Präsident des 1. FC KölnVeedelspaziergang mit Werner Spinner

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FC-Präsident Werner Spinner

FC-Präsident Werner Spinner

Lindenthal – Die Tür zum Krieler Dömchen steht offen, an Freitagnachmittagen ist das neuerdings immer so. Als Werner Spinner den Altarraum betritt, legt Hubert Salentin sein Buch beiseite. „Herr Spinner! Was macht der FC denn hier?“ Salentin ist eines der Gemeindemitglieder, die in Kölns zweitältester Kirche Wache halten. Salentin kennt Werner Spinner, den FC-Präsidenten. Allerdings teilt er auch eine gemeinsame Vergangenheit mit dem Privatmann Werner Spinner, der zurzeit ein wenig zu verschwinden scheint hinter der Wucht seines Amtes: Beide waren Ministranten hier. Spinner ist fünf Jahre jünger als Salentin, aber sie hatten mit den gleichen Menschen zu tun, spielten am selben Kickertisch im Gemeindehaus hinter der Kirche, kennen hier jede Gasse.

Zeitreise in die Jugend

Von einem Moment zum nächsten entsteht ein lebhaftes Gespräch. Die Herren unternehmen eine Zeitreise, zurück in ihre Jugend auf den Straßen Lindenthals. Sie hauen einander auf die Schultern, lachen, rufen immer wieder: „Dat jiddet doch jar nit!“ Und es dauert nicht lange, bis Salentin verwundert feststellt: „Wirklich, Herr Spinner – ich wusste ja gar nicht, dass Sie Kölner sind!“ Schnell entzündet Spinner noch eine Kerze. Die Rückkehr des FC in die Erste Liga ist vollendet, ein wenig Schutz von oben wird in der nächsten Saison nicht schaden. „Merkst du dir, ja?“ sagt Spinner und richtet den Blick nach oben.

Der Spaziergang durchs Veedel führt uns auch vor das Elisabeth- Krankenhaus in Hohenlind, Spinners Geburtshaus. „Ich war ein Wiedersehenskind. Mein Vater war bis 1948 in französischer Kriegsgefangenschaft. Im Oktober 1948 kam ich zur Welt.“

Der Vater hatte bei seiner Rückkehr aus Frankreich noch 40 Kilo gewogen – bei einer Größe von 1,82 Metern. „Wir haben nie viel über den Krieg geredet. Aber solche Erlebnisse kriegt man wohl nicht mehr aus dem Kopf.“

Die erste Wohnung der Familie hatte ein Zimmer. Wie viele Zimmer sein heutiges Heim hat, kann Werner Spinner spontan gar nicht sagen. Er ist ein wohlhabender Mann geworden, „wenn ich daran denke, was wir heute alles haben – verrückt“, sagt er.

Unweit des Krankenhauses steht die Grundschule an der Freiligrathstraße, Spinners erste Klassenlehrerin hieß Frau Beckmann, „die war immer unheimlich geschminkt“, erinnert er sich. Die Schulzeit war nicht immer ganz einfach für ihn. „Ich hieß Spinner, hatte abstehende Ohren und mir beim Rollschuhlaufen soweit alle Frontzähne ausgeschlagen. Ich war also so ziemlich das Attraktivste, was in Köln rumlief.“ Neue Zähne waren bald besorgt, Spinners Vater fand eine gute Anstellung. Es ging ihnen gut. Und die Ohren ließ er sich anlegen – in der Bundeswehrzeit.

Der Name blieb, doch Werner Spinner scheint sich gut arrangiert zu haben damit. Er kommt extrem schnell ins Gespräch, gewinnt seine Gesprächspartner. Ist ein Menschentyp. Auf die Personalentscheidungen komme es an, sagt er. Die richtigen Leute auszusuchen. Das hat er mitgenommen, aus dem Vorstand eines Weltkonzerns zu einem Fußballverein in Existenznot. Es sah nicht gut aus für den 1. FC Köln. Jedenfalls deutlich schlechter, als er erwartet hatte. „So etwas war mir in meinem Berufsleben zuvor nie passiert“, sagt er. Es drohte das Aus. Sehr konkret. Seit Spinners Amtsantritt hat der 1. FC Köln seine Geschäftsführer, den Trainerstab und den Leiter des Scoutings ausgetauscht. Wenn man Spinners Wirken anhand seiner Personalentscheidungen messen will, ist seine Präsidentschaft bislang ein Erfolg. Doch gemütlich ist es nicht für seine Leute, so zufrieden er auch sein mag mit ihnen. „Ich bin zwar nett. Aber ich gebe mich nicht mit Durchschnitt zufrieden. Ich kann sehr anstrengend sein.“

Wir passieren Spinners Elternhaus an der Ecke von Freiligrathstraße und Lindauer Straße. Das Eckhaus hat er vor vielen Jahren verkauft. Heute ärgert er sich ein bisschen darüber, offenbar hat er die Entwicklung des örtlichen Immobilienmarktes damals unterschätzt. Das Objekt wäre heute wohl das Doppelte wert.

Wir gehen weiter bis zum Hermeskeiler Platz. Damals, vor dem Vereinsfußball, spielten die Straßen gegeneinander: Schmitburgstraße gegen Brunkensteinstraße; Neuenhöfer Allee gegen Fustenburgstraße. In der D-Jugend ging er zum noch jungen 1. FC Köln, doch ernsthafter Fußball und Schule funktionierten nicht nebeneinander. Zwei Blaue Briefe beendeten Spinners Karriere: „Mathe und Latein – da haben mich meine Eltern abgemeldet.“ Und zwar nicht von der Schule.

Liebe zum FC nie erloschen

Sein erstes FC-Spiel sah er noch im alten Müngersdorfer Stadion. Die Karten hatte er bei den Bundesjugendspielen gewonnen. Köln spielte gegen den Meidericher SV aus Duisburg. Die Liebe zum Verein war entfacht – und sie erlosch auch nicht, als Spinner in den Achtzigern und Neunzigern viele Jahre in den USA lebte. Er verfolgte das wechselhafte Schicksal des Vereins, verfolgte die Spiele mit seinen Söhnen von den teuren Plätzen der Westtribüne aus und wäre wohl nie auf die Idee gekommen, Verantwortung zu übernehmen für den FC. Dann kam das Jahr 2012 und die Anfrage, Präsident zu werden. Spinner sagt, dass es zu den Qualitäten einer Führungskraft gehöre, Nein sagen zu können, „denn Ja sagen kann doch jeder“. Und auch dem Werben des 1. FC Köln erteilte er zunächst eine Absage. Doch diesmal ließ er sich sein Nein ausreden. „Ich habe eine Schwäche: Ich bin Kölner – und ich habe ein Helfersyndrom. Man konnte den Verein doch nicht führungslos lassen.“ Er kam unvorbereitet ins Amt. „Ich habe immer geschaut: Na – wer wird die arme Sau?“ Am Ende war er es selbst. „Dabei hatte ich eigentlich so ein schönes Leben.“

In Spinners Dienstwagen unternehmen wir einen Abstecher nach Junkersdorf, noch tiefer in den Westen. Vorbei am Stadion, vorbei am Haus der Familie Spinner am Vogelsanger Weg, wo er mit seiner zweiten Frau und zwei seiner vier Kinder lebt. Spinners Fahrstil ist berüchtigt; er verliert wenig Zeit, wenn er auf vier Rädern unterwegs ist. Ein paar Hundert Meter weiter, jenseits der Aachener Straße, besuchen wir seine Stammkneipe „Bei mir zu Haus“, eine Hochburg des FC-Fantums. Spinner hat hier ein Heimspiel, Wirt Ali Hachicha empfängt ihn mit begeisterten „Präsident, mein Präsident!“-Rufen. Spinner bestellt Kölsch und Mettbrötchen. „Der Kölner Westen ist meine Heimat“, sagt er. Für ein paar Jahre sei er nach Bergisch Gladbach gezogen, lange ausgehalten hat er es nicht dort. „Das war mir zu viel Gegend.“

Seine Zuflucht findet er heute auf der Nordseeinsel Juist. Im Jahr 2003 verließ er den Vorstand der Bayer AG, Werner Spinner bezeichnet sich mittlerweile als Rentner. Noch immer sitzt er in diversen Aufsichtsräten, weshalb er oft unterwegs ist – ein Rentner mit Senator-Vielfliegerstatus.

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