Awo-Seniorenzentrum„Ich bin schon ein Hingucker“

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Eugen Bánhegyi mit Dodo inmitten der heterosexuellen Bewohnerschaft beim Sonnenbad.

Eugen Bánhegyi mit Dodo inmitten der heterosexuellen Bewohnerschaft beim Sonnenbad.

Köln – Bewegt sich Eugen Bánhegyi mit Hund Dodo durch das Arnold-Overzier-Haus in der Südstadt, zieht er die Blicke auf sich. Sei es, weil er sich einen Namen gemacht hat als Alleinunterhalter in dem Seniorenzentrum der Arbeiterwohlfahrt (Awo), der einmal wöchentlich zum Wunschkonzert einlädt. Oder weil der etwas kräftigere Bartträger mit seinem etwas kleineren Hund Dodo irgendwie ein komisches Paar abgibt. Anderen fallen sein etwas stolzerer Gang auf oder sein Ohrring. „Wie ein Mädchen“ sähe er aus, wurde er schon von einem Mitbewohner dafür gehänselt. Woraufhin Bánhegyi ihn aufklärte: Ohrring trügen auch Handwerksgesellen, bei ihm habe das Schmuckstück jedoch eine andere Bedeutung. Der 73-Jährige lebt offen schwul in der ansonsten überwiegend von Heterosexuellen bewohnten Anlage.

Der pensionierte Sonderschullehrer weiß sich zu wehren – und hat zudem die Leitung der Einrichtung in seinem Rücken. Das Arnold-Overzier-Haus hat den Schutz seiner Bewohner auch hinsichtlich ihrer sexuellen Orientierung in ihrem Leitbild verankert und schult sogar sein Personal, um ausreichend sensibel zu sein für die Menschen, die lange für ihre Emanzipation kämpfen mussten. Und die auch und erst Recht im Alter nicht verhöhnt werden wollen, wenn eine Frau von ihrer verstorbenen Frau erzählt oder ein Mann in Erinnerungen an vergangene Christoper Street Days schwelgt.

Fußgruppe beim Christopher Street Day

Leiterin Elisabeth Römisch ist dazu schon vor Jahren eine Kooperation mit dem Rubicon-Beratungszentrum für Lesben und Schwule eingegangen. Es gibt gemeinsame Treffen im Haus, um Berührungsängste abzubauen, es gibt regelmäßig Lesungen auch mit schwulen Autoren, und im vergangenen Jahr nahm die Awo sogar als eigene Fußgruppe der CSD-Parade teil.

Alles zum Thema Christopher Street Day

Als der 30 Jahre jüngere Freund von Eugen Bánhegyi, mit dem er eine Fernbeziehung pflegt, zum ersten Mal am Wochenende aus Belgien anreiste, waren die Blicke noch bohrender. „Klar, das war erst mal ein Hingucker.“ Aber als auch den Letzten klar wurde, dass es sich hier nicht um den Besuch eines Sohnes handelte, „wurde unsere Beziehung schnell akzeptiert“. Inzwischen werden sie von den heterosexuellen Nachbarinnen als Paar eingeladen, in dem betreuten Wohnen, das Bánhegyi bezog, „weil ich auf der Warteliste stand und die Wohnung plötzlich frei war“. Seit sieben Jahren wohnt er nun „hier“, seit sechs sitzt er im Bewohner-Beirat.

Wohnbereichsleiter Jens Ziese, selbst homosexuell, hat maßgeblichen Anteil an dieser positiven Atmosphäre, weil er lebt, was selbstverständlich sein sollte: ein schwules oder lesbisches Leben ist weit mehr als nur die Wahl des Sex-Partners. „Es geht um den ganzen Lebensentwurf.“ Die Frage, wie Schwule und Lesben ohne diskriminiert zu werden, altern und sterben könne, werde immer drängender, sagt Norbert Reicherts, im Rubicon zuständige für das Seniorenprojekt „Schwule Alter-Nativen“. Die, die die Freiheit Homosexueller seit den 60er Jahren erstritten hätten, „sollen sie nicht wieder aufgeben müssen“.

Das Rubicon hat ältere Schwule und Lesben befragt. Das Video:

www.ksta.de/homosexuellimalter

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