„Erstunken und erlogen“Häftling soll Wärter in Köln schwer verletzt haben

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Dennis W. am Freitag im Gerichtssaal

Dennis W. am Freitag im Gerichtssaal

Köln – Dennis W. gilt als hochgefährlich. Als er am Freitag den Sitzungssaal 2 des Kölner Landgerichts betrat, trug der mehr als 1,90 Meter große und muskelbepackte Angeklagte Fesseln an Händen und Füßen und wurde von zwei vermummten Justizwachtmeistern begleitet. Im Prozess geht es – neben Beleidigungen von Wärtern der JVA Düsseldorf – vor allem um einen Gewaltausbruch am 30. August im Kölner Gefängnis in Ossendorf.

Die Anklage: Gegen 21 Uhr, als die Gefangenen in ihre Zellen eingeschlossen wurden, bat Dennis W. einen Wärter um Zigarettenpapier, bekam es aber nicht. Vor Wut riss er die Tür des Zellenschranks aus den Angeln und schmetterte sie auf den Boden. Zwei weitere Beamte kamen dazu. Er warf einen Stuhl in ihre Richtung. Als ihn einer der Männer, hünenhaft wie er selbst, zu Boden brachte, wehrte er sich heftig. Er schlug ihm zweimal mit der Faust ins Gesicht, so dass der Kopf ans Bettgestell schlug.

Schulter des Wächters ausgekugelt

Im Kampf kugelte eine Schulter des Wächters aus, die Gelenkpfanne brach. Länger als fünf Monate war er dienstunfähig. Die anderen Beamten, die Dennis W. auf dem Boden festgehalten hatten, waren nur ein paar Tage krankgeschrieben. Soweit die Vorwürfe.

In einer Meldung, die der Bereichsleiter verfasst hatte, heißt es, der Gefangene sei nach der Ablehnung, ihm die Blättchen für Tabak zu verschaffen, sofort „auf 180“ gewesen und habe Beleidigungen von sich gegeben. Die Vollzugsbeamten hätten sich bemüht, „deeskalierend zu wirken“, doch die Situation habe sich „hochgeschaukelt“. Entsprechend äußerten sich am Freitag Zeugen.

Dennis W. sieht sich als Opfer

Dennis W. sieht sich nicht als Täter, sondern als Opfer. Vor allem auf die Aussage des Beamten, der ihn als erster überwältigt hatte, reagierte er wütend: „Das ist erstunken und erlogen.“ Stattdessen sei Folgendes passiert: Er habe einen Wärter gebeten, ihm von einem Mitgefangenen etwas zu besorgen, und der habe die Bitte vergessen. Deshalb habe er nach dem Einschluss mehrmals an die Wand geklopft, um sich bemerkbar zu machen.

Dann sei die Zellentür aufgegangen, und der hünenhafte Wärter, kampfbereit mit Quarzsand gefüllten Handschuhen an den Händen, habe ihn beleidigt und bedroht. Zwar habe er Beleidigungen zurückgegeben, sagte der Angeklagte, aber „zu keinem Zeitpunkt einen Bediensteten angegriffen“, im Gegenteil: Er sei misshandelt und schwer am Knie verletzt worden.

„Es ist das erste Mal, dass ich etwas vor Gericht abstreite“, sagte der 29-Jährige. Zu verlieren habe er nichts mehr, er habe ohnehin mehr als 15 Jahre Gefängnis vor sich. Zum einen ist er wegen Raubüberfällen auf Supermärkte verurteilt worden, zum anderen dafür, dass er bei einem Fluchtversuch aus der LVR-Klinik Bedburg-Hau mit einem Komplizen einem Pfleger ein Stück eines Ohrs abgeschnitten hat.

Leben von Drogensucht bestimmt

Verteidiger Thomas Ohm sagte, zum ersten Mal sei sein Mandant mit 14 Jahren in Untersuchungshaft gekommen. Von Anfang an sei dessen Leben von Drogensucht bestimmt gewesen. Während der Schwangerschaft habe die Mutter Heroin konsumiert, so dass Dennis W. „als abhängiger Mensch auf die Welt gekommen“ sei.

Der Eindruck, er sei den JVA-Beamten wegen seiner Körperkraft überlegen gewesen, täusche. Damals sei er schmächtiger gewesen. Die Muskeln habe er sich in der Zelle antrainiert. Von den Mithäftlingen sei er isoliert: „Außer zu seinem Verteidiger hat er eigentlich keine Sozialkontakte.“ Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.

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