„Merke Dir den Namen”Mutter des getöteten Kochs reist für Kölner Prozess aus China an

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Der Angeklagte beim Prozessauftakt

Köln – Zeugin Nr. 51 ist weit gereist: Schon vor ein paar Tagen hat sich Guixiang Y. (56) in Begleitung ihres Schwagers auf den Weg gemacht, um von China nach Deutschland zu reisen. Knapp 10000 Kilometer Luftlinie und elf Stunden Flugzeit hat die Bäuerin aus der Provinz Jilin im Nordosten der Volksrepublik nach Köln hinter sich gebracht, um in Saal 32 des Landgerichts laut wehklagend „Gerechtigkeit für meinen Sohn“ zu fordern.

Und das tut die kleine, zierliche Frau mit schmerzverzerrtem Gesicht und am ganzen Körper zitternd so heftig, dass ein halbes Dutzend Wachtmeister in den Saal läuft, um nur mit großer Mühe die Situation in den Griff zu bekommen. Der Schmerz , die Trauer und das ganze Leid der Frau, die ihren Sohn auf so schreckliche Weise verloren hat, wird der Mutter durch die Gerichtsverhandlung noch einmal vor Augen geführt.

Die Chinesin ist die Mutter des getöteten Kochs Haiyang S. (28), dessen zerstückelte Leiche 2016 und 2017 in Köln an verschiedenen Stellen in Plastiksäcke verpackt aufgetaucht war.

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Anreisen aus einem anderen Kontinent mit mehreren Tagen Aufenthalt und entsprechenden Übernachtungskosten sind eher die Ausnahme für Zeugen, die vor Gericht erscheinen müssen. Im Mordprozess vor dem Landgericht gegen Koch Jitang W. (38), der seinen jüngeren Kollegen laut Anklage aus Rache getötet haben soll, sah die Strafkammer die Anreise der Mutter allerdings als zwingend an, denn die Beweise in dem reinen Indizienprozess sind mehr als dürftig.

Obwohl die Mutter noch im September vergangenen Jahres von den chinesischen Behörden im Rahmen eines Rechtshilfe-Ersuchens ausführlich vernommen worden war, musste sie persönlich erscheinen. Ob die Kammer nach ihrer Vernehmung so viel schlauer ist als vorher, sei dahingestellt.

Mutter wusste von Streitigkeiten

Die Mutter war einer der letzten Menschen, die mit Haiyang S. persönlich per Video-Chat Kontakt hatte. „Wir haben jede Woche einmal telefoniert“, betont Y. den regelmäßigen Kontakt zu ihrem Sohn. Er habe ihr stets berichtet, wie gut es ihm in dem Familienbetrieb des Lokals gehe, wo er nicht nur Arbeitnehmer sei, sondern wie ein Familienmitglied behandelt werde.

Über die Streitereien mit dem Angeklagten informierte er die Mutter ebenfalls, Jitang W. habe ihn „geschlagen und an den Haaren gezogen“. Zwei Tage, bevor Haiyang S. für immer verschwand, telefonierte er noch mit der Mutter, das ergeben Chat-Protokolle. „Wenn mir was passiert, merke Dir den Namen von Jitang“, sagte er und fügte hinzu: „Aber alleine schafft der das nicht. Merk Dir auch den Namen vom Bruder der Chefin.“

„Gefährliche Werkzeuge und Waffen”

Der Hinweis auf einen zweiten möglichen Täter ist neu im Prozess. Als die Mutter nach dem 12. Juli, der geplanten Heimreise von Haying S., hilfesuchend im Restaurant anrief und in ihrer Verzweiflung erklärte, persönlich in Deutschland nach ihrem Sohn suchen zu wollen, habe der Bruder der Gastronomin am Telefon barsch erklärt: „Sie werden ihn nicht finden und nie mehr sehen.“ Die Mutter ist sich sicher: Ihr Sohn „habe geahnt, dass ihm etwas Schlimmes passiert“. Auch habe er über „gefährliche Werkzeuge und Waffen“ des Bruders der Gastronomin berichtet, ihr aber gleichzeitig den Mund verboten: „Das muss geheim bleiben.“

Und es wird noch ein weiterer Name genannt sowie ein mögliches Motiv: Der Lehrmeister des Opfers, Tao H., habe sich von seinem Schüler Geld geliehen, um ein Restaurant in China aufzumachen. Unklar ist, ob er das Geld je zurückzahlte. Auch Tao H. war mit Haiyang S. am Arbeitsplatz aneinandergeraten und hatte freiwillig das Handtuch geworfen, weil er die Launen seines Schülers nicht mehr ertragen wollte.

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