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Alt, aber unersetzlichWas Großeltern alles leisten – ein Kölner Paar berichtet

6 min
Gabriele und Werner Deuß sind inmitten von Spielsachen zu sehen. Sie sitzen auf Kinderstühlen.

Gabriele und Werner Deuß kümmern sich regelmäßig um ihre Enkelkinder. Im Keller dürfen die ihre Spielsachen einfach liegenlassen. 

Gabriele und Werner Deuß sind 76 Jahre alt und schon lange in Rente. Aber nur lesen und in den Garten gucken ist ihnen zu wenig. Deshalb übernehmen sie zweimal in der Woche die Enkelbetreuung.

Wenn Werner Deuß nach einem Vorbild sucht, dann erinnert er sich gerne an das weiße Tuch, das sein Vater schwungvoll auf der Bettdecke der Enkelin drapierte, ehe er darauf das Müsli servierte. Er nannte es „Schlemmerfrühstück“. Sein eigener Vater war schon Witwer, als Deuß und seine Gabriele ihn zum Großvater machten. Und ganz anders als Deuß das aus der eigenen Kindheit kannte, verwöhnte der neue Opa die Enkelin nach Strich und Faden. Und in gewisser Weise im gleichen Aufwasch damit auch Sohn und Schwiegertochter.

„Wenn wir ihn nicht gehabt hätten, dann wäre vieles nicht gegangen. Flächendeckende Kinderbetreuung gab es ja damals noch gar nicht so wie heute. Und auch die Nachbarin wollte nur im Notfall aufpassen, keinesfalls regelmäßig. Ich konnte nur weiter berufstätig sein, weil sein Vater eingesprungen ist“, sagt Gabriele Deuß, die früher als Diplom-Finanzwirtin im Finanzamt arbeitete.

Das eigene Erleben aus jungen Jahren hat das Ehepaar geprägt. Und als die einzige Tochter sie vor zwölf und acht Jahren mit zwei Enkeltöchtern beschenkte, war für die beiden Kölner deshalb klar: Wir kümmern uns!

Wer bei Werner und Gabriele Deuß im Einfamilienhaus zu Gast ist, das sich am Rande Lindenthals an einen saftigen Garten schmiegt, der erlebt ein Paar, das viele Interessen hat. Ein Blick ins prall gefüllte Bücherregal zeigt das schon. Da gibt es Religionsphilosophisches ebenso wie Politiktheoretisches und dazwischen mehrbändig: Das große Buch der Handarbeiten.

Im Gespräch kehren die Worte am Ende aber fast magnetisch immer zurück zum Kern: der Familie, den Enkelkindern. Natürlich, man habe die Welt bereist. Frankreich und Spanien ohnehin. „Aber auch China und Russland. Einmal sind wir mit der Queen Mary über den Atlantik geschippert, vorbei an der Stelle, an der die Titanic gesunken ist“, sagt der 76 Jahre alte Deuß. Aber dann hatte man im Hause Deuß das Bedürfnis nach Ferne auch irgendwie ausgelebt. Als das erste Enkelkind kam, kehrte man zurück ins Nest.

Jedes zweite Kind unter sechs wird auch von Großeltern betreut

Wie wichtig das Engagement von Großeltern für die Familie ist, aber auch für die Gesellschaft, belegen zahlreiche Studien. Auch, dass die Senioren bei der Betreuung weiterhin eine große Rolle spielen – das hat sich durch den Kita-Ausbau in Deutschland kaum verändert. Das zwei Jahre währende Forschungsprojekt des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) weist nach, dass jedes zweite Kind unter sechs Jahren bei Bedarf oder regelmäßig von den Großeltern beaufsichtigt wird. Sieht man sich die Jungen und Mädchen unter zehn an, verbringt während einer normalen Woche immer noch ein Kind von vier regelmäßig Zeit bei Oma und Opa.

Die Forschung belegt zudem, dass der Einfluss von engagierten Großeltern sich positiv auf die psychische Gesundheit und den Bildungserfolg der jüngsten Familienmitglieder auswirkt. Lediglich bei der Gefahr von Übergewicht korreliert eine häufige Großelternpräsenz eher negativ. Da denkt man natürlich gleich an die Extratafel Schokolade aus Opas Küchenschrank.

„Meistens sind wir an die frische Luft, das ist gesund und macht müde“

Als das erste Enkelkind ein Jahr alt wurde, verbrachte es zwei Vormittage in der Woche bei den Großeltern in Lindenthal. Man spielte im extra eingerichteten Keller, „aber meistens sind wir an die frische Luft, das ist gesund und macht müde“, sagt Gabriele Deuß lachend. Sie sitzt im Wohnzimmer auf ihrem Samtsofa, schwarzer Pullover, rechteckige Brille, das graue Haar ist kurzgeschnitten. Von den Regalen strahlen neben Beethoven- und Bach-Gipsköpfchen Tochter, Schwiegersohn und Enkelinnen von Fotografien. Die Wände zieren Kunstwerke, von Kinderhänden gefertigt: Eine Katze mit Herz-Pullover, dicke Schmetterlinge überm Regenbogen.  

Bei Enkelin zwei verfuhr man ebenso. „Ich habe immer verstanden, dass meine Tochter zurück in den Beruf wollte. Da kann man sich lange Fehlzeiten ja auch nicht leisten“, sagt Frau Deuß. Eigentlich habe man gerade in diesem zweiten Lebensjahr der Kinder staatliche Aufgaben übernommen, sagt ihr Mann Werner. Die Oma sieht das etwas anders: „Mit eins sind die ja auch zu klein für eine Kita.“ Also schuckelte, schob und wickelte man bei den Großeltern. Und in gewisser Weise tut man das bis heute.

28.10.2025, Köln: Gabriele und Werner Deuß sind  Großeltern und kümmern sich regelmäßig um ihre Enkelkinder.

Foto: Michael Bause

Zwei Nachmittage in der Woche verbringen die Enkelinnen bei Oma und Opa. Einmal in der Woche kommt auch die Tochter zum Abendessen.

Zwei Nachmittage in der Woche verbringen die mittlerweile Acht- und Zwölfjährige hier. Aufgaben und Aktivitäten haben sich verändert. „Heute fahren wir die Kinder auch viel hin und her. Die eine muss zum Trampolin, die andere zum Leichtathletik-Training.“ Zwischendurch werden Brettspiele rausgeholt, im Keller stapeln sich Kinderkniffel, das Taschengeldspiel, Karawane. Hier grasen auf dem Teppich auch Playmobil-Schweine neben Lego-Mauern. An einem winzigen Tisch wird hier Restaurant gespielt, zum Runterkommen nach der Schule nähmen die jungen Damen aber gern mal ein Stündchen das großelterliche Ipad in Beschlag. Auch ein bisschen Mutter-Wellness ist im Großelternpaket inbegriffen, sagt Gabriele Deuß: „Mittwochs kommt meine Tochter nach der Arbeit und wir essen zusammen zu Abend. Dann muss die nicht kochen. Dann gibt's, was alle mögen. Pizza zum Beispiel.“

Enkelkinder wirken lebensverlängernd

Nicht nur die jüngeren Generationen gehen gestärkt aus der Interaktion hervor. Auch die beiden 76-Jährigen profitieren. Enkelkinder wirken tatsächlich lebensverlängernd. Und dann sind da die neuen Einflüsse, die die Kinder in das Rentnerleben einspeisen. „Die Große spielt zum Beispiel Saxofon. Das hätte ich mir früher nie angehört. Jetzt war ich auf einem Konzert. Das war herrlich“, sagt Werner Deuß. Gabriele erinnert sich, wie sie die musikalische Früherziehung mit den Mädchen genossen hat. „Ich selbst hab auch mal Blockflöte gespielt. Aber wie die das heute vermitteln und wie viele Instrumente da zum Einsatz kommen - das ist ja großartig“, schwärmt sie. Und zuletzt hätte die Jüngere ihr gezeigt, wie man auf dem Handy durch Spracheingabe ein Lied suchen und abspielen kann. „I feel fine“ von den Beatles. Es ist ihr Lieblingslied.

28.10.2025, Köln: Gabriele und Werner Deuß sind  Großeltern und kümmern sich regelmäßig um ihre Enkelkinder.

Foto: Michael Bause

„I feel fine“ - Manchmal bringen die Jüngsten den Familienältesten auch etwas bei. Am Smartphone ein Lied abspielen zum Beispiel. Und Werner Deuß hat durch seine Enkelin die Affinität zum Saxophon entdeckt.

Enkel und Großeltern sind Studien zufolge meist ein äußerst harmonisches Tandem. Konflikte lauern eher mit der Zwischengeneration. Gerade dann, wenn Oma und Opa regelmäßig aufpassen und somit auch eine Erziehungsrolle einnähmen. Zu viel Süßes, zu lange vor dem Fernseher, das kann einem als Mutter oder Vater schon mal auf die Nerven gehen, wenn man selbst zu Hause immer den mahnenden Zeigefinger heben muss.

Ihr Geheimnis heißt: Die Eltern haben immer das Sagen

Wer das Ehepaar Deuß auf Streitpotenzial anspricht, der erntet nur Lachen und sich schüttelnde Köpfe. Ihr Geheimnis heißt: Die Eltern haben immer das Sagen. „Wir machen alles so, wie die das wollen. Die sind schließlich erziehungsberechtigt. Wir sind nur Assistenten“, sagt Werner Deuß. Zu den unausgesprochenen Regeln gehört auch: Am Wochenende lässt man sich in Ruhe, im Urlaub auch. Gemeinsame Reisen würden alle Beteiligten nur belasten. „Das Tempo können wir gar nicht mehr mitgehen. Die haben ganz andere Interessen. Dann wollen die wandern oder Sport treiben und ich muss dauernd Pause machen, sitzen und halte alle auf. Das würde die nerven und mir wäre es unangenehm.“

Und dann gibt es vielleicht noch einen Schlüssel zum Generationenglück, und der heißt Geld. Studien zufolge unterstützen die Familienältesten die Jüngeren nämlich häufig finanziell. Sei es durch Taschengeld, Sparbücher, ETFs, die Finanzierung von Auslandsjahr oder Fahrschule. Und auch die Elterngeneration kann in vielen Fällen ihren Lebensstandard nur durch gelegentliche Finanzspritzen vom Rentenkonto halten. Gabriele Deuß lacht vergnügt, wenn sie ihr Familiensprichwort dazu offenbart. Es zeigt, dass im Idealfall alle Parteien vom Transfer profitieren: „Wer gibt, ist beliebt.“