Rechnungsprüfer haben sich die Ausgaben für „wertschätzende Maßnahmen“ angesehen. Jede dritte Buchung sei „auffällig“.
Kölner VerwaltungBetriebsfeiern, Socken und Phantasialand-Fahrten auf Kosten von Steuerzahlern

Blick auf das Schauspiel im Depot in Mülheim.
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Ein Museumsdirektor oder Direktorin, die ihre Lebensgefährten oder ihre Lebensgefährtin zunächst auf Kosten des Steuerzahlers einlädt – und später nachzahlt, um „Missverständnisse“ zu vermeiden. Ein Verkehrsdezernat, das sich 16 Tickets für einen Phantasialand-Besuch samt Essen für knapp tausend Euro bezahlen lässt. Die städtischen Bühnen, die in den drei Jahren ab 2022 insgesamt 178.200 Euro für Betriebsfeiern bezahlten – und damit das 2,4-fache des angemessenen Budgets ausgeben und möglicherweise gegen Steuerregeln verstoßen.
Und ein scheidender Intendant, der den Steuerzahler seine Abschieds-T-Shirts- und Socken im Wert von 12.900 Euro zahlen lässt. Das sind einige der Ergebnisse, die die Prüfer des Rechnungsprüfungsamtes (RPA) dem Kölner Stadtrat in zwei internen Berichten präsentieren.
Es geht um die Frage, ob die Stadt und ihre Bühnen als sogenannter Eigenbetrieb Steuergeld für „wertschätzende Maßnahmen wie Betriebsfeiern“ ordnungsgemäß verwenden oder doch verschwenden. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Worum geht es und was hat das Rechnungsprüfungsamt geprüft?
Das RPA prüft generell, ob die Verwaltung wirtschaftlich und rechtmäßig arbeitet. Laut des Amtes gab es im Herbst 2024 mehrere Anfragen zur Finanzierung von Feiern, das RPA spricht von einem „offensichtlichen Informationsbedarf“. Deshalb hat es die drei Jahre zwischen Januar 2022 und Januar 2025 stichprobenartig geprüft und sich dafür die Buchungen der Bewirtung angeschaut.
Von 207 Buchungen prüften die Experten 70, davon wiesen 20 Buchungen „Auffälligkeiten“ auf. Das entspricht 28,6 Prozent.
Wie sind die Vorgaben für die Verwendung von Steuergeld für städtische Betriebsfeiern?
Laut RPA liegt aktuell bei der Stadt keine „konkrete Regelung“ vor. Aber laut Gemeindeordnung müssen städtische Mittel „wirtschaftlich, effizient und sparsam“ eingesetzt werden. „Die Aufwendungen für wertschätzende Maßnahmen müssen in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen für die Organisation stehen.“ Und: „Der verantwortungsbewusste Umgang mit öffentlichen Mitteln ist dringend geboten, vor allem vor dem Hintergrund der prekären Haushaltslage, die nicht nur aktuell, sondern seit Jahren auch die Öffentlichkeit durch verschiedene Einsparmaßnahmen erreicht.“ Das RPA betont aber auch, dass wertschätzende Maßnahmen wie Feiern wesentlicher Teil einer Unternehmenskultur sind und Zusammenhalt und Motivation dienen.
Gibt es Besonderheiten in den Berichten der Kölner Rechnungsprüfer?
Ja, und zwar einige. Zunächst zu den Vorgängen in der Kernverwaltung ohne Bühnen. Erstens: Das Büro des Verkehrsdezernates von Ascan Egerer fuhr am 1. Dezember 2023 mit 16 Menschen ins Phantasialand, die Tickets kosteten 384 Euro, das Dinnerbuffet im Restaurant schlug mit 576 Euro zu Buche. Gesamtkosten: 960 Euro. Das Dezernat bezahlte die Summe aus seinem Budget, das wiederum der Steuerzahler zahlt. Als Begründung rechtfertigte sich das Dezernat in dem Bericht, es sei eine „Teamentwicklungsmaßnahme angezeigt“, auch weil der tägliche Druck so hoch sei und zehn Kollegen neu gewesen seien. Die Mehrheit wollte den Freizeitpark in Brühl besuchen und enger zusammenrücken – nur offensichtlich nicht dafür bezahlen.
Zweitens: In einem nicht näher benannten Museum wurde eine Ausstellung eröffnet, danach gingen mehrere Personen ins Restaurant. Laut RPA konnten die Prüfer alle Beteiligten bis auf eine Person zuordnen, das Museum musste ohnehin nachträglich erklären, warum das Essen nötig gewesen sei. Demnach lud die Direktion, auch hier bleibt der Name offen, die Künstler ein und ließ sich die Ausgaben von der Stadt erstatten. Das Pikante: Auch die Kosten für seinen oder ihre Lebensgefährtin beziehungsweise Lebensgefährten ließ die Direktion sich erstatten und änderte das erst, als das RPA den Vorgang prüfte. Das RPA schreibt: „Die Direktion erklärte sich bereit, die anteiligen Kosten zu erstatten, um eventuelle Missverständnisse zu vermeiden.“
Und was ist mit den Bühnen?
Für sie hat das RPA einen gesonderten, 19-seitigen Bericht angelegt. Bei den Bühnen arbeiten 850 Beschäftigten, sie entwickeln Opern-, Kinderoper-, Schauspiel- und Tanzproduktionen. In den drei Jahren zwischen 2022 und 2025 gaben sie für 17 Betriebsfeiern und ähnliche Veranstaltungen 178.200 Euro aus. Auch dort fehlte eine eindeutige Richtlinie. Das Ergebnis: Nachvollziehbarkeit und Angemessenheit lassen sich nicht gewährleisten. Es lag lediglich eine Dienstanweisung vor, demnach war ein jährliches Budget für Bewirtungs- und Präsentationskosten von 24.500 Euro vorgesehen. Also 73.500 Euro für drei Jahre – und nicht 178.200 Euro.
Was fällt bei den Kölner Bühnen auf?
Erstens: Allein vom 23. Mai bis 30. August 2022 gab es in hundert Tagen vier Feiern, also alle 25 Tage eine. Die Kosten: insgesamt rund 68.000 Euro. Ein Frühlingsfest fand am 23. Mai statt, ein Sommerfest am 21. Juni, ein Spielzeitabschluss-Grillen am 1. Juli und ein Grill-Auftaktfest am 30. August. Zweitens: Die Kosten von 4700 Euro für eine Personalversammlung zum Thema „Neustart am Offenbachplatz“ rechneten die Bühnen über das Budget für die Bühnen-Sanierung ab.
Was noch?
Beim Spielzeit-Abschlussgrillen am 10. Juni 2024 verteilte laut RPA der scheidende Intendant T-Shirts, Socken und Taschen als Abschiedsgeschenke. Den Namen nennen die Prüfer nicht, es handelt sich um Stefan Bachmann, der mittlerweile am Wiener Burgtheater tätig ist. Offenbar wissen die Bühnen-Chefs nicht genau, wer was bezahlt hat. Laut RPA „wird davon ausgegangen“, dass der scheidende Intendant nur die Taschen bezahlt hat und die Bühnen die T-Shirts und Socken aus ihrem Budget bezahlt haben. Die 600 Exemplare mit dem Aufdruck „Forever Schauspiel“ kosteten 10.100 Euro, die 530 Paar bedruckte Socken 2800 Euro. Es brauchte laut des Berichts tatsächlich auch eine studentische Aushilfe, die die Geschenke verteilte. Kosten: 75 Euro.
Was sagen die Kölner Bühnen dazu?
Sie bezeichnen den persönlichen Austausch als „Schmierstoff der Kommunikation“, er wird von der Betriebsleitung als essenziell bewertet. Demnach sei die Belastung seit 2012 wegen der vielen Interimsstandorte „enorm“. Sie teilen mit: „Vor diesem Hintergrund wurden die Ideen der gemeinsamen Zusammenkünfte unterstützt, gefördert und auch mit den Bewirtungsbudgets der einzelnen Sparten finanziert. Die Budgets waren auf diese Weise besser eingesetzt als durch nachträgliches Konfliktmanagement.“ Stefan Bachmann ließ eine kurzfristige schriftliche Anfrage unbeantwortet.
Wie urteilt das Rechnungsprüfungsamt?
Für die Kernverwaltung: Nicht in allen Dezernaten und Ämtern fallen Kosten an, in der Regel zahlen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst. „Überwiegend erfolgt der Einsatz städtischer Mittel ohne Auffälligkeiten.“ Für die Bühnen und ihre 17 Feste mit hohen Kosten ist das anders: „Die Anzahl und vor allem die Kosten der durchgeführten Maßnahmen in diesem Zeitraum legen das Erfordernis einer Richtlinie nahe.“ Es könnte sogar steuerlich relevant sein, laut RPA sind je Arbeitnehmer nur 110 Euro Freibetrag für zwei Feiern erlaubt, „der übersteigende Teil ist steuerpflichtig“.
Wie geht es weiter?
Eben weil es so unterschiedlich gehandhabt wird und eine „verbindliche Richtschnur“ fehlt, besteht laut der Prüfer „dringender Regelungsbedarf“ für die Verwaltung. Es verzichtet deshalb anders als in vorherigen Berichten auf Prüfbemerkungen. Laut RPA arbeitet die Verwaltung an einer neuen Richtlinie. Die Bühnen haben mittlerweile seit 26. März 2025 Regeln für Bewirtungen, demnach sollen Mitarbeitende interne Feiern mit „überwiegend geselligem Charakter“ selbst bezahlen. Sie können aber erstattet werden, wenn sie das Betriebsklima fördern. Laut RPA ist diese Regel aber nicht eindeutig.