Interview„Wer steckt unter dieser Burka?“

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Die Zeichnung Karneval dürfte für Kölner besonders passend sein. (Bild: Eichborn/Eva Schwingenheuer)

Die Zeichnung Karneval dürfte für Kölner besonders passend sein. (Bild: Eichborn/Eva Schwingenheuer)

ksta.de: Frau Schwingenheuer, sind Sie lebensmüde?

EVA SCHWINGENHEUER: Nein, gewiss nicht.

Trotzdem haben Sie ein Buch mit 45 satirischen Zeichungen zum Thema Burka gemacht, in dem Sie Frauen im Vollschleier in allerlei gewöhnlichen oder skurrilen Situationen darstellen.

SCHWINGENHEUER: Natürlich hatte ich den Karikaturenstreit im Hinterkopf, als ich damit begonnen habe. Natürlich habe ich auch Angst vor Gewalt - wer will schon Drohbriefe bekommen oder eine Bombe durchs Küchenfenster fliegen sehen. Aber ich finde, dass man relevante gesellschaftliche Themen nicht aus Sorge heraus tabuisieren darf. Und die Burka ist so ein Thema. Auf der Königsallee flanieren häufiger reiche Saudis mit ihren Frauen, die meist Tschador mit Niqab tragen. Das ist schon ein heftiger Auftritt. Ich sehe diese Frauen mit dem Vollschleier und stelle mir die Frage: Wer steckt darunter? Wie lebt es sich damit? Wie treibt man damit Sport? Wenn man sich das überlegt, kommt sehr schnell eine Assoziationskette in Gang.

Aber muslimische Frauen haben es doch oft schon schwer genug. Müssen Sie sich noch über sie lustig machen?

SCHWINGENHEUER: Das tue ich nicht. Mir geht es nicht um die Frauen, es geht um die Burka selbst. Sie transportiert für mich eine extremes patriarchales Macht-System mit einem überstrengen Sittenkodex. Das kritisiere ich, das will ich demaskieren, indem ich mir vorgestellt habe, wie es wohl ist, so etwas im Alltag zu tragen. Das habe ich dann in verschiedene Szenen übertragen - die Satire entwickelt sich da schon fast ohne meine Überspitzung.

Trotzdem wird man Ihnen mit Sicherheit Rassismus oder Islamophobie vorhalten ...

SCHWINGENHEUER: Das wäre vollkommener Quatsch. Mir geht es um Gleichheit. Die Frauen müssen einen Sack anziehen, wenn sie raus gehen. Burka tragen bedeutet etwa, viele Berufe nicht ausüben und keinen Sport treiben zu können. Wenn die Männer das auch müssten, wäre es was anderes, dann würde man sich nur wundern, aber so ist es eine Form von Diskriminierung.

Inwiefern?

SCHWINGENHEUER: Durch die Burka werden Frauen auf das Körperliche reduziert, nur Verhüllung garantiert nach diesem Frauenbild Keuschheit und Reinheit. Das ist sexistisch. Letztlich auch gegenüber den Männern: Dahinter steckt ja die Projektion, alle Männer würden sich sofort auf jede Frau stürzen, wenn die nicht verhüllt sind. Ich finde, in einer mündigen Gesellschaft müssen sich Männer und Frauen unverhüllt gleichberechtigt begegnen können. Sittenwächter sollten niemandem vorschreiben, was er oder sie anzieht.

Womit wir bei der Islamkritik wären ...

SCHWINGENHEUER: Der Islam ist mir dabei völlig gleichgültig. Wenn die Burka in einem anderen religiösen Umfeld üblich wäre, würde ich es genauso falsch finden. Übrigens ist die Schleierpflicht ja auch innerhalb des Islams nicht unumstritten. Wir reden über eine ganz spezielle, sehr konservative, restriktive Auslegung des Koran, nicht über den Islam an sich.

Muslimische Verbände könnten dennoch einwenden, dass sehr viele Frauen freiwillig Burka tragen. Oder?

SCHWINGENHEUER: Das gibt es bestimmt. Aber das mit der Freiwilligkeit ist komplex. Was ich persönlich für angemessen und geboten halte, hat ja vor allem mit meiner Sozialisiation und meinem gesellschaftlichen Umfeld zu tun. Ich bin sicher, dass eine Menge Frauen, die heute Burka tragen, das nicht mehr täten, wenn sie nicht dazu gedrängt oder gezwungen würden.

Das klingt alles eher nicht lustig, ihr Buch ist es aber. Passt das zusammen?

SCHWINGENHEUER: Ich möchte auch unterhalten, natürlich. Diese Zeichnungen sind meine Art, mich mit dem Thema auseinanderzusetzen, und ich glaube, dass gerade die satirische Darstellung das Ganze sehr schön deutlich macht.

Hatten Sie Probleme, einen Verlag von dieser Sichtweise zu überzeugen?

SCHWINGENHEUER: Ich hatte eine Auswahl von zehn Zeichnungen gebunden und an zehn verschiedene Verlage geschickt. Es gab viele – übrigens sehr nette – Absagen und die eine, schnelle Zusage von Eichborn. Damit wären wir auch wieder beim Anfang: Ich finde es toll, dass ein Verlag den Mut hatte, nach dem Karikaturenstreit so etwas Kontroverses zu machen. Da geht's ja nicht nur um mich als Autorin, sondern um einen ganzen Verlag mit seinen Mitarbeitern.

Eva Schwingenheuer, geb. 1979, studierte an der Kunstakademie Düsseldorf, arbeitete als Malerin und Bildhauerin. Nach einer Ausbildung zur Buchhändlerin arbeitet sie heute freiberuflich als Künstlerin und Illustratorin. Sie lebt in Düsseldorf. Ihr Buch „Burka“ ist gerade im Eichborn-Verlag erschienen.

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