Interview mit Wolfgang Bäcker„Godorf ist und bleibt ein Dorf“

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Wolfgang Bäcker ist Godorfer Veedelsforscher. 

  • Wolfgang Bäcker hat vier Chroniken über sein Veedel herausgebracht und den Wandel des Stadtteils mitverfolgt

Köln-Godorf – Einst war Godorf nicht viel mehr als ein großes Feld. Die erste offizielle Erwähnung geht auf eine Urkunde des Erzbischofs von Köln aus dem Jahr 1197 zurück. 1735 errichtet der Brühler Müller Jakob Stemmel eine Mühle, die den gesamten Ort überragte. Der Nachfolgebau von 1849 war noch lange ein Wahrzeichen des Stadtteils.

1844 fuhr schließlich die erste Eisenbahn von der Domstadt über Brühl nach Bonn. Unternehmen und Fabriken siedelten sich an, größere Bauten wurden errichtet. Heute ist Godorf geprägt von der Industrie. Die riesigen Werke des Mineralölkonzerns Shell und des Kunststoffproduzenten Lyondell-Basell dominieren das Bild. Wolfgang Bäcker hat vier Bände über die Geschichte seines Veedels herausgebracht und fühlt sich zwischen all den Industrieanlagen und Schornsteinen sehr wohl. Zudem war er rund 20 Jahre im Vorstand der Bürgervereinigung Goding. Der 63-Jährige lebt in seinem einstigen Elternhaus unweit der Shell-Raffinerie.

Herr Bäcker, Sie wohnen Ihr ganzes Leben schon im Stadtteil. Was hat sich in Godorf in all den Jahren verändert?

Ganz klar die Infrastruktur. Früher hatten wir etliche Wirtshäuser, mehrere Bäcker, zwei bis drei kleinere Lebensmittelläden und ein Geschäft, das Stoffe und Kleinkram verkauft hat. Die großen Discounter wie Aldi, Edeka und Metro gab es nicht. Hinzu kamen der Autobahnanschluss, die Bahnanbindung – und aus der Hauptstraße wurde eine Sackgasse.

Wie würden Sie die heutige Infrastruktur beschreiben?

Wir haben jetzt viele große Geschäfte hier – Ikea, Metro und andere. Dank der Bahn und Autobahn ist die Verbindung perfekt.

Woher kommen Ihr Interesse und Engagement für das Veedel?

Angefangen hat es damals mit dem Kampf gegen den Hafenausbau. Ich bin daraufhin in den Bürgerverein eingetreten. Ende der 1990er Jahre bin ich in den Vorstand aufgerückt. Darin war ich fast 20 Jahre. Irgendwann war es dann genug, ich hatte noch private Pläne und weniger Zeit. Ich bin aber immer noch Mitglied.

Wie kam es dazu, dass Sie Chroniken über den Stadtteil verfasst haben?

Irgendwann ist mir so ein kleines Heftchen über die Anfänge Godorfs in die Finger gekommen. Das sah ziemlich schäbig aus und war nur ein paar Seiten dick. Ich wollte es einfach in einem neuen Design gestalten. Inhaltlich war das ja sehr gut, aber ich habe Fotos zusammengesucht und das Ganze ansehnlicher gemacht. Mittlerweile haben wir vier Chroniken rausgebracht. Ob ich mir aber noch mal die Arbeit mache, weiß ich nicht. Viele, die mittlerweile nach Godorf gezogen sind, haben nicht mehr so den Bezug zum Stadtteil – die sind eben woanders aufgewachsen.

Schon früh spielte die Industrie eine große Rolle bei der Entwicklung des Veedels. Wie ist das Verhältnis der Bewohner zu den hiesigen Unternehmen?

Die sind sehr kooperativ. Vor allem während meiner Zeit im Vorstand des Bürgervereins hatte ich immer wieder Kontakt zu Shell, Lyondell-Basell oder Ikea. Die waren stets recht aufgeschlossen und haben uns zum Beispiel finanziell bei Festen und Veranstaltungen unterstützt. Aber nicht nur die großen, auch die kleineren und mittelständischen Unternehmen haben sich immer beteiligt.

Inwieweit prägt die Industrie das alltägliche Leben?

Sie ist vor allem gut zu sehen. Noch bis vor kurzem ragten die riesigen Kühltürme von Shell hier über die Häuser hinweg. Sie waren eine Art industrielles Wahrzeichen für uns, die Mühle ist ein historisches. Trotz vieler Veränderungen im Veedel sind sie geblieben.

Was hält Sie in Godorf?

Ich habe hier Haus und Hof und all die Bekannten. Woanders müsste ich mir das alles erstmal aufbauen. Ich habe früher Fußball um die Ecke gespielt, kenne die Leute aus dem Bürgerverein. Godorf ist und bleibt eben ein Dorf.

STECKBRIEF

Was mir an Godorf gut gefällt: Ich bin hier geboren, ich kenne die Leute und bin mit allen vertraut. Das ist verbesserungswürdig: Es wäre toll, wenn wir einen Versammlungsraum hätten, wo wir uns treffen könnten. Früher waren das die Kneipen, aber das gibt es so nicht mehr. Vielleicht kümmere ich mich mal darum, wenn ich in Rente bin. Mein Lieblingsort im Stadtteil: Zum einen bin ich natürlich gerne in meinem Garten, aber ansonsten gehe ich gern zum Rhein. Der ist nur wenige Meter entfernt.

Zur Person

Wolfgang Bäcker ist 63 Jahre alt, verheiratet, hat zwei erwachsene Söhne. Der Godorfer hat seine Lehre zum Werkzeugmacher bei der Sürther Maschinenfabrik Linde gemacht. Er arbeitet heute beim Nachfolgeunternehmen Atlas Copco. 25 Jahre lang hat er Eishockey bei den Rheinischen Eispiraten gespielt.

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