InterviewZucker setzt Dopamin frei

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Professor Dr. Karsten Müssig leitet die Arbeitsgruppe Ernährung am Deutschen Diabetes-Zentrum Düsseldorf.

Professor Dr. Karsten Müssig leitet die Arbeitsgruppe Ernährung am Deutschen Diabetes-Zentrum Düsseldorf.

Herr Professor Müssig, was bewirkt Zucker im Körper?

Karsten Müssig: Traubenzucker (Glukose) ist der wichtigste Energielieferant des menschlichen Körpers, ohne ihn könnten wir nicht leben. Allerdings muss Traubenzucker nicht in seiner Reinform aufgenommen werden, vielmehr entsteht er beim Abbau von Nahrungsbestandteilen, wie etwa der in Kartoffeln oder Brot enthaltenen Stärke.

Gibt es guten und schlechten Zucker? Müssig: Werden dem Körper kurzkettige Kohlenhydrate angeboten, in denen Haushaltszucker enthalten ist, werden diese im Darm rasch gespalten. Der Zucker gelangt ins Blut. Das aus der Bauchspeicheldrüse ausgeschüttete Insulin hilft, dass Glukose in die Muskulatur aufgenommen wird und dort der Energiegewinnung dient. Besser sind langkettige Kohlenhydrate, die etwa im Vollkornbrot stecken, weil der Darm länger braucht, um diese aufzuspalten und nicht so bald wieder Nachschub fordert.

Welche Rolle spielt das Gehirn? Müssig: Zucker führt zu einer Stimulation des Belohnungssystems des Gehirns und zur Freisetzung des Glückshormons Dopamin. Es werden also dieselben Hirnareale aktiviert wie bei einem Drogenabhängigen beim Anblick seines Stoffs. Im Vergleich zu schlanken Menschen weisen Übergewichtige beim Anblick von zuckerhaltigen Nahrungsmitteln eine wesentlich stärkere Aktivierung des Belohnungssystems auf.

Ist es angemessen, von Zuckersucht zu sprechen? Müssig: Auch wenn dieser Begriff noch umstritten ist, gibt es doch zahlreiche Tierversuche und auch bildgebende Untersuchungen am Menschen, die darauf hindeuten. So traten bei Ratten, denen in bestimmten zeitlichen Abständen Zuckerlösung und später ausschließlich ihre übliche Nahrung angeboten wurde, Entzugserscheinungen, wie Zittern, Angst, Unruhe, Verhaltensstörungen und Antriebslosigkeit auf.

Und das Krebsrisiko? Müssig: Sowohl bei Diabetes als auch bei Adipositas findet sich eine erhöhte Insulinkonzentration im Blut bei gleichzeitiger Insulinresistenz. Das überschüssige Insulin steht im Verdacht, ein Tumorwachstum zu begünstigen, so dass bei Frauen etwa ein Brustkrebs eher zum Ausbruch kommt.

Das Gespräch führte Lioba Lepping

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