Über den Krieg redenAlle Schulen sollen das Geschehen in der Ukraine thematisieren

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Schüler wollen über den Krieg reden.

Köln – Seit der Karnevalspause gibt es an den Kölner Schulen quasi nur noch ein Thema: die Ukraine. Corona ist völlig in den Hintergrund getreten. Plötzlich ist Krieg in Europa. Egal ob an Grundschulen oder an weiterführenden Schulen: Das, was gerade geschieht, führt quer durch alle Altersgruppen zu Verunsicherung und Ängsten.

Das Schulministerium Nordrhein-Westfalen hat schnell reagiert und gleich zu Beginn der Woche in einer Schulmail alle Schulen aufgefordert, das Kriegsgeschehen angemessen im Unterricht zu thematisieren. „Es hilft, dass wir da den Rücken gestärkt bekommen und das auch eindeutig für alle Schulen als Auftrag formuliert ist“, sagt Johanna Schubert, Schulleiterin der Montessori-Grundschule in der Gilbachstraße.

„Aktivität gibt ein Stück Sicherheit in Krisen“

So unterschiedlich die Art und Tiefe der Auseinandersetzung in den verschiedenen Altersgruppen ist: Was für alle gleichermaßen stabilisierend wirkt, ist, an der Schule in die Aktion zu kommen. „Aktivität gibt ein Stück Sicherheit in Krisen“, rät der Schulpsychologe Klaus Seifried auf dem „Deutschen Schulportal“. Das Beste gegen Ängste sei, in der Schule etwas gemeinsam zu tun, das Solidarität mit der Ukraine ausdrücke. Genau das haben viele Kölner Schulen in dieser Woche spontan gemacht: In der Montessori-Grundschule haben die Kinder ganze Schwärme von Friedenstauben gebastelt, die jetzt in den Fenstern hängen. „Symbole schaffen, an die Menschen in der Ukraine denken und im Tun auch Gemeinschaft erleben – das hilft“, erzählt Schulleiterin Johanna Schubert.

Am Dreikönigsgymnasium in Bilderstöckchen hat die Schulgemeinschaft auf Initiative der Schülervertretung spontan eine Menschenkette um die Schule mit allen 800 Schülerinnen und Schülern initiiert. Im Montessori-Gymnasium in Bickendorf wurde kurzfristig eine Sammelaktion gestartet: Die polnische Partnerschule liege genau an der Grenze zur Ukraine, erzählt Schulleiterin Maria Hartmann. Dorthin soll ein privat aus der Elternschaft organisierter Lastwagen aufbrechen, den die Schulgemeinschaft in diesen Tagen mit allem füllt, was die Flüchtenden jetzt dringend brauchen. In einem Raum der Stille können die Schülerinnen und Schüler ihre Gedanken aufschreiben.

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Die Menschenkette um das Dreikönigsgymnasium

Die Schule sei jetzt als stabilisierender Raum immens wichtig, so der Psychologe, zumal viele Kinder und Jugendlichen durch die Corona-Pandemie ohnehin ängstlicher geworden seien und es deutlich mehr psychische Erkrankungen gebe. Lehrkräfte müssten nun vor allem zuhören und durch Raum für Gespräche Orientierung und Sicherheit geben. Dabei sei es wichtig, nicht zusätzlich zu dramatisieren. „Manche Grundschüler haben fast nichts mitbekommen, andere wissen jetzt genau, welche Länder wie am Krieg beteiligt sind und was die Nato ist“, so Schubert. Viele spüren die Ängste der Eltern, die sich überträgt. „Da versuchen wir zu stabilisieren, indem wir neutraler, weniger emotional die Situation erklären.“

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Bei den älteren Schülerinnen und Schülern an den weiterführenden Schulen sind es eher die sozialen Medien, die für einen hohen Erregungs- und Angstmodus sorgen: Auf Instagram wird Angst vor einem 3. Weltkrieg geschürt und auf Twitter trendet #Atomkrieg. Daher ist Medienerziehung auch in diesen Wochen das Gebot der Stunde. Schüler sollen lernen, wie sie seriöse Quellen erkennen und das es wichtig ist, Medienpausen vom Krieg zu machen. Außerdem sollen der Konflikt und seine Entstehung altersgemäß an allen NRW-Schulen behandelt werden: Dazu hat das Ministerium eine ganze Sammlung an Unterrichtsmaterialien zusammengestellt: Von einem didaktischen Koffer mit Materialien zur Ukraine über eine Sammlung politischer und physischer Übersichtskarten bis zum historischen Lesebuch der Revolutionen von 1789 bis zur Maidan-Revolution von 2014.

In der Bildungsmediathek finden sich zudem tagesaktuell aufbereitete Artikel und auch altersgerechtes Material für die Kleinen. Angebote, die von den Schulen gerne angenommen und in den Fächern Politik, Sozialwissenschaften, Geografie und Geschichte genutzt werden. „Wir haben als Kollegium festgelegt, dass das Thema in den Fächern Politik und Sozialwissenschaften jetzt in jeder Jahrgangsstufe behandelt wird“, so Schulleiterin Hartmann. Tim Höttermann, Erdkundelehrer und stellvertretender Schulleiter am Dreikönigsgymnasium, hat mit seinen Erdkunde-Kursen anhand geografischer Karten die Lage mit seinen Schülern erörtert.

Schüler aus Russland und der Ukraine

Neben dem Krieg als Unterrichtsthema gibt es für viele Kölner Lehrerinnen und Lehrer eine weitere besondere Herausforderung, da in unzähligen Klassen Kinder sitzen, die ganz direkt von dem Konflikt betroffen sind. „Allein bei uns im Dreikönigsgymnasium gibt es zwei Dutzend Schülerinnen und Schüler mit ukrainischen oder russischen Wurzeln“, sagt Höttermann. Bisweilen sitzen sie sogar in der selben Klasse. Hier seien alle Kollegen informiert, damit diese Schülerinnen und Schüler besonders sensibel begleitet werden.

Aber auch ganz allgemein macht sich Schulleiterin Hartmann allmählich Sorgen um die Unbeschwertheit dieser Schülergeneration: „Für die Schülerinnen und Schüler ist es eine Art Krise in Dauerschleife: Klimakrise, zwei Jahre Pandemie und jetzt Krieg.“ Daher sei es wichtig, die Kinder und Jugendlichen zu ermutigen: Dass es trotz allem wichtig und richtig ist, aktiv zu sein, gemeinsam Dinge zu erleben und einfach fröhlich zu sein.

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