Polizei-EinsätzeNachts nur 18 Streifenwagen für ganz Köln im Einsatz

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Streifenwagen der Polizei.

Streifenwagen der Polizei.

Köln – Ein Blick auf den so genannten Funktionsbesetzungsplan der Polizei Köln – und plötzlich weiß man wieder, warum man Mathematik in der Oberstufe abgewählt hat. Eine Excel-Datei mit Tabellen, Zahlenkolonnen, Zeitachsen, Balkendiagrammen, Kurven und Kästchen. Die Datei ist sagenhafte 13 Megabyte groß. Sie ist das Herzstück der Polizeiarbeit und der Versuch, knapp 900 Streifenpolizisten so gerecht und sinnvoll wie möglich auf sechs Polizeiinspektionen in Köln und eine in Leverkusen zu verteilen.

Herr der Zahlen ist Michael Temme, Leiter der Direktion Gefahrenabwehr/Einsatz. Wie viele Beamte zu welcher Zeit wo Streife fahren, möchte er „aus taktischen Gründen“ nicht konkret preisgeben. Nur so viel bestätigt er: Pro Polizeiinspektion patrouillieren immer mindestens drei Streifenwagen mit je zwei Beamten.

Unter der Woche zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens sind es selten mehr; tagsüber sowie Freitags- und Samstagsnacht dagegen je nach Stadtteil doppelt oder dreimal so viele, in der Innenstadt mitunter sogar noch mehr.

18 nächtliche Streifenwagen in Köln als Minimum – nach Ansicht vieler Beamten ist das zu wenig. „Man hetzt von Einsatz zu Einsatz“, sagt ein Dienstgruppenleiter.

Zeit für präventive Streifenfahrten durch Wohngebiete, in denen häufig Autoknacker oder Einbrecher unterwegs seien, bleibe kaum. Auch nicht für Kontrollen von Autofahrern auf Alkohol und Drogen. Denn die binden in der Regel gleich zwei Streifenwagenbesatzungen: eine, die kontrolliert und eine zweite, die flüchtige Fahrer verfolgt. „Das ist alles auf Kante genäht“, klagt der Schichtleiter.

Sicherheit jederzeit gewährleistet

Direktionsleiter Michael Temme widerspricht. Den Sicherheitsanspruch der Bevölkerung sieht er zu jeder Zeit gewährleistet. In jeder Inspektion gebe es zusätzlich zu den drei Streifenwagen auch noch den Dienstgruppenleiter mit einem Kollegen und Beamte für den Objektschutz, die den Streifenbeamten im Ernstfall zur Hilfe eilen können.

Ein Blick in den Funktionsbesetzungsplan zeigt, dass es tatsächlich viele Nächte gibt, in denen statistisch gesehen zeitweise je nach Inspektion nicht mal ein Einsatz pro Stunde anfällt. Und dennoch, so Temme, dürfe die Schwelle von drei Fahrzeugen pro Inspektion nie unterschritten werden – vor allem zur Sicherheit der Beamten. „Ich dulde es nicht, dass gezielt auf Kante gefahren wird.“

Entwicklung zu „Feuerwehrpolizei“

Die Gewerkschaften werden nicht müde, mehr Personal zu fordern. Rüdiger Thust vom Bund Deutscher Kriminalbeamter kritisiert die Entwicklung hin zu einer „Feuerwehrpolizei“, die nur noch in der Lage sei, einen Einsatz nach dem anderen wegzuarbeiten – wenn überhaupt.

„Das Personal, das mittlerweile für Organisation und Planung eingesetzt wird, ist zu viel geworden, das Personal an der Basis zu wenig“, klagt Thust – nach seiner Ansicht ein grobes Missverhältnis. „Wir brauchen mehr Beamte auf der Straße. Viele Jäger sind des Hasen Tod, das wird immer so bleiben.“

Das NRW-Innenministerium kontert mit dem Hinweis auf die seit Jahren steigenden Einstellungszahlen bei der Polizei. Jürgen Wolff von der Gewerkschaft der Polizei (GDP) in Köln hat „keine Erkenntnisse, dass die Situation derzeit problematisch ist“. Man werde aber sehr genau hingucken. „Wenn es Anzeichen gibt, dass wir nicht hinkommen, sprechen wir mit der Behördenleitung.“

Direktionsleiter Temme betrachtet das ganz nüchtern. Man könne eben „jede Personalstunde nur ein Mal verteilen“, sagt er. Mit der Folge, dass jeder Beamte, der zu einem bestimmten Zeitpunkt zusätzlich eingesetzt wird, zu einem anderen Zeitpunkt fehlt.

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