Der bekannte Koch hat erst jüngst sein Bergisch Gladbacher Restaurant eröffnet und seinen Michelin-Stern verloren. Ein Besuch.
Restaurant mit VIP-KochWie schmeckt es in Nelson Müllers neuer „Schote“?

Nelson Müller kocht jetzt in Bergisch Gladbach.
Copyright: Christopher Arlinghaus
Bei zwei Fernsehproduktionen, in denen ich als Juror wirkte, durfte ich Nelson Müller (Jahrgang 1979) kennenlernen. Er ist hinter der Kamera genauso nahbar und freundlich, wie vor ihr – was man wahrlich nicht über alle Fernsehköche sagen kann. Aber ein netter Mensch ist natürlich nicht automatisch ein guter Koch. Wie verhält es sich also bei ihm?
Mutig ist er schon mal definitiv, denn in den aktuell für Gastronomie so schwierigen Zeiten hat er viel Geld in die Hand genommen, um in Bergisch Gladbach die Diepeschrather Mühle zu übernehmen und zu renovieren. Überzeugend stilvoll und nobel ist ihm das gelungen. Neben Hotel und Bistro („Müllers in der Mühle“) gibt es als Kirsche auf der Torte das Gourmet-Restaurant „Schote“. Umgezogen ist dieses aus Essen – aber da sah es noch ganz anders aus: dunkel und mit Club-Atmosphäre, ein bisschen Rock’n’Roll. Auch die Speisen waren unkonventioneller, nahmen häufig Bezug auf Müllers Leben, besonders die Kindheit. Manches wirkte ein wenig gewollt, anderes war sehr auf Gimmicks bedacht, und an Edelzutaten fand sich nicht so viel, aber die Speisen besaßen eine eigene Handschrift.

Die Diepeschrather Mühle
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Die neue „Schote“ ist ganz anders. Hell und edel, ländlich, ohne ins Rustikale abzurutschen. Und die Speisen? Wer von Nelson Müllers dynamischen Auftritten auf seine Küche schließt, wird überrascht: Er ist Traditionalist und pflegt mehr denn je die französische Klassik. Alles ist feiner, balancierter, auch Edelzutaten finden sich nun häufiger, was zu einem hohen Menüpreis führt, und verdeutlicht: Müller will den nächsten Schritt in der Gourmet-Welt machen. In Essen hatte die „Schote“ einen Stern, am neuen Ort nicht – was am Zeitpunkt der Eröffnung liegen könnte oder einem etwas rumpeligen Beginn. Das Team hat sich aber schon nach wenigen Wochen eingegroovt und kocht nun verlässlich auf Sterne-Niveau.

„Auszeit am Meer“ heißt dieser Gang, der Seezunge, Jakobsmuschel und Seeigel vereint.
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„Auszeit am Meer“ heißt ein Gang, der mit Seezunge, Jakobsmuschel und Seeigel gleich drei Luxuszutaten klug vereint und geschmacklich alle zu ihrem Recht kommen lässt. Herzhaft geht es beim Bresse Huhn zu, das von Bohnen-Cassoulet und Boudin Noir (Blutwurst) intensiv begleitet wird. Mediterrane Akzente finden sich oftmals, die aktuell so modischen asiatischen dagegen selten.
Sieben Gänge beinhaltet das große Menü, sechs das Kleine, und ein Müller-Klassiker findet sich stets darunter: die Hochzeitssuppe. In Ghana geboren wuchs Müller im Schwabenland auf, und erweist seiner zweiten Heimat mit Kalbsmaultaschen von perfekter Konsistenz eine Reminiszenz. Die Brennnesselsuppe ist feinwürzig abgeschmeckt, der Eierstich ein schöner, augenzwinkernder Kniff. Richtig charmant wird es, wenn Müller mit lokalen Produkten arbeitet. „Frühling im Bergischen Land“ heißt ein Gericht mit kalt geräucherter bergischer Forelle und einem Waldkräutersalat. „Den hat unsere Moni hier im Wald gesammelt“, erklärt Müller am Tisch, „sie bietet auch Kräuterwanderungen an“.
Bei der Ouzo Beurre Blanc zum Lachs ist die Handbremse etwas angezogen, was die Aromatik des griechischen Brands betrifft, bei der Cassisjus zum rosa gegarten Rehrücken dagegen vertraut Müller zu Recht der Fruchtpower – Gänseleber gibt es obendrauf auch noch, obwohl es sie nicht braucht.

Die Brennnesselsuppe ist feinwürzig abgeschmeckt.
Copyright: Carsten Henn
Ein bisschen mehr des alten, mutigen Nelson Müller dürfte ruhig sein. Auch mehr Spannungs-Elemente in Sachen Schärfe, Säure, oder Gewürze, dafür weniger Betonungen im Bereich Süße. Aktuell geht Müller spürbar auf Nummer sicher in Sachen Fine Dining – das allerdings sehr gekonnt. Wer also klassische Spitzenküche sucht, sehr harmonisch und mit traditionellen Wohlfühl-Kombinationen, wird hier glücklich werden. Noch dazu ist das alles ausgesprochen schön auf ebenso hübschem Geschirr angerichtet.
Auch bei den – leider hoch kalkulierten - Weinen geht es traditionell zu. Fast ausnahmslos seit langem renommierte Namen berühmter Regionen finden sich auf der ausbaufähigen Liste und dem Weinmenü - unter anderem Rudi Pichler (Wachau), Robert Mondavi (Napa Valley) und Joseph Drouhin (Burgund). Nicht jedes Pairing trifft ins Schwarze, aber keines völlig daneben. Für Weinfreaks ein Grund herzukommen: Müller ist seit Kurzem Krug-Ambassador, weshalb es den Kult-Champagner glasweise gibt. Das junge Serviceteam ist ausgesprochen freundlich und motiviert. Im Sommer gibt es auch im lauschigen Außenbereich Tische.
Fazit: Sehr klassisches, hochpreisiges Fine Dining mit vielen Edelzutaten in schönem Ambiente. Auch vegetarisch überzeugend.
Bewertung: 5 von 6
Henns Auswahl:
Großes Menü 215 €
Kleines Menü 185 €
Zusätzlicher Käsegang 20 €
Weinbegleitung: Groß 100 €, klein 85 €
Diepeschrath 4, 51469 Bergisch Gladbach
Tel: 02202 27117-60
Mi-Sa 18-23 Uhr