Iran geht gegen Minderheit der Bahai vor

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Mitglieder des Nationalen Geistigen Rats verhaftet und eingesperrt.

In einer seit langem beispiellosen Aktion sind sechs führende Mitglieder der iranischen Bahai-Gemeinde vom Geheimdienst verhaftet und in das berüchtigte Evin-Gefängnis eingewiesen worden. Iranische Geheimdienstler stürmten überfallartig die Wohnungen der Bahai. Nach stundenlangen Durchsuchungen wurden sie weggebracht.

Die Verhaftungen erinnern an die ersten Jahre der islamischen Revolution. 1980 und 1981 wurden Mitglieder des damaligen Geistigen Rates der Bahai verschleppt und später hingerichtet. Die fünf Männer und eine Frau, die es jetzt traf, gehören einer Koordinierungsgruppe an, die sich um die Belange der rund 350 000 im Iran verbliebenen Bahai kümmerten. Ein siebtes Mitglied war schon im März verhaftet worden.

Im Iran wurden die Bahai seit der Entstehung der Glaubensgemeinschaft verfolgt, gequält und getötet. Schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden etwa 20 000 Babi, eine Vorläuferbewegung, von staatlichen Autoritäten und dem Mob der Straße bestialisch getötet. Unter der Pahlavi-Dynastie genossen die Bahai zwar individuelle Freiheiten, aber immer wieder wurde die Regierung vom schiitischen Klerus aufgestachelt, um gegen die Bahai vorzugehen. In den 30er Jahren galt die Bahai-Literatur als verboten. Eine Eliteschule wurde 1934 verboten, weil den Schülern das Prinzip der Gleichberechtigung der Geschlechter und pluralistische Wertvorstellungen vermittelt wurden.

Im Jahre 1955 erteilte die Schah-Regierung den Rundfunkanstalten schließlich die Erlaubnis, eine Vortragsreihe eines Predigers namens Mohammad Taqi Falsafi zu senden. Es handelte sich um einen Deal. Falsafi sollte auf die Propaganda gegen den Schah verzichten, bekam aber dafür ein Forum für Propaganda gegen die Bahai. Kein Geringerer als der damalige Verteidigungsminister begleitete Scheich Falsafi, als das Kuppelgewölbe des Gemeindezentrums der Bahai in Teheran im selben Jahr zerstört wurde.

Seit der Etablierung der klerikalen Diktatur im Iran wird die staatliche Verfolgung der Bahai immer systematischer. In den ersten Jahren nach der Revolution wurden mehr als 200 Bahai hingerichtet, allein wegen ihrer Glaubensvorstellungen. Hunderte wurden verhaftet, Zehntausende verloren ihre Arbeit und ihre Rente. Heilige Plätze der Bahai, sogar Friedhöfe werden immer wieder zerstört. Angehörigen der Bahai-Religion ist das Universitätsstudium verboten. In den Achtzigerjahren versuchten die Bahai private Heimuniversitäten zu gründen. Unter Präsident Chatami im Jahre 1998 wurden sie geschlossen.

Besonders beunruhigt die Bahai ein Gesetzentwurf, der zum ersten Mal in der iranischen Geschichte die islamische Todesstrafe für Abtrünnige legalisiert. Der Entwurf wurde kürzlich von den höchsten Instanzen des Staates abgesegnet. Sollte das Apostasiegesetz verabschiedet werden, müssen alle Gerichte des Landes einen iranischen Mann, der kein Muslim mehr sein will, hinrichten. Eine Frau würde lebenslänglich inhaftiert. Alternativ hätten die Betroffenen die Möglichkeit, nach einem Kurs für „islamische Führung“ ihrem „Irrglauben“ abzuschwören .

Kommentar Seite 4

Der Autor wurde als Sohn iranischer Eltern 1957 in Ludwigsburg geboren und ist Senior Research Fellow bei der „European Foundation for Democracy“ in Brüssel.

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