G + HWo das Altglas Karriere macht

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Nikolaus Wesely führt das Werk seit dem Jahr 2010. (Bild: Arlinghaus)

Nikolaus Wesely führt das Werk seit dem Jahr 2010. (Bild: Arlinghaus)

Bergisch Gladbach – Ein gewisser Friedrich Rosengarth dürfte heutzutage nicht jedermann bekannt sein. Es ist ja auch schon ein paar Tage her, dass er bei einem Kirmesbesuch in Bergisch Gladbach auf eine glorreiche Idee kam. Als er in den 1930er Jahren sah, wie Zuckerwatte hergestellt wird, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Das kann man auch mit Glasfäden machen. Rosengarth entwickelte ein Verfahren, das jetzt für ein besonderes Firmenjubiläum sorgt: Seit 80 Jahren werden in Bergisch Gladbach Dämmstoffe hergestellt. Das Werk von Saint-Gobain Isover G+H an der Jakobstraße feiert Geburtstag.

Eigentlich ist Bergisch Gladbach also trotz Zanders weniger eine Papierstadt als vielmehr eine Glaswolle-Stadt. Immerhin ist hier die Erfindung gemacht worden, mit Glasfasermatten dafür zu sorgen, dass Gebäude, technische Geräte und Rohrleitungen vor Kälte und Wärme geschützt werden.Bis dahin wurde Kork als Dämmmaterial eingesetzt. Die Rinde der in Südeuropa wachsenden Korkeiche war jedoch nicht unbegrenzt verfügbar.

So hat sich im Laufe der acht Jahrzehnte aus dem Ein-Mann-Betrieb des Glaswolle-Pioniers Friedrich Rosengarth ein Unternehmen entwickelt, dessen Mutterkonzern Saint-Gobain Weltmarktführer auf diesem Gebiet geworden ist. Was 1931 als „Werk Hager“ begann, wurde im Laufe der Jahre zur Glaswatte GmbH, später zur Firma Grünzweig+Hartmann und dann zu einem von vier deutschen Standorten Saint-Gobains. Die Aktiengesellschaft hatte sich seit 1935 finanziell an der Fabrik beteiligt und sie dann später komplett übernommen. Aus alter Verbundenheit blieben die Buchstaben „G+H“ im deutschen Namen erhalten.Konzernsprecher Michel Wenger: „Grünzweig und Hartmann hatten sich einen so guten Ruf erworben, dass wir daraufnicht verzichten wollten.“

Nikolaus Wesely, seit 2010 Werkleiter in Bergisch Gladbach, verbindet das Werks-Jubiläum mit einem Bekenntnis zum Standort am Rande der Innenstadt: „Wir fühlen uns wohl hier.“ Die Geschäfte laufen bestens und auch mit der Nachbarschaft scheint man sich gut arrangiert zu haben. Vor einigen Jahren noch gab es Klagen wegen der Geruchsbelästigung, die von der Glasschmelze ausging. Nach dem Einbau moderner Elektrofilter wird das Werk in der Nachbarschaft akzeptiert. Die Firma veranstaltet regelmäßig Nachbarschaftsreffen, bei denen die Anlieger Kritik äußern können. Wesely: „Wir nehmen die Anwohner ernst, und das merken sie.“

Der 120 Meter hohe Schornstein des Werks ist zum weithin sichtbaren Markenzeichen von Bergisch Gladbach geworden. Ein Dom als Wahrzeichen wäre zwar schöner, aber einen Schornstein gab es auch bei der Werksgründung im Jahr 1931 schon. Denn bei der Produktion von Glaswolle entstand damals reichlich Hitze, die abgeführt werden musste.Das System der Gebäudedämmung mit Glaswolle beruht auf einer simplen Idee: Nicht die aus geschmolzenem Glas gezogenen Glasfäden dämmen, sondern die Luft, die zwischen ihnen eingeschlossen ist und sich nicht bewegen kann. Als Rohstoff dient zu 60 Prozent Altglas, angereichert mit Bindemitteln. Das Endprodukt, eine gelbliche Wolle, ist dicht, leicht und biegsam. Es lässt sich auch von Laien verarbeiten.

Natürlich gibt es längst Dämmmaterial mit höchst unterschiedlichen Eigenschaften. Nicht nur Neubauten, sondern auch die denkmalgerechte Renovierung von Altbauten verschaffen der Firma weiterhin gute Umsätze. Energieeinsparung ist „in“ beim Hausbau und in der Industrie. Küchenherde werden mit G+H-Produkten isoliert, Rohrleitungen sollen länger dicht bleiben.

Im Jahr 1936, also nur fünf Jahre nach der Gründung, hatte das Werk schon 273 Mitarbeiter. Damals wurden 1050 Tonnen Glaswolle pro Jahr produziert. Heute sind dies 60000 Tonnen – bei 261 Mitarbeitern. Es ist also einiges modernisiert worden im Betrieb und bei der Produktion. Seit 1994 verladen Roboter die großen Glaswolle-Pakete auf Stahlpaletten und machen sie transportfähig.

Die Verkehrsanbindung des Werks ist zwar nicht berühmt. „Aber“, so Nikolaus Wesely, „damit können wir leben.“ Aus der Diskussion um einen Autobahnzubringer für Bergisch Gladbach halte man sich heraus. Wesely: „Natürlich bin ich da auf dem neuesten Stand. Aber das Werk in Bergisch Gladbach ist nicht abhängig von einer neuen Straße.“

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