Jörg Frischmann„Das Hobby zum Beruf gemacht“

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Die meiste Zeit des Arbeitstages verbringt Jörg Frischmann, Geschäftsführer der Behindertensport-Abteilung, im Büro. (Bild: Britta Berg)

Die meiste Zeit des Arbeitstages verbringt Jörg Frischmann, Geschäftsführer der Behindertensport-Abteilung, im Büro. (Bild: Britta Berg)

Leverkusen – Kikeriki, Kikeriki . . . Pünktlich um 6 Uhr in der Frühe lässt sich Jörg Frischmann wecken. Allerdings kräht weder ein Hahn auf einem der Häuser in der Großen Kirchstraße in Wiesdorf, noch im Schlafzimmer des Geschäftsführers der Behindertensportler von Bayer 04. „Nein, nein“, sagt Frischmann und lacht herzlich: „Das ist der Klingelton meines Handys.“

Ja, ja, das liebe Handy, immer wieder klingelt es, nahezu rund um die Uhr, auch jetzt, am späten Nachmittag. Da möchte jemand wissen, warum die Behandlung beim Physiotherapeuten nicht wunschgemäß anschlägt, ein anderer fragt nach dem aktuellen Stand der Dinge bei einer geplanten Broschüre, eine Sportlerin hebt an, sich ein wenig auszuweinen - und wird behutsam auf den Abend vertröstet.

Über Mangel an Arbeit muss sich Frischmann wahrlich nicht beklagen. Seit 7.30 Uhr sitzt der zweifache Vater in seinem Büro in der Herbert-Grünewald-Halle, das er gemeinsam mit der Weltklasse-Speerwerferin Steffi Nerius teilt. „Bei uns herrscht ein prima Arbeitsklima. Wir sind immer zu Scherzen aufgelegt“, sagt Frischmann, dessen Arbeitstag stets mit dem Gang zur Kaffeemaschine beginnt: „Frischer Kaffee muss sein.“ Gleich im Anschluss daran folge ein Knopfdruck: Computer an und Emails abfragen. Das nehme schon eine Menge Zeit in Anspruch. Die meist ehrenamtlich tätigen Mitarbeiter der verschiedenen Verbände melden sich auf diesem Weg, natürlich auch die Aktiven und Trainer von Bayer 04 und von anderen Vereinen. Vor allen Dingen jetzt, finden doch am kommenden Wochenende die Internationalen Deutschen Hallen- und Winterwurf-Meisterschaften in Leverkusen statt.

„Dafür musste natürlich, unabhängig von der gesamten Organisation, ein Programmheft aufgelegt werden“, erklärt Frischmann, zu dessen vielfältigen Aufgaben auch die Pressearbeit gehört. Er sei halt Mädchen für alles in der Behindertensportabteilung, manchmal auch Seelendoktor - und alles mit Leib und Seele.

Dass er dafür in der Halle an der Kalkstraße selbst trainiert, täglich von etwa 10 bis 12 Uhr, je nach Lage im Büro, erwähnt der Goldmedaillengewinner im Kugelstoßen (1992 in Barcelona) nur beiläufig. Dabei wollte Frischmann trotz seiner angeborenen Fehlbildung an beiden Händen und Füßen mit dem Behindertensport lange Zeit nichts zu tun haben. Fußballprofi werden, das war sein Ziel. Der große Traum ging nicht in Erfüllung, doch der in Minden geborene Athlet spielte erfolgreich Handball und Tischtennis - im Regelsport. Auch alle möglichen Anstrengungen von Bekannten vermochten seine Einstellung nicht zu ändern, zunächst nicht.

Erst als er bemerkt habe, wie hoch das Niveau der Behindertensportler war, dachte der Industriekaufmann über einen Wechsel nach. Der erste Deutsche Meistertitel im Speerwerfen 1987 markierte den Anfang einer großen Leichtathletikkarriere mit zahlreichen gewonnen Meistertiteln und Medaillen. Drei Jahre später schloss sich Frischmann dem TSV Bayer 04 an. Ein Wechsel mit vielerlei Folgen. Mit 27 Jahren begann er ein Studium an der Sporthochschule Köln, lernte später seine jetzige Ehefrau Andrea - eine Leverkusenerin - kennen, die Kim und Jan zur Welt brachte und wurde schließlich Geschäftsführer der Behindertensport-Abteilung des TSV.

„Ich hatte natürlich Glück, dass ich mein Hobby zum Beruf machen konnte,“ gesteht der Diplomsportlehrer. Ebenso, dass seine Frau Andrea großes Verständnis zeige. Nur daher könne er den Sport so leben, wie er ihn lebe. Schließlich stehe auch die eine oder andere Reise zu internationalen Wettkämpfen auf dem Programm, ganz zu schweigen von den Wochenenden, die für den Sport draufgehen. Wie zum Beispiel das kommende, an dem die Meisterschaften stattfinden. „Vor 9 Uhr werde ich mich am Samstag allerdings auf der Fritz-Jacobi-Anlage nicht blicken lassen. Sonst würde ich mit Fragen überhäuft und könnte mich nicht auf meinen Wettkampf im Kugelstoßen vorbereiten. Glücklicherweise beginnt der gegen 9.30 Uhr, so dass ich mich gleich anschließend um die Sorgen und Nöte der Athleten kümmern kann“, sagt Jörg Frischmann. Er ist halt das Mädchen für alles.

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