Ärger nach Polizei-Mail„Werde Flüchtlingen nicht sagen, Karneval zu meiden“

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Polizisten auf dem Bahnhofsvorplatz am 11.11.2016.

Köln – Nach der internen Mail der NRW-Landespolizei, in der Flüchtlinge aufgefordert werden Karneval zu meiden, ist die Empörung groß. Jetzt hat sich erstmals die Arbeiterwohlfahrt zu Wort gemeldet.

Der Verband betreut im Auftrag der Bezirksregierung Köln die Zentrale Unterbringungseinrichtung für Flüchtlinge in Leverkusen. „Ich werde unseren Familien nicht sagen, dass sie nicht zum Zug gehen sollen“, sagt Petra Jennen, die in dem Heim die Fachbereichsleitung Flüchtlingshilfe verantwortet. Jennen fühlt sich von dem Schreiben „peinlich berührt“. „Selbst in einer internen Mail dürfen Bezirksregierung und Landespolizei nicht so kommunizieren. Das war zu pauschal und zu undifferenziert.“

Unpassende Formulierung

In besagtem Schreiben hatte das Landesamt für zentrale polizeiliche Dienste NRW (LZPD) in Duisburg Heimleitungen und Betreuern davon abgeraten, Ausflüge zu Karnevalsveranstaltungen für ihre Bewohner zu organisieren. Derlei Aktionen könnten angesichts der aktuellen Sicherheitslage „leider zu unerwünschten Wechselwirkungen“ mit der Bevölkerung führen. Die Heimleitungen mögen ihre Bewohner zudem darauf vorbereiten, die verstärkten Polizeikontrollen „kritiklos über sich ergehen“ zu lassen. Auch letztere Formulierung findet Petra Jennen „sehr unpassend“. „Einem deutschen Bürger würde man so etwas nie sagen.“

Sowohl das Innenministerin als auch das LZPD hatten sich auf Anfrage des Kölner Stadt-Anzeiger umgehend von dem Schreiben distanziert. Eine Sprecherin der Polizeibehörde sprach von einem „internen“und „nicht autorisierten“ Schreiben. Das Innenministerium ließ verlauten: „So etwas geht gar nicht.“ Fragen wirft dies gleichwohl auf: Immerhin ist das LZPD dem Innenministerium direkt unterstellt. Und in der Mail wird ausdrücklich um  "Informationsweitergabe an die Leiter der Landeseinrichtungen" gebeten. Außerdem heißt es dort weiter: „Dass die kommunalen Einrichtungen auf diese Weise nicht erreicht werden können, ist bekannt und mit dem MIK (A1) abgesprochen.“Die Abteilung 1 des Ministeriums für Inneres und Kommunales ist unter anderem für Ausländerangelegenheiten zuständig.

Kölner Politiker äußerten sich am Samstag ebenfalls zu dem Vorfall. Marion Heuser, sozialpolitische Sprecherin der Grünen, sagte via Facebook: „Jetzt sollen Flüchtlinge von Karneval ferngehalten werden? Geht`s hier wieder um das subjektive Sicherheitsgefühl? Es nimmt alles schon seltsame Blüten an.“Und weiter schreibt das Ratsmitglied: „Apropos Sicherheitsgefühl: Man kann gerne mal in den Fußballstadien und mit den Ultras als sogenannte Fans starten. Da fühle ich mich nämlich überhaupt nicht mehr sicher … auch nicht in der Bahn, eingepfercht zwischen Hools und martialisch ausstaffierter Polizei.“

Kölner Piraten schließen sich der Kritik an

Auch die Kölner Piraten schlossen sich der Kritik an. Ratsfra Lisa Gerlach: „Wie weit ist es schon gekommen… Wir Piraten befürworten ausdrücklich, dass Flüchtlingshelfer und -helferinnen den Asylsuchenden die Bedeutung des Karnevals erklären und ihn dann auch mit ihnen feiern - denn nur so kann Integration gelingen.“

Warum sich die Polizei überhaupt bemüßigt fühlte, die Heimleitungen dazu aufzufordern, mit den Flüchtlingen über Karneval zu sprechen, bleibt unklar. Denn das tun die Betreuer in Köln, Leverkusen und anderswo schon seit langem. „Wir haben unseren Bewohnern den Karneval auch schon letztes Jahr und in dem Jahr davor erklärt“, sagt Petra Jennen von der AWO. „Wenn sich Frauen und Männer da bützen, ist das zum Teil schon gewöhnungsbedürftig.“Jennen war mit ihren Flüchtlingen auch im vergangenen Jahr beim Leverkusener Zug und hat dies auch dieses Jahr vor. „Die Leute sollen ja etwas mitbekommen von unserer Kultur, das gehört zur Integration dazu.“

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