Historisches DatumAdolf Hitlers Kölner Treffen

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Der historische Schauplatz, die Villa im Westen Kölns, steht heute zum Verkauf.

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Am 4. Januar 1933 hatte der Kölner Bankier Kurt Freiherr von Schröder Gäste. In seiner Villa trafen sich der ehemalige Reichskanzler Franz von Papen und Adolf Hitler, der Reichskanzler werden wollte. Der Historiker Ulrich S. Soénius blickt im „Kölner Stadt-Anzeiger“ auf diesen Tag zurück, mit dem die spätere „Machtergreifung“ an Fahrt gewann. „Der Empfang zweier Gäste am trüben Januarvormittag im Wohnzimmer eines Lindenthaler Hauses wurde zum Wendepunkt im Leben des Freiherrn von Schröder, der nicht nur regional bekannt wurde, sondern weltweit in die Geschichtsbücher einging und der den zweifelhaften Ruf Kölns begründete, hier habe die Geburtsstunde des Dritten Reiches geschlagen“, schreibt Soénius.Nicht einmal einen Monat nach dem Treffen in Köln war Hitler auf dem Gipfel angelangt. Die Nazis feierten ihren Triumph, vor allem in Berlin, wo der „Führer“ in die Reichskanzlei einzog, aber nicht nur da.

Am 4. Januar 1933 fing alles an

Der 4. Januar 1933 war ein ganz normaler Winter- und Werktag wie jeder andere auch. Aber aus der Retrospektive betrachtet wurde dieser Tag ein „Datum“ der Weltgeschichte. Einer der Akteure war damals eine Randfigur, der mit dem Ereignis schlagartig berühmt wurde und dessen Name sich in allen Büchern über das Ende der Weimarer Republik sowie die NS-Zeit wiederfindet: Kurt Freiherr von Schröder, Teilhaber des 1790 gegründeten Bankhauses J. H. Stein in Köln.

In dem Wohnzimmer seines Privathauses am Stadtwaldgürtel 35 trafen sich zwei bekannte Politiker, Franz von Papen, der Reichskanzler gewesen war, und Adolf Hitler, der die Kanzlerschaft anstrebte. Die Ereignisse des Tages sind oft beschrieben worden - weniger der Lebensweg des Barons Schröder, der im NS-Staat Karriere machte. Am 4. Januar 1933 war er völlig unbekannt, ein Bankier aus der zweiten Reihe.

Er stammte aus einer Familie, die in Hamburg, London und New York Bankhäuser führte. Geboren am 24. November 1889 in Hamburg als dritter von vier Söhnen, studierte er einige Semester Jura in Bonn, trat dort in ein Corps und 1909 in das Husarenregiment König Wilhelm I. ein. Dessen Offiziere trugen mit Stolz eine Fellmütze mit Totenkopfemblem. Im Ersten Weltkrieg war Schröder Berufsoffizier an der Front und im Generalstab. Nach dem Ende des Kaiserreichs und der Revolution, dem Zusammenbruch der alten Ordnung, der für Adel und Wirtschaftsbürgertum im gleichen Maße einen Einschnitt bedeutete, verließ Schröder mit 30 Jahren die Armee als „Rittmeister der Reserve“ - der Titel repräsentierte wie kaum ein anderer die soldatischen „Tugenden“ der Kaiserzeit.

Bereits 1913 hatte Schröder die Bankierstochter Edith von Schnitzler geheiratet, deren Vater Richard Teilhaber im Kölner Bankhaus J. H. Stein war. Diese Verbindung erbrachte den Kontakt zu zahlreichen Unternehmerfamilien des Rheinlandes, und von Schröder wurde auf eine Bankkarriere vorbereitet. 1921 wurde er Teilhaber bei Stein, einer eher kleineren Privatbank. In der Weimarer Republik unterstützte er anfangs Pläne für eine Rheinische Goldbank, was ihm in der NS-Zeit den Vorwurf des Separatismus einbrachte. Wenige Jahre später war er für kurze Zeit Mitglied in der liberalen Deutschen Volkspartei, die er jedoch aus Ärger über einen schlechten Listenplatz zur Kommunalwahl verließ.

Anfang der 1930er Jahre lernte Schröder den NSDAP-Wirtschaftsberater Wilhelm Keppler kennen, der ihn in Berlin mit Hitler und von Papen bekannt machte. Diese Begegnungen führten zum geheim gehaltenen Treffen am 4. Januar 1933, an dem Hausherr Schröder als einziger Unbeteiligter teilnahm. Ziel der beiden Politiker war die Ablösung des Reichskanzlers Kurt von Schleicher, der wiederum von einem anderen Kölner Unternehmer, Otto Wolff, maßgeblich unterstützt wurde.

Von Papen treibende Kraft

Die treibende Kraft der vormittäglichen Unterredung war von Papen gewesen, der in völliger Fehleinschätzung der Lage vermutete, er könne mit Hilfe Hitlers die Reichskanzlerschaft wiedergewinnen. Über Keppler kam Schröder ins Spiel - eher zufällig war er zur Stelle, und so wurde wenig später behauptet, in seinem Haus habe die „Geburtsstunde des Dritten Reiches“ geschlagen. Diese Metapher negiert zwar die Vorgeschichte, die politische Situation im Januar 1933 und vor allem das nachfolgende Gespräch zwei Wochen später in Berlin. Erst dort kam es zu einer Einigung, aber die aufgeflogene Geheimhaltung in Köln tat das Übrige zur Schaffung eines Mythos.

Ein Reporter bekam Wind von dem Treffen und seine Nachricht kam schnell in andere Zeitungen. Damals konnte noch niemand die Tragweite der beginnenden Annäherung von konservativer Elite und NS-Führung erkennen. Das Treffen mündete in eine Diktatur, die mit Mord und Terror ihre Macht sicherte. Natürlich kann die Ursache von Verfolgung, Krieg und Holocaust nicht allein in dem Gespräch am 4. Januar 1933 gesucht werden, aber es war Teil einer Entwicklung, die dorthin führte.

Von Schröder selbst betrat zwar nicht die Berliner Bühne, aber er wurde zum Nutznießer des NS-Systems und in der Öffentlichkeit bekannt als Gastgeber. NSDAP-Mitglied wurde er erst am 1. Februar 1933 - einen Tag nach der Machtübertragung von Hitler -, aber er gerierte sich schon bald wie ein „alter Parteigenosse“. Naiv versuchte er am 14. März, einen Tag nach der Vertreibung von Oberbürgermeister Konrad Adenauer, die Geschäfte der Industrie- und Handelskammer zu übernehmen. Er scheiterte an der Wehrhaftigkeit des Hauptgeschäftsführers, gab aber nicht auf. Da Präsident Paul Silverberg, evangelischer Unternehmer mit jüdischen Vorfahren, in Berlin alle Vorstandsposten verlor, wurde Schröder Ende April mit einem Trick Präsident der IHK und in der Folgezeit bis 1945 Inhaber zahlreicher Ämter in der Wirtschaft.

Die wenigen erhaltenen Quellen und die Nachkriegszeugnisse berichten über von Schröders Opportunismus, aber auch von Engagement für das Rheinland. Er wehrte sich gegen die Bevorzugung anderer Wirtschaftsgebiete, agierte öffentlich gegen die Großbanken und beschäftigte politisch Andersdenkende. Dennoch war er ein glühender Anhänger des Nationalsozialismus, der Kenntnis vom Zwangsarbeiterprogramm hatte und selbst solche auf seinem Gut beschäftigte, der die Versteigerung von beschlagnahmten Haushaltsgegenständen von Juden aus den besetzten Niederlanden anordnete und der mit aller Macht Missliebige aus Ämtern verdrängte, unter anderem Konkurrent Waldemar von Oppenheim aus dem Aufsichtsrat von Felten & Guilleaume.

Von Schröder: Ein willfähriger Mitläufer

Von Schröder machte sich zum willfährigen Mitläufer und Vollstrecker der machtpolitischen Ansprüche der Nationalsozialisten, indem er als Verwalter des Vermögens des emigrierten Fritz Thyssen agierte und für die SS als Verantwortlicher zur Übernahme des ehemals im Besitz von Juden befindlichen Weiss-Konzerns in Budapest vorgesehen war. Von der Kölner Gesellschaft wurde der Emporkömmling gemieden, er selbst verweigerte der hilfesuchenden Gussi Adenauer, die sich für ihren verfolgten Mann einsetzen wollte, trotz Bekanntschaft aus der Weimarer Zeit jeden Kontakt. Andererseits half er einem IHK-Geschäftsführer, der vor 1933 Zentrumspolitiker war, nach dem 20. Juli 1944 aus dem Messelager freizukommen. Von Schröder sammelte - teilweise mit Druck über seine Aufsichtsratsposten - bei der Wirtschaft Geld für den SS-Reichsführer Heinrich Himmler, damit dieser sich besondere Kultstätten leisten konnte. In einem Jahr kam über den „Freundeskreis Heinrich Himmler“ - Schatzmeister: von Schröder - eine Million Reichsmark zusammen. Zur Belohnung wurde er SS-Ehrenführer.

Andererseits war von Schröder erklärter Westeuropäer, der bis zur Entfesselung des Krieges durch Hitler die Nähe zu Frankreich sowie den Benelux-Staaten durch viele persönliche Kontakte suchte und 1939 die Deutsch-Britische Gesellschaft in Köln gründete. Wenige Monate vor dem Krieg lud er erstmals die ausländischen Diplomaten zu einem Empfang in die IHK ein, die er als Dreh- und Angelpunkt seiner außenwirtschaftlichen Aktivitäten nutzte. Von Schröder war überzeugt davon, dass Export in jeder Hinsicht der rheinischen Wirtschaft diente.

Krieg kam für von Schröder überraschend

Der Krieg wird für ihn überraschend gekommen sein, begrüßt hat er ihn sicher nicht. Nach dem Krieg wurde von Schröder nicht von den Alliierten, die ihn in einem Gefangenenlager in Frankreich entdeckten, zur Rechenschaft gezogen. Zu gering waren die Geschäfte des Bankhauses Stein gewesen, ein amerikanischer Untersuchungsbeamter sprach von „small potatoes“. Zwar wurde zunächst von den Amerikanern eine Anklage vorbereitet, aber von Schröder verstand es geschickt, anderen die Verantwortung für den Freundeskreis Himmler anzuheften. Ein deutsches Verfahren verlief nach mehreren Instanzen glimpflich, eine Wiederaufnahme seiner Bankierstätigkeit schloss sich aber aus.

Bis zu seinem Tod am 4. November 1966 lebte Baron Schröder auf seinem Gut in Schleswig-Holstein. Er hat sich als einer der wenigen Unternehmer offen zum Nationalsozialismus bekannt. Zwar war er nicht führend in die Gräueltaten des NS-Regimes verwickelt, aber willig setzte er sich zur Aufrechterhaltung der Diktatur ein. Die Masse der Amtsträger hielt das Regime an der Macht, ohne die Mithilfe zahlreicher Akteure hinter den Kulissen wären die Entfesselung des Krieges und der Holocaust nicht möglich gewesen. Der Empfang zweier Gäste am trüben Januarvormittag im Wohnzimmer eines Lindenthaler Hauses wurde zum Wendepunkt im Leben des Freiherrn von Schröder, der nicht nur regional bekannt wurde, sondern weltweit in die Geschichtsbücher einging und der den zweifelhaften Ruf Kölns begründete, hier habe die „Geburtstunde des Dritten Reiches“ geschlagen.

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