„In Äthiopien sind wir die größte christliche Gruppe“

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Longerich –  „Äthiopien erhebt seine Hände zu Gott“ – das ist die stolze, von einem Bibel-Psalm abgeleitete Losung der Äthiopisch-Orthodoxen Kirche in Deutschland. Insgesamt 15 Gemeinden gibt es über die Republik verteilt; doch in Longerich ist das Zentrum: Vor 35 Jahren wurde die Kirchengemeinde von christlichen äthiopischen Einwanderern ins Leben gerufen. Seit 2010 gehört ihr die frühere evangelische Lutherkapelle – heute St.-Mikaels-Kirche – am Lindweilerweg 96, in der sie auch schon seit ihrer Gründung im Jahr 1983 Gottesdienste abhielt. Von Anfang an mit dabei ist Erzpriester Dr. Merawi Tebege, der die Gemeinde gründete und seitdem leitet. Am Samstag und Sonntag, 17. und 18. November, feiert die Gemeinde ihr Patronatsfest, zu dem alle eingeladen sind.

Herr Tebege, von wo reisen die Gemeindemitglieder an, die zu den Gottesdiensten in Longerich kommen?

Sie kommen aus einem sehr großen Umkreis. Unsere nächste Gemeinde ist in Düsseldorf, die weiteren vor allem in Süddeutschland. Aber Köln ist die Mutter aller Gemeinden.

Die Erzengel-Statue vor der äthiopischen Kirche.

Die Erzengel-Statue vor der äthiopischen Kirche.

Wie viele äthiopisch-orthodoxe Christen leben ungefähr in Deutschland und in Köln?

In Köln haben wir einige Hundert – ungefähr 550 – Familien, sowie weitere im Rest von Nordrhein-Westfalen. In Deutschland insgesamt leben 30 000 bis 35 000 äthiopische Christen, sie sind aber sehr weit verstreut. In Äthiopien stellen wir rund 60 Prozent der Bevölkerung und sind die größte religiöse Gruppe, gefolgt vom Islam.

Was sind Ihre Lieblingsorte in Köln und in Longerich?

Von Anfang an dabei: Merawi Tebege

Von Anfang an dabei: Merawi Tebege

Den großen Park im Stadtteil mag ich sehr gerne. Dort jogge ich sogar manchmal noch. Aus unserer Gemeinde nehmen auch etliche Mitglieder am Köln-Marathon teil. Bei uns Äthiopiern ist Laufen ein beliebter Sport, wir stellen viele Weltmeister und Olympiasieger. Und das Verhältnis zu den anderen Kirchen ist übrigens sehr, sehr gut – in Longerich leben wir die Ökumene.

Das einst sehr arme Äthiopien erlebt ja seit einigen Jahren einen wirtschaftlichen Aufschwung; in Addis Abeba ging ein Straßenbahn-System ans Netz. Sind die Entwicklungen auch Thema in der Gemeinde?

Ja, der Aufschwung, der seit einiger Zeit eingesetzt hat, ist auch bei unseren Gesprächen in der Gemeinde ein Thema. Unser neuer Premierminister ist sehr gut, er will trotz einiger Probleme Frieden schaffen. Wir hoffen, dass es gut weitergeht.

Was hat Sie in jüngerer Zeit außerdem beschäftigt?

Über die zum Lutherjahr 2017 veröffentlichte neue Fassung der evangelischen Luther-Bibel habe ich mich in einem Punkt geärgert: Im Alten Testament ist der Name Äthiopiens durch „Kusch“ ersetzt, die Flussnamen sind jedoch konkret benannt; im Gegensatz etwa zur englischsprachigen Fassung der Bibel. Mit Kusch kann jedoch niemand etwas anfangen, der keinen historischen Hintergrund hat. Da wäre es besser gewesen, man hätte den Namen Äthiopien verwendet. Wir sind ein sehr altes Land mit langer Tradition.

ZUR PERSON

Der Erzpriester Dr. Merawi Tebege (77) ist Oberhaupt der Äthiopisch-Orthodoxen Kirche in Deutschland und leitet die Kölner Gemeinde in der St.-Mikaels-Kirche. Er kam vor fast 40 Jahren nach Deutschland und studierte in Heidelberg. Nach der Rückkehr von seiner Reise ins Heimatland freut er sich auf das Patronatsfest am 17. und 18. November, zu dem die Gemeinde herzlich einlädt.

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