AbiturEin teurer Spaß für Kölner Eltern

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Abiball der Liebfrauenschule im Maritim-Hotel.

Köln – Abiball im Gürzenich, Zeugnisübergabe im Stadion, Galabuffets für mehr 30.000 Euro – an vielen Schulen ist das Abitur ein teurer Spaß für Eltern geworden. Zu den Kosten für die opulenten Abiturfeiern an den meisten Kölner Gymnasien kommen teure Stufen- und Abschlussfahrten ins Ausland. Rechnet man alle Kosten zusammen, die da auf Familien zukommen, ist man schnell bei mindestens 1500 Euro, die innerhalb weniger Monate fällig werden.

Für Alleinerziehende oder Familien mit weniger Geld kann das Abi ihrer Kinder zu einer echten Belastung werden. Wenn in den Schulen festgelegt wird, was wann für welchen Preis stattfinden soll, kommen sie oft nicht zu Wort. Und wer sich kritisch äußert, hat schnell die Rolle des Spielverderbers.

Bis zu 1500 Euro pro Schüler

„In vielen Schulen setzten sich bei den Entscheidungsprozessen die Starken durch; andere kommen nicht mehr zu Wort“, sagt auch der Elternsprecher der Kölner Gymnasien Reinhold Goss. Für einige komme es dann bei den Kosten knüppeldick. Eine Auflistung am Beispiel der aktuellen elften Jahrgangsstufe des Hansa-Gymnasiums zeigt, welche Kosten sich da zu einem stattlichen Gesamtbetrag summieren können. In unserer Beispielrechnung sind es rund 1500 Euro.

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Die Abiturienten der Liebfrauenschule feiern im Maritim.

Die Organisation der Abifeiern ist Sache der Schüler. Für die Festlegung der Rahmenbedingungen für die Stufenfahrten ist dagegen die jeweilige Schulkonferenz – also auch Lehrer und Eltern – zuständig. Sie klärt auch, wie Familien mit wenig Geld unterstützt werden können. Oft hilft der Förderverein der Schule oder der Staat mit seinem „Bildung- und Teilhabepaket“. Doch das nützt nur denen, die ganz wenig haben – und funktioniert auch erst dann, wenn sich Eltern trauen, finanzielle Probleme einzugestehen.

Das Hansa-Gymnasium hat sich nun offensichtlich einen ganz neuen Umgang mit dem Problem ausgedacht: Anstatt dafür zu sorgen, dass die Jugendlichen gemeinsam auf Fahrt gehen, gibt es kostengünstige Alternativangebote. So kann man weiterhin für rund 300 Euro plus 100 Euro Taschengeld nach London oder Madrid reisen. Man kann aber auch für 45 Euro an einer „Philosophie-Exkursion“ nach Marburg an der Lahn teilnehmen. Für cirka 30 Euro wird auch – so wörtlich – die „Destination Umfeld Köln und Nachbarstädte“ angeboten. „Vermitteln Sie das mal Ihrem Sohn“, sagt eine Mutter. „Natürlich will da keiner mitmachen, wenn die Kumpel in eine europäische Hauptstadt reisen oder an der Nordsee surfen gehen.“ Deutlicher könne man die soziale Spaltung in einer Schule nicht vorführen.

Dem kommissarischen Leiter des Hansa-Gymnasiums, Niels Menge, scheint die Beschlusslage ein wenig unangenehm: Man stecke „mitten in einem Denkprozess“. Zur Frage, ob das derzeitige Angebot sinnvoll sei, möchte er sich nicht äußern. Das sei „eine interne Angelegenheit“. Intern diskutiert wird offensichtlich auch, ob die Schüler wie in diesem Jahr zweimal innerhalb weniger Monate auf große Fahrt gehen müssen. Auf die Stufenfahrt im 11. Jahrgang folgt nach den Sommerferien die Abschlussfahrt im 12. Jahrgang.

Wenn es um die Kosten für die Abiturfeier geht, sehen sich die meisten Schulleitungen und Lehrer nicht in der Verantwortung. Das führt oft dazu, dass im Bestreben, es mindestens genauso luxuriös zu haben wie der Jahrgang zuvor, Beträge von bis zu 350 Euro pro Schüler aufgerufen werden. In einigen Schulen werden die Kosten durch die Ausrichtung von Vorab-Partys oder Verkaufsaktionen bei Schulfesten reduziert. Auf dem größten Batzen bleiben jedoch die Eltern sitzen. Sie zahlen einen Teil in Raten, der Rest wird über die Eintrittskarten für die Feier eingenommen. „Für einige waren die Kosten so hoch, dass sie nicht zum Abiball kommen konnten“, berichtet eine ehemalige Abiturientin, die für die Finanzierung einer 34 000 Euro teuren Feier eines Gymnasiums im Stadtbezirk Ehrenfeld verantwortlich war.

Ein Ex-Schüler eines Innenstadt-Gymnasiums, der im vergangenen Jahr eine Feier im Gürzenich verantwortet und dafür rund 30 000 Euro verwaltet hat, berichtet, dass über ein Viertel seiner Mitschüler nicht zum Abiball gekommen seien. „Die Gründe dafür sind unklar. Diejenigen, die es sich vielleicht nicht leisten können, sagen es in der Regel nicht.“ An einigen Schulen werden solche Beträge sogar noch übertroffen: Rund 45 000 Euro kann zum Beispiel ein Abend im VIP-Bereich des Rheinenergie-Stadion kosten – Getränke exklusive. „Man kann den Eltern nur raten, sich gegen diese ausufernden Gala-Abiturfeiern zu wehren“, sagt die städtische Schuldezernentin Agnes Klein. Doch das ist leichter gesagt als getan – schließlich sind es die eigenen Kinder, gegen die sich die Eltern wehren müssten.

Elternsprecher Reinhold Goss kritisiert, dass sich die Schulen aus der Verantwortung stehlen und dem „Wahnsinn nicht entgegensteuern“: Es könne doch nicht sein, dass sich Lehrer wegdrehen, wenn die Schüler ihre Entscheidungen treffen und sich hinterher zur Feier einladen lassen. „Das ist auch deren Ding“, so Goss. Die Frage, in welchem Rahmen das Abitur gefeiert werde und ob alle an allem teilnehmen könnten, habe unmittelbar mit dem Bildungsauftrag einer Schule zu tun. 

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