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100 Ideen für KölnJuniorprofessorin Henrike von Scheliha wünscht sich einen Zukunftsrat

4 min
Henrike von Scheliha im Gespräch

Juniorprofessorin Henrike von Scheliha

Henrike von Scheliha wünscht sich eine stärkere Beteiligung junger Menschen in Köln. Dabei soll ein Zukunftsrat helfen.

Henrike von Scheliha, geboren 1992, hat in Köln und Paris Jura studiert. Sie ist Juniorprofessorin für Bürgerliches Recht an der Bucerius Law School in Hamburg und war zuvor als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bundesverfassungsgericht tätig. Ihre Idee für Köln ist die Weiterentwicklung eines Vorschlags, den sie im Juni beim Jubiläum des deutsch-französischen Studiengangs Rechtswissenschaften (DFM) der Universitäten Köln und Paris 1 Sorbonne-Panthéon vorgetragen hat. Henrike von Scheliha ist Absolventin des DFM. Wir haben mit ihr im Rahmen unserer Serie „100 Ideen für Köln“ gesprochen. (jf)

Was ist meine Idee für Köln?

Für eine stärkere Beteiligung junger Menschen sollte Köln einen „Zukunftsrat“ einrichten, ein Gremium aus gewählten Mitgliedern unter 30 Jahren mit vielfältigen Hintergründen, das sich in kommunalen Entscheidungsprozessen für den Erhalt von künftigen Freiheitsräumen einsetzt.

Die Idee eines Zukunftsrats wurde ursprünglich für die Bundesebene konzipiert, um den Verfassungsauftrag umzusetzen, bei den Entscheidungen der Gegenwart (auch) die Zukunft in den Blick zu nehmen. Diese grundgesetzliche Verpflichtung hat das Bundesverfassungsgericht in jüngerer Zeit verschiedentlich angemahnt, etwa im Klimabeschluss oder in der Entscheidung zu den Schulschließungen während der Corona-Pandemie. Kinder und Jugendliche haben, untechnisch gesprochen, ein „Recht auf Zukunft“ Köln steht – wie alle anderen Kommunen – in der Verantwortung, den Verfassungsauftrag ernst zu nehmen. Ein kommunaler Zukunftsrat wäre ein innovativer Schritt, diesen Auftrag auf städtischer Ebene umzusetzen – und könnte bundesweit als Vorbild dienen.

Warum wäre meine Idee gut für Köln?

In Parlamenten, Kommunalverwaltungen und in der Zivilgesellschaft – so auch in Köln – haben überwiegend ältere Menschen das Sagen. Die Generation, die die Hoffnungen und Lasten der Zukunft trägt, entscheidet nicht mit – und wird angesichts der sinkenden Geburtenraten und einer Altersstruktur, bei der im Jahr 2035 fast die Hälfte der Menschen über 60 sein wird, immer weniger mitentscheiden. Zudem verleitet unser demokratisches System mit periodischen Wahlen dazu, der Zukunft die Gegenwart vorzuziehen und kurzfristige Wahlerfolge über nachhaltige Strategien zu stellen: neue Straßen statt nachhaltiger Mobilität, Prestigeprojekte statt sozial gerechter Stadtentwicklung.

Wenn in Köln Straßen und Brücken verrotten, das Grundwasser verschmutzt ist, Schulen, Kliniken und Bahnhöfe verfallen, dann sinkt das Bildungsniveau, die medizinische Versorgung verschlechtert sich, Transportmöglichkeiten brechen weg, und das Leitungswasser wird ungenießbar. Es werden unumkehrbare Zustände geschaffen, die die tatsächlich freien Entscheidungen künftiger Bürgerinnen und Bürger, aber auch künftiger Stadträte und Verwaltungen einschränken oder sogar ausschließen. Ein Zukunftsrat könnte dabei helfen, diese Entwicklungen frühzeitig zu verhindern und eine generationengerechte Politik zu gestalten.

Demokratietheoretisch funktioniert es zwar nicht so, dass die Mitglieder einer Gruppe ausschließlich deren Interessen vertreten. Doch ihre Perspektiven und Anliegen kommen stärker zum Tragen, wenn diese Gruppe auch in den Entscheidungsprozessen vertreten ist. Wenn ältere Menschen Zukunftsthemen vertreten, ist das genauso wenig dasselbe, wie wenn Männer Anliegen von Frauen vertreten. Es macht einen Unterschied – in der Themensetzung, der Diskussion und der Abstimmung. Junge Menschen eint – bei aller Vielfalt ihrer Interessen – das Ziel, in den kommenden Jahrzehnten unter ökologisch, ökonomisch und demokratisch tragfähigen Bedingungen selbstbestimmt leben zu können.

Ein Zukunftsrat in Köln könnte den Anfang einer neuen, generationengerechten Politik markieren, die den Rechtsstaat und die Freiheit künftiger Bürgerinnen und Bürger schützt – dort, wo sie beginnt: vor unserer Haustür. Wenn man es ernst meint mit Freiheit, Gleichheit und Demokratie, ist eine zukunftsbezogene Ausrichtung der Politik durch Einbeziehung der jungen Generation dringend erforderlich, auch in Köln.

Wie könnte die Umsetzung gelingen?

Für die Einrichtung des Zukunftsrats braucht es Anpassung der städtischen Hauptsatzung sowie eine Änderung der Geschäftsordnung des Rates, damit die Beteiligung der jungen Generation normativ verankert wird. Beides erfolgt durch Ratsbeschluss. Ein Grundstein ist dabei bereits gelegt: In Paragraf 12b der Hauptsatzung ist verankert, dass Köln eine kinder- und jugendfreundliche Stadt ist und dass in den Bezirken geeignete Beteiligungsforen für Kinder und Jugendliche gebildet werden. Das ließe sich gezielt weiterentwickeln.

Für den Zukunftsrat selbst wäre eine Satzung notwendig, die dem Gremium klare Rechte und Pflichten zuweist: Möglichkeiten zur mündlichen und schriftlichen Stellungnahme; eine Befassungspflicht des Stadtrats, der die Entscheidungshoheit behält, jedoch bei Abweichung von Empfehlungen begründungspflichtig ist; und – bei besonders zukunftsrelevanten Entscheidungen – die Möglichkeit eines aufschiebenden Vetos, um Überarbeitungen von Beschlussvorlagen zu erzwingen.

Wichtig ist, dass der Zukunftsrat demokratisch legitimiert, also von jungen Kölnerinnen und Kölnern gewählt ist. Um effektiv arbeiten zu können, sollte die Gremiengröße 20 Personen nicht überschreiten. Die Tätigkeit müsste hauptamtlich ausgeübt werden. Eine Amtszeit von vier Jahren und ein Ausschluss von Wiederwahlen kann der Fokussierung auf Kurzzeitinteressen entgegenwirken.

Welche Ressourcen oder Beteiligten braucht es dafür?

Wichtig wäre eine enge Verzahnung mit bestehenden Strukturen wie dem Stadtschülerrat, der Gesamtjugend- und Auszubildendenvertretung und dem Allgemeinen Studierendenausschuss. Daneben Räumlichkeiten und Sach- sowie Personalmittel für eine reibungslose Verwaltung und Organisation. Hier können die dem Stadtrat zur Verfügung stehenden Gelder eine Orientierung bieten.