HeimatgeschichteChronik der furchtbarsten Verbrechen

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Wiederholt wurden Quacksalber entlarvt - zum Beispiel 1875 und 1876 in Kommern (hier die Kölner Straße). (Bild: Archiv PP)

Wiederholt wurden Quacksalber entlarvt - zum Beispiel 1875 und 1876 in Kommern (hier die Kölner Straße). (Bild: Archiv PP)

Kreis Euskirchen/Mechernich – Ein blutiger und krimineller Landstrich ist die Eifel nur in der Literatur, so wird landauf, landab gemutmaßt. In Wirklichkeit seien dort noch nie spektakuläre Verbrechen begangen worden. Weit gefehlt, wie der Mechernicher Heimatforscher Anton Könen eindrucksvoll belegen kann: „In der Eifel sind für so wenige Einwohner eher ungewöhnlich viele Verbrechen begangen worden.“

Als Beweis legte Könen einen Aktenordner vor, in dem er allein die Kriminalfälle der Jahre 1827 bis 1953 gesammelt hat. Als Quelle dienten ihm Tages- und Wochenzeitungen, die damals in den Altkreisen Schleiden und Euskirchen erschienen. Durch sie lässt sich förmlich eine Blutspur rekonstruieren, die sich durch das 19. und frühe 20. Jahrhundert zieht.

Mit die spektakulärsten Fälle ereigneten sich rund um den Mechernicher Bleiberg, dem damaligen Wirtschaftszentrum der Nordeifelregion. So ein Lohngeldraub mit zwei Todesopfern 1929, die Aushebung einer Falschmünzer-Werkstatt in einem stillgelegten Bergwerksstollen am Kallmuther Berg und der Raubüberfall einer 43-köpfigen Räuberbande im Mai 1800 auf das Gasthaus der Familie Nießen in Düttling.

Zwei Tote

Gäste und Familienangehörige wurden misshandelt, gefesselt und beraubt. Zwei Kinder der Familie Nießen wurden mit Messerstichen getötet. Währenddessen ist das Haus von einem Bandenmitglied in Brand gesteckt worden. Die meisten der 43 Räuber wurden von der Polizei gefasst und vor Gericht bestraft.

Aber es gab noch weit mehr Überfälle, Mörder, Selbstmörder, Mordanschläge, Diebstähle, Raubüberfälle, Misshandlungen, Messerstecher und Kurpfuscher. Ein besonders häufiges (und auch häufig entdecktes) Delikt war der Kindsmord. Täterinnen waren fast ausnahmslos abhängig beschäftigte junge Frauen, Bauernmägde und Dienstmädchen. Und der Verdacht schwang fast jedes Mal mit, dass dabei eine ungewollte Schwangerschaft vertuscht werden sollte, bei deren Zustandekommen die Bauern oder anderweitige Arbeitgeber ursächlich beteiligt gewesen sein könnten. Anton Können: „Wie hoch die Dunkelziffer der nicht entdeckten Tötungen Neugeborener war, lässt sich nur erahnen.“ Es kam aber auch vor, dass unverheiratete Schwangere ihre Kinder töteten, wie eine junge Frau, deren Prozessbericht aus dem Jahr 1952 in der Verbrechensakte Anton Könens auftaucht. Oder 1879: Da wurden in Holzheim die Skelette von vier Säuglingen entdeckt. Allein der Mechernicher Stadtteil Bergbuir war in zwei Mordfälle verwickelt.

1930 tötete ein verzweifelter Familienvater erst seine Kinder und dann sich selbst. 1953 wurde ein Bergbuirer verhaftet und in Flensburg wegen Kameradenmordes in der Schlussphase des Zweiten Weltkriegs vor Gericht gestellt. Der frühere SS- Mann und KZ-Aufseher hatte laut Anklage einen Wehrmachtsgefreiten getötet, um an dessen Personalpapiere zu kommen.

Zum Opfer einer ähnlich gelagerten Tat in französischer Kriegsgefangenschaft wurde ein Mann aus Mechernich. Der mutmaßliche Täter aus Dithmarschen (Schleswig-Holstein) wird 1951 in Flensburg vor Gericht gestellt. Als Motiv kam Eifersucht in Frage.

Von 1920 bis 1923 trieb im Altkreis Schleiden eine Bande ihr Unwesen, die sich die „Schwarze Hand“ nannte. 1929 wurden einige Bandenmitglieder gefasst. Hühner- und Entendiebstähle wurden in diesem Jahr in der Presse ebenso thematisiert wie tätliche Angriffe von Schwiegersöhnen auf Schwiegerväter oder Kneipenschlägereien mit manchmal tödlichem Ausgang wie im Dezember 1928 zwischen Dreibornern und Berescheidern.

Spektakulär waren auch die tödlichen Schüsse, die der eigene Förster am 11. August 1927 auf die Eheleute Dr. von Malinckrodt auf Schloss Wachendorf abfeuerte, ehe er selbst sich umbrachte. Das „Unterhaltungs- und Anzeigenblatt für den Kreis Schleiden und die Umgebung“ schrieb: „Die Beweggründe für die Tat sind noch unbekannt. Der Förster war bereits 31 Jahre im Dienst. Da er geisteskrank war, sollte er im vorigen Jahr in eine Irrenanstalt kommen. Dr. von Malinckrodt hatte sich aber geweigert, den Mann dorthin zu bringen und wollte ihn im Dienst behalten. Heute Morgen nun, als das Ehepaar eine Reise nach Thüringen antreten wollte, kam der Förster an den Kraftwagen heran, scheinbar um sich von den beiden zu verabschieden. Darauf schoss er und traf Dr. von Malinckrodt in den Hals und seine Frau in die Brust; beide verschieden unmittelbar darauf. Der Förster war 76 Jahre alt.“

Nebenbuhler verfehlt

1921 wurde in Floisdorf ein Gastwirt erschossen, im Januar 1920 ein Vollemer in seiner Wohnung. Ein Mann auf Freiersfüßen aus Weiler am Berge schoss sich selbst durch die Hand, als er seinen Nebenbuhler in flagranti bei der Braut erwischte und den Revolver zog. Ebenfalls in Weiler wurde 1913 hinter einer Hecke die Leiche eines ermordeten Handlungsreisenden aus Aachen entdeckt. In Zülpich fand man 1911 zwei italienische Eisenbahnarbeiter mit durchschossener Brust.

Beim Bau der Eisenbahnstrecke Düren-Heimbach kam es 1902 zu Schießereien zwischen italienischen und kroatischen Streckenarbeitern. 1910 kam es auf dem Kommerner Becherhof zu einem Eifersuchtsmord und Selbstmordversuch unter den Dienstboten.

Immer wieder, so in Obergartzem und Antweiler, mussten junge Menschen den leichtfertigen Umgang mit den damals offenbar in Privathänden weit verbreiteten Schusswaffen mit dem Leben bezahlen. Am 29. September 1908 wurde der Wirt des berühmten Sistiger Wachhäuschens mit einer Sprudelwasserflasche erschlagen, in Marmagen 1905 ein Dynamitanschlag auf das Pfarrhaus verübt. 1902 erstach beim Steinfelder Kirschenmarkt ein Wahlener einen Steinfelder. Im Juli des Jahres 1900 erschoss eine Betrogene ihren Ex-Liebhaber im Wald zwischen Satzvey und Schaven.

Ein Schützendorfer Landwirt gestand 1899 im Spital, acht Jahre zuvor seine trunksüchtige Ehefrau erschlagen und im Backofen verbrannt zu haben. In Schwerfen ließ eine „Rabenmutter“, wie die Zeitung betont, einen Jungen von zwei Geschwistern mit Knüppeln verprügeln. Das Kind starb. Überfälle, oft mit tödlichem Ausgang, waren in der Nordeifel des 19. Jahrhunderts ebenso an der Tagesordnung wie handfeste, häufig tödlich endende Auseinandersetzungen bei Märkten und Kirmessen. Manche Marktbesucher müssen den Streit förmlich gesucht haben.

Mädchen im Brunnen

Die Angst, allein in den Wald zu gehen, ist offenbar nicht unbegründet. Die Zeitungen berichten von mehreren Übergriffen vor allem auf Mädchen, die allein unterwegs waren. Aber auch zu Hause waren sie nicht sicher, wie das Schicksal einer 15-Jährigen aus Voißel belegt, die von einem Landstreicher um Geld angegangen wurde. Weil sie damit nicht dienen konnte, wurde das Mädchen in den Brunnen geworfen. Zuvor hatte der Unhold seinem Opfer die Zöpfe abgeschnitten. Die 15-Jährige überlebte, weil sie sich durch einen Griff in eine Mauernische über Wasser halten konnte, bis die Eltern vom Feld nach Hause kamen.

Wiederholt wurden Quacksalber entlarvt - vor allem dann, wenn es, wie 1875 und 1876 in Kommern, bei den Behandelten nach der Verabreichung eines selbstgemixten Brechmittels zu Todesfällen gekommen war.

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