. Immerhin reichte es aber wiederum gerade deshalb für einen Superlativ und den trägt man in Paderborn mit Stolz. Ihr Flüsschen ist das kürzeste in ganz Deutschland, antwortet Alexandra Bröckling von der Tourist-Information, wenn man sie anruft und fragt. „Ich finde, das passt ganz gut zu uns“, sagt sie und lacht. 4,6 Kilometer legt die Pader zurück, ehe ihr Wasser bei Schloss Neuhaus schon wieder in die Lippe fließt. Dann Rhein, dann Nordsee, dann Verdunstung, dann Regen, man kennt den Kreislauf des Wassers.
Vielleicht gewinnt die Pader auch noch das europäische Kulturerbe-Siegel
Wer beim Regen weitermacht, der stößt auf eine weitere Besonderheit der Pader. Gespeist wird sie nämlich aus Regenwasser, das im durchlässigen Kalkboden auf der Paderborner Hochfläche versickerte und welches eine Ton-Mergelschicht unter der Stadt schließlich wieder nach oben drückt. „Mit unserer besonderen Landschaft und der Pader haben wir uns auch für das europäische Kulturerbe-Siegel beworben – und wir sind auf jeden Fall eine Runde weitergekommen.“ Bröckling klingt stolz. Genaueres wisse man im kommenden Jahr.

Die Pader fließt gerade mal 4,6 Kilometer weit, dann muss sie sich in die Lippe ergießen. Schön ist es am kürzesten Fluss Deutschlands trotzdem.
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Nordrhein-Westfalen ist das bevölkerungsreichste Bundesland. Menschenmassen, Juhu! Gerade zu Ferienzeiten ist das vielleicht ein Superlativ, der einen nicht so richtig in Stimmung bringt. Aber NRW hat natürlich noch mehr Spitzenplätze zu bieten. Und die Pader ist schon urlaubsaffiner, denn sie ist nicht nur sehr kurz, sondern auch ein Ort zum Krafttanken.
Die Stümpelsche Mühle zum Beispiel kann Bröckling sehr empfehlen. Sie ist die einzige Mühle im früheren Mühleneldorado, die noch in Betrieb ist, auch wenn sie heute kein Mehl mehr mahlt, sondern Strom erzeugt. „Dort ist es im Sommer angenehm kühl, da ist es grün, da kommt man zur Ruhe“, sagt Bröckling. Kuchen könne man im angeschlossenen Café essen, die Füße ins Wasser halten, Kanu fahren, ein Neunauge oder andere vorüber flösselnde Fische beobachten. Auch schwimmen? „Nein“, sagt Bröckling und lacht amüsiert ins Telefon. „Dazu ist der Fluss nun wirklich nicht tief genug.“
Größtes Computermuseum, höchste Statue
Aber es verbergen sich natürlich noch eine Reihe weiterer Superlative im Land. Ein zweiter liegt keinen Steinwurf vom ersten entfernt: Das größte Computermuseum Deutschlands liegt nämlich auch in Paderborn. „Heinz Nixdorf ist hier geboren, hat hier gelebt und gearbeitet“, weiß Bröckling. Und ein paar Kilometer weiter im Teutoburger Wald steht Deutschlands höchste Statue: Hermannsdenkmal, 53,46 Meter.
Weiter im Westen ist man stolz auf das Moor, im Hohen Venn bei Aachen findet man tatsächlich Europas größtes Hochmoor. 4500 Hektar Torf und Heide. Würde man alles mit Kunstrasen bepflanzen, bekäme man mehr als 6000 Fußballfelder auf der Fläche unter. Natürlich liegt nicht jeder einzelne Tümpel in NRW, der Superlativ gluckert nach Belgien hinüber, aber so genau wollen wir es nicht nehmen.

Über eine Fläche, die mehr als 6000 Fußballfelder misst, erstreckt sich das größte Hochmoor Europas: das Hohe Venn.
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Das Bergische Land wirbt mit zwölf Talsperren und sieht sich hier europaweit an der Spitze, im Rhein-Erft-Kreis zählt man derart viele Wasserburgen wie sonst nirgendwo in Deutschland, nämlich stattliche 120 Stück. Wuppertal rühmt sich für die einzige Schwebebahn weltweit, in Essen beherberge man die größte freistehende Rolltreppe Deutschlands, liest man in Werbetexten. Über 24 Meter befördert sie einen zum Ruhrmuseum auf der Zeche Zollverein.
Am Niederrhein in Mettmann kann man sich den Neandertaler auf die Fahnen schreiben, will der sich mit 42.000-Jahren das Prädikat „Ältester“ an die Brust heften, kann man dagegen zumindest schlecht Argumente vorbringen. In Xanten hat man das größte archäologische Freilichtmuseum Deutschlands zu bieten, sagt der Tourismusverband NRW, außerdem sei der Teutoburger Wald die gesündeste Region der Republik.
Nördlichste Flamingo-Kolonie Europas mit Schwachstelle
Und auch mit tierischen ersten Plätzen wuchert unser Bundesland. Mit der einzigen Wildpferd-Herde im Naturpark Hohe Mark zum Beispiel. Und im Zwillbrocker Venn tummelt sich die nördlichste Flamingo-Kolonie Europas. Und diese seien auch noch quantitativ auf Rekordkurs gewesen: Fast 100 pinke Tiere habe man gezählt, so viel wie nie. Ein Anruf im Münsterland offenbart allerdings, dass auch Superlative ihre Schwachstellen haben. Genau diese scheint in diesem Jahr der Fuchs ausgenutzt zu haben. Zumindest vermutet man das beim Münsterland e.V.
„Die Flamingos haben ihre Nester verlassen, viel früher als gewöhnlich“, sagt ein Sprecher. Normalerweise blieben sie bis September und zögen ihre pinken Kinder groß. Einige Küken sind nun tot. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Eine Wildtierkamera hatte einen Rotfuchs mehrmals aufgenommen, schreibt die Biologische Station Zwillbrock e.V. in einer Mitteilung. Was genau zum frühzeitigen Verlassen der Kolonie führte, ließe sich „wohl nicht sicher beantworten“.

Ein Kuba-Flamingo stolziert durch das Münsterland – es sei denn, der Fuchs vertreibt ihn, wie es gerade der Fall zu sein scheint.
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Auch im Kreis Siegen-Wittgenstein ist man Kummer mit dem Superlativ seit einigen Jahren gewohnt. Waldreichster Landkreis Deutschland schreibt man sich hier in die Werbebroschüren, um die 70 Prozent der Flächen seien mit Bäumen bewachsen – darunter waren sehr viele Fichten. Und genau hier lauerte das Problem, das in diesem Fall auf den Namen Borkenkäfer hörte. „Ein großer Teil ist in den Jahren 2018 bis 2020 dem Käfer zum Opfer gefallen“, sagt Thorsten Engels vom Touristikverband Siegen-Wittgenstein am Telefon. Aber der Urlaubsexperte ist schnell dabei, aus der Not einen Vorteil zu stricken.
Schließlich hätten die Waldeigentümer nun aufgeforstet, in den kommenden Jahren könne man hier im Osten des Landes also den „Wald der Zukunft“ wachsen sehen. Und durch die derzeit noch niedrige Vegetation aus Fingerhut und Ginster ergäben sich „ganz neue Sichtbeziehungen“, wie Engels sagt. „Früher blickten Sie hier beim Wandern meist auf hohe Baumstämme, es war zuweilen sehr dunkel. Heute kann der Blick bis ins Eder- oder Lahntal runter schweifen, manchmal gar bis zum Kahlen Asten im Sauerland. Das ist durchaus eine spannende Phase.“
Gerade für Touristen sei die Aufforstung interessant, präsentiere sich der Kreis doch bei jedem weiteren Besuch mit einem veränderten Landschaftsbild. Langweilig werde es da erstmal nicht. Wer in den Spitzenreiter reisen will, dem empfiehlt Engels einen der Trekkingplätze. Sein liebster ist Dreiherrenstein unweit des Rothaarsteigs. Dort könne man sein Zelt aufschlagen und am nächsten Morgen mit einem Weitblick über das Wittgensteiner Land die Augen aufschlagen.
Engels ist begeistert: „Gerade Richtung Osten haben Sie da super Fernsicht und können den großartigsten Sonnenaufgang genießen. Und wenn Sie Hunger haben, greifen Sie einfach mit der Hand von der Plattform runter und schon pflücken Sie die schönsten Blaubeeren.“ Nochmal zwei Superlative.