Haie-Keeper MüllerEin tragischer Held

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Robert Müller zeigt seine Eishockey-Torwart-Maske mit der Nummer 80. Die Zahl steht für sein Geburtsjahr 1980. (Bild: Dahmen)

Robert Müller zeigt seine Eishockey-Torwart-Maske mit der Nummer 80. Die Zahl steht für sein Geburtsjahr 1980. (Bild: Dahmen)

Robert Müller ist ein Kraftpaket. Klein, kompakt und voller Energie. Auch in der schweren Montur des Eishockey-Torhüters bewegt sich der 1,72 Meter große Sportler sehr flink. Seine Paraden sind spektakulär. Robert Müller ist einer der besten Torhüter Deutschlands. Auf dem Eis ist der 28-jährige Oberbayer aus Rosenheim in seinem Element, Eishockey macht ihn glücklich. Wenn man ihn in diesen Tagen fragt, wie es geht, dann sagt er einfach nur „gut“. Warum sollte es ihm schlecht gehen? Schließlich darf er seit Anfang Oktober wieder auf dem Eis trainieren. Ende des Monats will er zurückkehren in die Mannschaft der Kölner Haie. Das ist sein ehrgeiziger Plan. Dafür kämpft er. Es ist ein mutiger Kampf. Denn Robert Müller leidet an einem unheilbaren Krebs.

Von seiner Krankheit redet der Sportler nicht gern. Vielleicht erteilte er deshalb nun seinem Arzt die Erlaubnis zu sprechen. Die furchtbare Wahrheit ist: Müller bleibt nicht mehr viel Zeit. In seinem Kopf befindet sich ein so genanntes Glioblastom. Die meisten Menschen überleben mit einem solchen Tumor weniger als ein Jahr, etwa drei Prozent schaffen fünf Jahre. „Robert Müller ist schon über die mittlere Lebenserwartung bei dieser Art von Tumoren hinweg“, wird sein Arzt Wolfgang Wick von der Universitätsklinik Heidelberg im „Spiegel“ zitiert.

Es sei von Anfang an nur darum gegangen, das Leben des Patienten zu verlängern. Ein Glioblastom wird als Tumor des Grades vier eingestuft. Er lässt sich deshalb so schwer behandeln, weil er feingeweblich den Gliazellen des Gehirns ähnelt. Das Tückische an dieser Art von Krebs: Er bereitet zunächst keine Schmerzen, der Erkrankte fühlt sich gesund. Doch Tumor wächst rasend schnell.

Müller erfuhr im November 2006 von seiner Krankheit. Er hatte wochenlang Nackenschmerzen und Migräneanfalle. Erst konnt ihm kein Arzt sagen, woran er litt. Nach einer Untersuchung des Kopfes fanden die Ärzte schließlich den bösartigen Tumor. Müller wurde operiert. Die Mediziner der Heidelberger Fachklinik sägten seinen Kopf auf und schälten das bösartige Gewebe heraus. Sie konnten jedoch nicht alles entfernen, da sonst das Gehirn geschädigt worden wäre. Der Rest wurde mit Strahlen- und Chemotherapie bekämpft.

Erster Kraftakt

Danach gelang Müller sein erster Kraftakt. Nach drei Monaten konnte er wieder Eishockey spielen. Er schaffte sein Comeback, war fit und ganz der Alte. So holten ihn die Haie im vergangenen Dezember als

Nummer-eins-Torhüter nach Köln. Müller war voller Zuversicht: „Es ist ein Tumor, der vielleicht nie ganz aus dem Hirn rausgeht. Was aber nicht weiter schlimm ist, wenn er so unter Kontrolle bleibt“, sagte er damals in seinem fröhlichen bayrischen Tonfall. Angst vor Rückschlägen? „Nein, man muss das Leben genießen“, erklärte der Sportler. Er wolle seine Kinder heranwachsen sehen. Sein Sohn ist erst anderthalb, die Tochter vier Jahre alt. Die riesige Narbe auf dem vorderen Kopf und der Haarausfall durch Chemotherapie stören ihn nicht: „So etwas ist mir nicht mehr so wichtig. Ob ich jetzt Haare hab oder man eine Narbe sieht, das ist doch egal.“

Es lief wunderbar: Mit den Haien kam Müller in diesem Frühjahr bis ins Finale um die Deutsche Meisterschaft. Er wurde als Held gefeiert. Als einer, der den Krebs besiegt hat. Und er akzeptierte diese Rolle. Für viele Kranke, die ihn in Heidelberg kennen lernten, wurde er aufgrund seines unerschütterlichen Optimismus und seiner Kraft zum Vorbild.

Lebensgefährliche Geschwulst

Dann der Rückschlag Mitte August. Müller müsse eine Gewebeprobe entnommen werden, vermeldeten die Haie damals zunächst. Die Wahrheit sah anders aus. Der Tumor war gewachsen und drückte auf die Blutgefäße. Es bestand Lebensgefahr. Die Heidelberger Ärzte taten wieder ihr Bestes. Komplett ließ sich die Geschwulst aber auch diesmal nicht entfernen. Müller akzeptierte sein Schicksal. Auch nachdem sein Kopf zum zweiten Mal geöffnet worden war, verzweifelte er nicht. Er fragte nicht: warum gerade ich? Ihn interessierte wieder nur eine Sache: Seine schnellstmögliche Rückkehr aufs Eis. Gut sechs Wochen später hatte er dieses Ziel erreicht.

In der Deutzer Trainingshalle absolviert er täglich seine Übungseinheiten, von den traurigen Ergebnissen der neuen Untersuchungen seines Kopfes lässt er sich nicht entmutigen. Die erneute Chemo- und Strahlentherapie hat keine Besserung gebracht, das bösartige Gewebe in Müllers Kopf hat sich nicht zurückentwickelt. Die Zellen seien bereits resistent gegen die Therapie, sagt Wick. Gegen Müllers Rückkehr in den Sport hat der Mediziner trotzdem nichts einzuwenden.

Das geliebte Eishockey ist Müllers Lebenselixier. Auch die Kölner Haie wissen das und unterstützen ihn in rührender Art. Nach der Operation verpflichteten sie im August den Ersatzmann für das Haie-Tor nur bis Ende November, denn dann soll ja Müller wieder spielen. Er sei nach wie vor die Nummer eins der Haie, betonen Trainer wie Manager immer wieder.

„Uns war die Situation von Anfang an bekannt“, sagt Thomas Eichin, der Geschäftsführer des Klubs. „Sobald Robert wieder spielen kann, werden wir ihn einsetzen.“ Und wenn nicht? „Daran denken wir nicht“, erklärt der 42-Jährige. Auch die Kölner Fans haben den tapferen Torhüter in ihr Herz geschlossen. In einem Heimspiel zu Beginn der Saison hielten sie Tausende von Plakaten mit der „80“ hoch, Müllers Rückennummer im Spiel. Er ist 1980 geboren.

Als Müller 2006 erkrankte, spielte er noch für die Adler Mannheim. Der von SAP-Gründer und Milliardär Dietmar Hopp finanzierte Verein vermittelte Müller zwar die besten Ärzte in der Heidelberger Klinik. Als Müller wieder spielen wollte, frustrierte der damalige Mannheimer Trainer Greg Poss den Sportler jedoch, indem er ihn kaum einsetzte. Nur dreimal durfte er in der Saison 2006 / 2007 aufs Eis. Eine schlimme Zeit für Müller: „Es gab Leute, denen war ich nicht mehr gut genug“, berichtet er mit einiger Bitterkeit.

So verließ er den Verein und kam über die Zwischenstation Duisburg nach Köln - wo man ihn nun schätzt und liebt und ihn weiter den ehrgeizigen Torhüter Robert Müller sein lässt. „Wenn ich nicht mehr Eishockey spielen könnte, wüsste ich nicht, was ich machen sollte. Da würde ich ja durchdrehen“, sagt Müller.

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