Katjuscha oder eine Liebe in Moskau

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Als Auslandskorrespondent lernte Udo Lielischkies die entlegensten Winkel Russlands kennen.

Als Auslandskorrespondent lernte Udo Lielischkies die entlegensten Winkel Russlands kennen.

Mechernich-Kommern - Von seinem Büro im neunten Stock des WDR-Hauses hat Udo Lielischkies einen fantastischen Blick auf Köln. Die Domstadt findet er richtig „gemütlich“ - zumindest im Vergleich zu dem „lauten Elf-Millionen-Moloch Moskau“. Der 52-jährige Lielischkies, der seine Jugend in Kommern-Süd verbrachte, kann sich dieses Urteil erlauben. In Köln wurde Lielischkies geboren, er studierte in der Rhein-Metropole und seit März des vergangenen Jahres hat er dort wieder sein Büro. Und Moskau lernte er als Auslandskorrespondent der ARD gründlich kennen.

Genügend Zeit, sich in seiner Wohnung in Köln-Lövenich einzuleben, blieb Lielischkies indes nicht. Ab dem 1. Juli wird der Fernsehjournalist das Korrespondenten-Team der ARD in Washington verstärken. Bis März des vergangenen hatte er noch als Russland-Korrespondent für den WDR und die ARD über den Tschetschenien-Krieg berichtet, war Kinderschändern auf der Spur und filmte sibirische Tiger.

Russische Seele

Lielischkies beleuchtete die russische Seele des einfachen Arbeiters im äußersten Norden des Riesenstaates. „Willkommen am Ende der Welt“, hieß die Reportage, die er neben einem Gemälde Lenins von der Expedition mitbrachte. „Das Bild wurde mir damals von ganz einfachen Leuten geschenkt, die Lenin nicht mehr sehen konnten“, erinnert sich Lielischkies. Er war auf dem Bildschirm im Interview mit dem Ex-Yukos-Chef Michail Chodorowski zu sehen - dem Öl-Milliardär, der den Versuch, Einfluss auf die russische Politik zu nehmen, mit dem Verlust seiner Freiheit bezahlte.

Zwei Monate nach Ausstrahlung des Interviews wurde Chodorowski verhaftet und schließlich zu neun Jahren Haft verurteilt. Offiziell wegen Steuerhinterziehung. In den Augen Lielischkies waren die Vorwürfe „absurd“. Mit einem rechtsstaatlichen Verfahren habe der Prozess gegen Chodorowski nichts zu tun gehabt. Lielischkies nahm den Schauprozess zum Anlass, die Reportage „Kreml, Knast und Korruption“ zu drehen. Drei Filme aus seiner fünfjährigen Russlandzeit wurden für den Deutschen Fernsehpreis nominiert.

Eine Karriere, von der Lielischkies nur träumen konnte, als er mit 14 Jahren von Köln nach Kommern-Süd umzog. Die Idee seiner Eltern, ihr Wochenendhaus in der Eifel zum Hauptwohnsitz umfunktionierten, fand Udo Liekischkies damals nicht wirklich prickelnd: „Ich war doch in einem Alter, in dem die Post abgeht.“ Für den Jugendlichen war Kommern-Süd nicht unbedingt der Wohnort seiner Träume. Fast schon notgedrungen stürzte sich Udo Lielischkies mit Begeisterung auf den weißen Sport.

Mit der ersten Mannschaft von „Blau-Gold“ brachte es Lielischkies bis in die zweite Verbandsliga. Seine Künste im Umgang mit Rakett und Filzkugel konnte der mittlerweile 52-Jährige im Sommer auf der Anlage in Kommern-Süd wieder etwas auffrischen: „Ich wurde sogar für die nächste Saison als Mannschaftsmitglied für die Medenspiele von Blau-Gold gemeldet.“ Doch daraus wird nichts. Lielischkies kann sich schwerlich an jedem Spielwochenende von Washington aus einfliegen lassen.

In der US-amerikanischen Hauptstadt wird er demnächst auf Wohnungssuche gehen. Lielischkies WDR-Büro erinnert indes noch an die Moskauer Zeiten. Das besagte Lenin-Bild hängt als Souvenir an der Wand. Daneben ist ein Foto eingerahmt, das Lielischkies im Gespräch mit Bewohnern des damals mitten im Kriegsgebiet gelegenen afghanischen Dorfes Sakoba zeigt.

Auch die bedeutendsten „Mitbringsel“ aus Moskau sind in seinem Büro auf Fotopapier zu sehen: die beiden 14 Monate alten Zwillinge Julia und Alexej sowie Lielischkies' 26-jährige Ehefrau Katia. Sie sind wohl die Krönung einer erfolgreichen Zeit in Moskau. Die junge Moskowiterin, die russischische Literatur studierte, sollte eigentlich nur Lielischkies Sprachkenntnisse verfeinern.

Liebevoll spricht er von seiner „Katjuscha“. An Lielischkies' 50. Geburtstag, am 13. Dezember 2003, heirateten die beiden in einem Standesamt in Moskau. Auch die Zwillinge kamen in der russischen Hauptstadt zur Welt. Von der Familie seiner Frau wurde Lielischkies warmherzig aufgenommen. Was ganz so selbstverständlich nicht ist. Katjuschas Großvater lag im Zweiten Weltkrieg mit der russischen Armee vor Berlin.

Vielsprachig

Auf die neue Aufgabe in den Staaten freut sich Lielischkies: „Die USA sind die Supermacht schlechthin und ein interessantes Land mit äußerst unterschiedlichen gesellschaftlichen Strukturen.“ Katjuscha und die Zwillinge werden mit ihm nach Washington gehen. Lielischkies will so lange wie möglich Auslandskorrespondent bleiben: „Ich bin richtig dankbar dafür, dass ich durch meinen Beruf andere Länder kennen lernen darf.“ Überdies könne er so auch mit dem Pfund wuchern, fließend Russisch, Englisch und Französisch zu sprechen.

Der Gedanke an seine Mutter und Vater Paul-Hans, die nach wie vor in Kommern-Süd wohnen, ist der einzige, der Lielischkies im Hinblick auf seine neue Aufgabe in Washington „etwas melancholisch“ stimmt: „Jetzt gehe ich schon wieder weit weg und muss meine netten Eltern alleine lassen.“

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