Koalition des Bösen

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Mitglieder der rechtsradikalen NPD - hier bei einer Berliner Demonstration am 1.Mai 2003.

Mitglieder der rechtsradikalen NPD - hier bei einer Berliner Demonstration am 1.Mai 2003.

Die Häme trieft aus jeder Zeile. Dass die US-Regierung im Irak fast 200 000 Handwaffen vermisst, nimmt das rechtsextreme Internetforum „Altermedia“ in diesen Tagen mit großer Freude auf. Nun endlich kämpfe der „Ami“ zuweilen gegen einen gleichwertigen Gegner: „Wenngleich die Absichten der Rebellen im Gegensatz zu den US-Cornflakes-Söldnern wenigstens ehrenhaft sind.“

Lob von ganz rechts für arabische Freischärler und Terroristen? Das ist nicht ungewöhnlich. Neonazis Seit an Seit mit Islamisten, diese Vision der denkbar größten Koalition des Bösen beflügelt so manchen deutschen Rechtsextremen. Der umtriebige Jürgen Rieger, der vom RAF-Sympathisanten zum Holocaustleugner vorangeschrittene Horst Mahler, der NPD-Vordenker Andreas Molau - sie betonen Berührungspunkte deutscher „Nationalisten“ mit islamischen Fanatikern. Den Schweizer Revisionisten Ahmed Huber führte dies so weit, dass er zum Islam konvertierte. Auf einem Kongress der Jungen Nationaldemokraten (JN), der NPD-Nachwuchsorganisation, redete Huber schon im Oktober 2000. Und verwies darauf, dass in der arabischen Welt ein revisionistisches Geschichtsbild verbreitet sei. Der damalige JN-Chef Sascha Roßmüller zeigte sich stolz, dass „Allah und Odin“ hinter ihnen stünden.

Hoffen auf die britische Niederlage

Mögen himmlische Bande zwischen dem Gott der Muslime und dem germanischen Götzen dem Pathos des Augenblicks geschuldet sein, so ist eine irdische Allianz weniger abwegig, als es zunächst scheint. Nationalsozialismus und politischer Islam haben ideologisch einiges gemeinsam - allem voran glühenden Judenhass. Die ägyptischen Muslimbrüder sympathisierten in ihrem Kampf „gegen Kreuzfahrer und Juden“ ebenso mit den Nazis wie der Mufti von Jerusalem, Haji Amin-al Husseini. 1942 hoffte er, die „jüdische Frage“ würde durch eine britische Niederlage im Nahen Osten endgültig gelöst.

Das gemeinsame Feindbild hält bis heute. Palästinenser und Deutsche vereine das Leiden unter demselben Feind, betonen Redner auf Neonazi-Demonstrationen immer wieder. Da wird „Internationale Völkermordzentrale Israel“ skandiert und die Nähe zu arabischen „Verbündeten“ gesucht. „Bereits seit einigen Wochen versuchten die Massenmedien in der westlichen Welt, Stimmung gegen arabische Widerstandskämpfer zu schüren“, hieß es in einem Flugblatt der Steinfurter NPD gegen den Libanon-Krieg 2006. Und der NPD-Theoretiker Jürgen Gansel schrieb: „Gegen den Neokolonialismus Amerikas und den Staatsterrorismus Israels können sich die Muslime der Solidarität von Nationalisten sicher sein.“

Bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 solidarisierte sich die NPD mit dem iranischen Team. Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad sei willkommen, betonte NPD-Chef Udo Voigt. So könnten „Tabuthemen“ in den Blickpunkt gerückt werden - Ahmadinedschads Holocaustleugnung musste er nicht ausdrücklich nennen.

Wie Juden sind die USA als Wurzel allen Übels gemeinschaftliche Hass-Objekte von Neonazis und Islamisten. In rechtsextremem Kreisen wurden die Anschläge vom 11. September 2001 ebenso begrüßt wie unter Islamisten. Gemeinsam sind beiden zudem die Ablehnung von Globalisierung, Kapitalismus und „Zinswirtschaft“ sowie einer toleranten, anti-totalitären westlichen Kultur. Molau sagte im Interview mit der Internetseite „muslim-markt“, deren Betreiber im Visier des Verfassungsschutzes stehen: „Etwas mehr Kopftuch, als Frage einer züchtigen Kleiderordnung, stünde manchem deutschen Mädel schon gut zu Gesicht.“

Trotzdem ist eine „Einheitsfront“ aber bloße Theorie. Verfassungsschutz-Präsident Heinz Fromm betont, der deutsche Rechtsextremismus sei „in seiner ganz überwiegenden Mehrheit zumindest fremdenfeindlich oder ausgeprägt rassistisch.“ Dem einfachen Neonazi ist nicht einsichtig, warum er mit Fremden und „Untermenschen“ gemeinsame Sache machen soll. Wie sehr diese Konstellation die Aktivisten verwirrt, zeigt der schizophrene Umgang von Neonazi-Gruppen mit aktuell geplanten Moscheebauten wie in Hamburg-Bergedorf. Einerseits betont man, der Islam sei kein Feindbild. Eine Moschee sei einer Synagoge vorzuziehen. Zugleich ist die Angst vor „Überfremdung“ nicht zu bändigen.

Schizophrener Umgang mit geplanten Moscheebauten

Berührungsängste hat auch die andere Seite: Für viele fromme Islamisten ist ein Bündnis mit den bekennenden Heiden der Neonazi-Szene undenkbar. Deshalb bleiben Kontakte selten. 2002 trat NPD-Chef Voigt bei einer Konferenz der verbotenen Islamistengruppe Hisb ut-Tahrir auf. 2003 interviewte NPD-Funktionär Holger Apfel im Parteiblatt „Deutsche Stimme“ Shar Assem, führender Repräsentant der Hisb ut-Tahrir. Apfel nannte das Verbot der Gruppe einen „Ergebenheitsgruß an die USA und Israel“.

Zugleich stellt der NPD-Ideologe Gansel klar, der Islam könne nur ein taktischer Partner sein. Nach dem Prinzip des „Ethno-Zentrismus“, nach dem jedes Volk einen natürlichen Raum hat, in dem es frei von „Vermischung“ leben dürfe, passen Muslime nicht in ein Deutschland Marke NPD. „Solange die Fremden wegen der politischen Verhältnisse noch nicht ausgewiesen werden können“, so Gansel, müsse aber „ihre islamische Identitäts- und Glaubensgemeinschaft möglichst intakt bleiben, damit es nicht zu kulturellem Einheitsbrei und Völkervermischung kommt.“

Auf Deutsch: Je islamistischer und abgeschotteter Muslime sich geben, desto willkommener sind sie den Neonazis. Umso leichter kann man sie dereinst in ihre ursprünglichen Lebensräume „zurückführen“. Lebensräume, in denen aus Sicht von Rechtsextremen und Islamisten eine Menschengruppe definitiv nichts zu suchen hat: Juden.

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