AutomatensprengungenDie Täter kommen am frühen Morgen

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Die durch eine Sprengung beschädigte Santander-Filiale wird geschlossen. Bereits kurz vor Weihnachten wurde auch der Automat der Commerzbank angegriffen.

Die durch eine Sprengung beschädigte Santander-Filiale wird geschlossen. Bereits kurz vor Weihnachten wurde auch der Automat der Commerzbank angegriffen.

  • Commerzbank öffnet wieder nach Osterferien - Banden reisen aus den Niederlanden ein

Nippes – In den ruhigen Stunden am frühen Morgen ist es besonders gefährlich. Gegen drei oder vier Uhr, wenn auch der letzte Nachtschwärmer wieder zu Hause ist, die berufstätigen Frühaufsteher noch nicht unterwegs sind, rücken die organisierten Banden an, die es auf Geldautomaten abgesehen haben. Die seit zwei Jahren bevorzugte Masche: Durch Einleitung eines explosiven Gases ins Automaten-Innere versuchen sie, das Gerät zu zerstören und ans Geld zu kommen.

Der Stadtbezirk Nippes scheint innerhalb Kölns der eindeutige Schwerpunkt jener Geldautomaten-Sprenger zu sein (siehe "Bereits sechs Automaten-Sprengungen). Die Neusser Straße hat es binnen zwei Monaten sogar zweimal erwischt - die Tatorte liegen nur 50 Meter Luftlinie auseinander. Am Tag vor Heiligabend traf es die Commerzbank-Filiale im Neubau Neusser Straße 283/Ecke Baudristraße. Wenige Wochen später war die Santander-Bank an der Neusser Straße 260 das Ziel. Während die Polizei im Commerzbank-Fall zwei 19- und 27-jährige Tatverdächtige aus den Niederlanden fassen konnte, gibt es beim Angriff auf Santander laut Polizei-Pressesprecher Lutz Flaßnöcker noch keinen Fahndungserfolg.

Zumindest die Commerzbank-Kunden bekommen ihre Anlaufstelle bald zurück. "Unser Ziel ist es, nach den Osterferien wieder zu öffnen", so Pressesprecherin Justine Zapolski. Währenddessen könnten Kunden in andere Filialen, etwa am Ebertplatz und in Longerich, ausweichen. Kostenlos Bargeld für Institutskunden gibt es auch an Automaten der "Cash-Group", zu der sich Commerz-, Deutsche, Post- und Hypo-Vereinsbank zusammengeschlossen haben. Auch an einigen Shell-Tankstellen gibt es Terminals.

Die durch eine Sprengung beschädigte Santander-Filiale wird geschlossen. Bereits kurz vor Weihnachten wurde auch der Automat der Commerzbank angegriffen.

Die durch eine Sprengung beschädigte Santander-Filiale wird geschlossen. Bereits kurz vor Weihnachten wurde auch der Automat der Commerzbank angegriffen.

Dagegen haben die Täter im Falle Santander die Filiale sozusagen vorzeitig in den Betriebsschluss gesprengt: Weil das nordspanische Geldinstitut seine Vertriebszweige "Santander Consumer Bank" und "Santander-Bank" zur einheitlichen Marke "Santander" zusammenlegt, wäre die Filiale ohnehin am 17. April geschlossen worden. "Aufgrund der vorhandenen Schäden, die der Angriff auf den Geldautomaten verursacht hat, hat Santander sich entschieden, die Filiale vor dem offiziellen Schließungstermin nicht nochmals zu öffnen", erläutert Sprecherin Eva Eisemann. Für Kunden bleibt als nächster Anlaufpunkt die Santander-Filiale an der Breite Straße 40-46 in der Nähe des WDR.

Ein Großteil der Täter reist aus den Niederlanden ein, häufig sind sie nordafrikanischer Herkunft - wie auch im Fall der Commerzbank. In Ermittlerkreisen wird vermutet, dass die Banden über die Grenze nach Deutschland fahren, weil niederländische Bankautomaten besser gegen Gas- und Sprengstoffattacken gesichert sind. Auf dem Markt gibt es einerseits Farbpatronen für Automaten, die im Falle einer Sprengung die Banknoten einfärben und damit wertlos machen. Andere Systeme beruhen auf dem Absaugen oder Neutralisieren des eingeleiteten Gases oder einer extrem starken mechanischen Sicherung des Geldschranks.

Warum sind die Systeme nicht auch in Deutschland verbreiteter, um Tätern die Tour zu vermasseln? "Es ist immer eine Abwägung zwischen dem Sicherungsbedürfnis und den Kosten der Umrüstung", erläutert Anne van Dülmen, Pressesprecherin des Bundesverbands deutscher Banken. Bei der Entscheidung für oder gegen eine Sicherung spielten mehrere Faktoren eine Rolle - etwa die bauliche Einfassung des Gerätes oder die Lage der Filiale. "Die letztendliche Entscheidung liegt immer bei der Bank selbst." Man arbeite aber eng und intensiv mit den Behörden zusammen - und habe wegen der vermehrten Fälle im Dezember eine Info-Broschüre herausgegeben.

"Auf den Zuständigkeitsbereich der Polizei Köln/ Leverkusen bezogen sind die Zahlen mit fünf Sprengungen 2016 und sechs 2017 ungefähr gleichbleibend. Landesweit sind die Zahlen rückläufig", informiert Flaßnöcker. Im Übrigen sei das vor einigen Jahren Schlagzeilen machende "Skimming" - das betrügerische Abgreifen von Kundendaten am Automaten mittels Aufsatzgeräten oder Mini-Kamera - noch nicht vorbei. Wiederholt habe man in der Kölner City manipulierte Aufsatzgeräte entdeckt, mit denen die Täter Kartendaten hätten auslesen hätten. "Zuletzt wurde zu Beginn des Monats ein Aufsatzgerät entdeckt und von der Polizei demontiert." Durch starke Sicherungsmaßnahmen erheblich rückläufig sei der "klassische" Banküberfall. So gab es in Köln 2016 drei Raubüberfälle auf Banken- oder Postfilialen, 2017 blieben zwei im Versuch stecken, im laufenden Jahr ist bislang einer gescheitert.

Bereits sechs Automaten-Sprengungen im Bezirk Nippes - Eine Tat scheiterte

10. März 2018: Am frühen Samstagmorgen sprengen Täter den Automaten vor einem Hotel an der Robert-Perthel-Straße in Bilderstöckchen in die Luft. In der Umgebung bringt die Druckwelle sogar Scheiben zu Bruch. Vor wenigen Tagen nahm die Polizei fünf Tatverdächtige fest.

25. Februar 2018: Gegen 4 Uhr morgens sprengen zwei Unbekannte den Automaten der Santander-Bank in Nippes; bei ihrer Flucht per Motorroller in Richtung Mauenheim verloren sie zahlreiche Geldscheine.

23. Dezember 2017: Die kurz darauf festgenommenen Täter sprengen am frühen Morgen einen Geldautomaten der Nippeser Commerzbank. 24. Oktober 2017: Mehrere Unbekannte sprengen am frühen Morgen den Geldautomaten der Sparkasse an der Longericher Straße in Bilderstöckchen. Zuvor hatten sie durch Rammen mit einem gestohlenen Pkw versucht, die Eingangstür zur Filiale zu zerstören; als ihnen das misslang, brachen sie auf "normalem" Wege ein. 1. Oktober 2017: Mit einer Propangas-Einleitung versuchen Unbekannte am Sonntagmorgen an der Werkstattstraße in Nippes, das Geldautomaten-Häuschen der Sparda-Bank am Eingang zur Autofreien Siedlung in die Luft zu sprengen. Passanten hatten jedoch die Gasflasche mit Schnur vor dem Häuschen entdeckt und die Feuerwehr alarmiert; diese konnte die Situation entschärfen.

20. Juli 2016: Erneut durch Einleitung eines Gasgemischs sprengen vier Unbekannte den Automaten der Deutschen Bank an der Longericher Straße 441 in Longerich.

1. April 2016: Ebenfalls in Longerich sprengen am frühen Morgen zwei Täter den Commerzbank-Automaten an der Meerfeldstraße 1a. Es war der erste derartige Kölner Fall überhaupt. (bes)

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