Im Namen der Tifosi

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Es ist dies eine bizarre, fast schon surreale Woche für Italiens Fußball. Und darum für Italien schlechthin. In einer einzigen Woche schlägt der Jubel über weltmeisterliche Glorie um in ein Lamento über nationale Mauschler und Manipulatoren. Eben noch war die Hand am Weltpokal, der die Italiener auf die Straße trieb. Sie sahen im Triumph eine gerechte Revanche gegen alle Klischees, die wieder einmal gegen sie bemüht wurden. Doch diese trotzige Freude währte nicht lange. Nun redet alles nur noch vom „Calcio-Gate“, von der dunklen Seite der liebsten Leidenschaft der Italiener. Ebenfalls hausgemacht. Das Fernsehen brachte Live-Sondersendungen, als am Freitag in Rom das erstinstanzliche Urteil der Sportjustiz im Prozess gegen vier Topvereine des Calcio bekannt wurden. Die Einschaltquoten dürften fast so hoch gewesen sein wie beim WM-Finale. Juventus Turin, AC Milan, Lazio Rom, Fiorentina werden bestraft für verschobene Spiele, bestochene Schiedsrichter, manipulierte Meisterschaften. Die einen eher hart, die anderen eher mild, je nach Grad ihrer Verwicklung in den Skandal. Der Chefankläger des Verbands hatte zwar noch härtere Strafen gefordert. Dennoch: Alle werden bestraft, nach einem erstaunlich schnellen Prozess, im Namen des Gesetzes.

Und im Namen der Tifosi, der Fans, die vielleicht über viele Jahre betrogen worden sind: um Geld, um ihre echten Emotionen im falschen Spiel. Für viele ist der Fußball eine Art Ersatzreligion, die Liturgie ihres Lebens. Die Vereine müssen nun also bezahlen, obschon befürchtet werden musste, der Weltmeistertitel wische den Skandal weg. Im katholischen Italien ist Gnade meist stärker als das Gesetz, der Ruf nach Amnestie vereint oft alle. Diesmal nicht. Diesmal war der Betrug einfach zu groß. Und die Leute, die ermitteln und richten, sind renommierte Figuren mit viel Sinn fürs Recht. Die verrückte Woche des Calcio endet also mit der Hoffnung auf einen Neuanfang. Auf eine Wiedergeburt, wie die Italiener sagen. Fußball spielen können sie ja. Recht gut, auch ohne Mauscheleien. Weltmeisterlich gut sogar.

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