„Das Leben feiern“Kölnerinnen gründen erste deutsche Agentur für Trauerredner

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Trauerrednerinnen

Die Trauerrednerinnen Breese, Knees, Fritz, Giefer und Fritz (vl.l.)

Köln – Sie nennen es „Lebensfeier“. Und die findet manchmal im Garten des Verstorbenen, mal im Wohnzimmer, im Wald oder klassisch in einer Trauerhalle statt: „Wir wollen das Leben eines Verstorbenen in seiner Fülle beleuchten und dankbar zurück schauen. Streng genommen halten wir keine Trauerreden, sondern Lebensreden. Weil es nicht um den Tod geht, sondern darum, wer der Mensch war“, sagt Mel Breese (42). Es werde gemeinsam geweint – aber eben auch gelacht.

Trauerredner präsentieren sich im Video

Sie hat gemeinsam mit Carina Fritz (36) „Wer du warst“ gegründet – die deutschlandweit erste Trauerredneragentur. In ihrer Agentur haben die beiden Kölner Gründerinnen deutschlandweit 126 Trauerrednerinnen und Trauerredner versammelt – allein zwölf davon sind Kölnerinnen und Kölner. Wer bei einem Trauerfall in der Familie einen Trauerredner sucht, der kann seinen Wohnort anklicken und sich einen Eindruck verschaffen, wer in seiner Stadt diesen Dienst anbietet. „Es ist uns wichtig, auch wirklich einen Eindruck von dem Menschen zu geben, der da zu den Angehörigen kommt und  den diese sich auch nach Bauchgefühl aussuchen. Schließlich ist es eine sehr intime Aufgabe“, sagt Fritz. Die Trauerrednerinnen und -redner präsentieren sich nicht nur mit Bild, sondern erzählen auch in einem kurzen professionell produzierten Video etwas über sich.

"Eine intensive, intime Arbeit"

Eine der Kölner Trauerrednerinnen ist Ricarda Giefer. Die Gesamtschullehrerin mit Teilzeitstelle hat sich schon in ihrer Arbeit in der Schule viel um Trauerbegleitung gekümmert. „Vor einigen Jahren starb der Vater eines Jungen aus meiner Klasse. Da habe ich gemerkt, wie wichtig das ist, das Thema auch in der Klasse zu begleiten und auch die Untersicherheit der Mitschülerinnen und Mitschüler aufzugreifen, die nicht wussten, wie sie mit dem Jungen umgehen sollten.“

Bei Katie Knees, der gelernten Musikjournalistin, war es die Freundin, deren Kind ganz kurz vor der Geburt in ihrem Bauch starb, die sie sehr eng in Kontakt mit dem Tod gebracht hat. Begonnen hatte sie – wie die meisten freien Rednerinnen – mit Traureden auf Hochzeiten. „Aber als ich dann das erste Mal die Herausforderung einer Trauerrede angenommen habe, habe ich gemerkt, dass das sehr viel intimer und intensiver ist“, erzählt Knees.

Die Arbeit erlebe sie als herausfordernd und Sinn stiftend: „Man hört den Angehörigen in einer Ausnahmesituation zu, versucht den Verstorbenen zu erfassen und authentisch wiederzugeben.“ Es sei immer ein Balanceakt, der sehr viel Sensibilität erfordere, zumal die Angehörigen ja in der Trauersituation meist sehr offen und ungefiltert sprechen.

Was auffällt: Die Trauerredner bei „Wer du warst“ sind nicht nur überwiegend junge Menschen. Sie sind auch überwiegend weiblich. Auf 70 Prozent schätzt Mel Breese den Frauenanteil. Warum das so ist, wo doch der klassische Bestatter eher männlich ist? „Ich glaube, Frauen setzen sich früher im Leben mit dem Tod auseinander“, vermutet Ricarda Giefer. Vielleicht ausgelöst durch die Geburten der eigenen Kinder, mutmaßt sie: „Geburt und Lebensende, Eintritt und Austritt aus dem Leben hängen eigentlich zusammen.“ Es sei vielleicht diese existenzielle Erfahrung, die einem dauerhaft klar mache, dass das Leben eben endlich sei.

Der Markt boomt

Mit ihrer Agentur reagieren die Macherinnen von „Wer du warst“ auf die Veränderungen im Bestattungs- und Trauerwesen. Inzwischen werden mehr als die Hälfte der Verstorbenen in Deutschland nicht mehr kirchlich bestattet. In Köln sind es 40 Prozent. Jedes Jahr werden es mehr. Abgesehen von der abnehmenden kirchlichen Bindung liegt ein Grund auch darin, dass viele Menschen nach einer sehr persönlichen Form des Abschieds suchen, für den sie bei einem kirchlichen Begräbnis vielfach weniger Spielraum sehen als in einer weltlichen Trauerfeier.

Trauerredneragentur

Mel Breese bei einer Trauerfeier

Gerade weil der Markt boomt, ist die Qualitätssicherung für „Wer du warst“ ein Anliegen – denn Trauerredner ist kein geschützter Begriff. Die Rednerinnen und Redner der Traueragentur müssen daher eine Ausbildung mit Qualitätsstandards mitbringen – wie sie etwa von der Industrie- und Handelskammer angeboten wird. „Wer du warst“ arbeitet mit der IHK zusammen und erarbeitet auch für bereits tätige Trauerredner so genannte Masterclasses zu bestimmten Themen wie etwa Trauerfeiern und Trauerreden für tot geborene Kinder oder nach Suiziden. „Da ist besondere Sensibilität gefragt, weil da eben auch viele Ebenen wie etwa Schuldgefühle eine Rolle spielen“, so Breese. Gerade weil immer mehr Menschen Trauerredner engagieren, sei es ihnen wichtig, über ein Akademieprogramm Qualität nicht nur zu sichern, sondern auch zu verbessern.

Maori-Tänze im Friedwald

Das geht nicht ohne Idealismus. „Denn reich wird man damit nicht“, sagt Giefer. Zwölf Stunden veranschlagen sie mindestens und berechnen dafür 500 Euro. Wenn sie zu einer Familie kommen, hören sie etwa drei Stunden zu und lassen sich das Leben in seinen schwierigen und schönen Phasen erzählen, versuchen den Charakter zu erfassen. „Das ist nicht nur Biografiearbeit, sondern auch ein kleines Stück Trauerbegleitung. Ich setze mich zu jemandem und bin für ihn da“, sagt Kathie Knees.

Das Schreiben der Rede dauere dann bis zu fünf Stunden, dazu kommt noch die Organisation der Trauerfeier und die Trauerfeier selbst. „Aber mit dem Verlassen des Friedhofs ist die Verbindung eigentlich nie beendet“, erzählt Knees. Man hört fast immer noch voneinander, bekommt eine Rückmeldung, wie es den Trauernden ergangen ist und wie sie ihren Verstorbenen in der Rede wiedergefunden haben. Das sei ungemein wertvoll, meint sie. Und macht sich auf zu einer Trauerfeier mit Bestattung im Friedwald.

Die Verstorbene habe leidenschaftlich gerne getanzt und getrommelt, erzählt sie. Auch im Wald soll ihr zu Ehren getanzt werden: japanischer Tanko-Tanz und neuseeländische Tänze der Maori. „Die hat sie besonders geliebt.“

www.werduwarst.de

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