300 Tonnen versickertÖlleitungen bei Shell in Köln „teilweise deutlich beschädigt“

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Shell Raffinerie Godorf

Die Shell-Raffiniere in Godorf ist die größte in Deutschland.

Köln – Ein Dreivierteljahr nach dem Bekanntwerden eines monatelangen Öllecks in der Rheinland Raffinerie in Godorf hat ein externes Gutachten dem Betreiber Shell beträchtliche Versäumnisse und Sicherheitsrisiken attestiert. Nach einer eingehenden Bewertung des Sicherheitskonzepts könne die Zuverlässigkeit des gesamten Rohrleitungssystems „derzeit nicht mehr unterstellt werden“, heißt es in dem Bericht, der am Freitag veröffentlicht wurde.

Die sogenannten „Mantelrohre“, also die äußere Hülle zum Beispiel von Ölleitungen auf dem Gelände, seien „teilweise deutlich angegriffen bzw. beschädigt“, sagte Gutachter Christian Jochum. Der Schutz etwa für die darunterliegenden Ölleitungen sei dadurch verloren gegangen und auch weitere Korrosionen an den Rohren seien möglich. Der Shell-Konzern steht im Zugzwang – und damit mitten in einem gewaltigen Sanierungsprozess seiner deutschlandweit größten Raffinerie.

Shell PK

Prof. Dr. Christian Jochum (L) stellt in der Shell Rheinland Raffinerie ein Gutachten zur Rohrleitungssicherheit vor.

300 Tonnen Öl ausgelaufen

Im April dieses Jahres war bekanntgeworden, dass in den zurückliegenden neun Monaten durch eine korrodierte Leitung etwa 300 Tonnen leichten Gasöls ins Erdreich geflossen waren. Etwa 13.000 Quadratmeter Boden des Firmengeländes waren von einer Verunreinigung des Grundwassers betroffen. Schuld waren laut Gutachten offenbar Bauarbeiten im Jahr 2010, durch die das Mantelrohr beschädigt wurde. Jahre später korrodierte die Ölleitung durch eindringendes Regenwasser. Somit entstand ein 1,5 Millimeter großes Loch, durch das das Leichtgasöl mehrere Monate lang unbemerkt im Boden versickerte. Erst im April war der Schaden aufgefallen.

Inzwischen seien zehn Prozent des Öls aus dem Sand-Kies-Gemisch wieder nach oben befördert worden, sagte Geologe Michael Schubert, einer der Gutachter in diesem Fall. An der Unglücksstelle wird der Grundwasserspiegel dafür mittels automatischer Pumpen abgesenkt. Raffinerie-Leiter Marco Richrath gab sich am Freitag betont selbstkritisch zu diesem Vorfall: „Dieser Schaden ist nicht tolerierbar. Wir sind unserem eigenen Anspruch nicht gerecht geworden.“

Weitere Schäden an den Rohren

Wie erst im aktuellen Gutachten festgestellt wurde, war die gleiche Leitung, bei der im August 2019 der folgeschwere Schaden auftrat, schon einmal von einer ähnlichen Panne betroffen. Im März 2019 waren Teile des Rohrs korrodiert und auch damals waren bereits etwa 123 Kilogramm Leichtgasöl ausgetreten. Allerdings griff der für diese Fälle eingerichtete, automatische Auffangmechanismus in einem Rohrgraben.

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Bei einer anschließenden Prüfung durch den Tüv war das 1,5 Millimeter große Loch an anderer Stelle nicht aufgefallen. Die Sachverständigen gaben die Leitung ohne Beanstandung wieder frei. Auch in zwei anderen Leitungen waren im Juni und Oktober dieses Jahres insgesamt 560 Kilogramm Schweröl ausgetreten, das aber auch in ein am Rohr befindliches Auffanglager floss.

Gutachten sieht dringenden Handlungsbedarf

Angesichts dieser nicht allzu weit zurückliegenden Schäden sieht das Gutachten dringenden Handlungsbedarf. Das Hauptproblem bei einem Großteil der kilometerlangen Ölrohre auf dem Gelände ist die unterirdische Lage der Leitungen. Es gebe schlichtweg kein Verfahren, unter Fahrbahnen liegende Rohrsysteme detailliert zu untersuchen, sagte Jochum. Auch bei Ultraschallmessungen könnten solch kleine Risse, die zu dem Ölaustritt von August 2019 an geführt haben, nicht festgestellt werden. Daher müssten die Leitungen dringend aus dem Erdreich an gut einsehbare Bereiche gelegt werden.

In Frage kommen Brücken über Straßen oder Tunnel, in denen die Rohre einsehbar sind. Shell hatte schon 2014 begonnen, im Godorfer Werk die 145 sogenannten Straßendurchführungen in Brücken oder Tunnel umzubauen. Bei 77 steht das noch aus. 26 davon werden derzeit in einer „Sofortmaßnahme“, wie Shell es nennt, geöffnet, um den Zustand der Rohre zu untersuchen. Mit dem Rest des Sanierungsprogramms hatte sich der Konzern noch bis 2034 Zeit gegeben. Nach dem nun vorgelegten Gutachten wolle man aber „massiv schneller werden“, sagte Richrath.

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