Endspurt mit Brings„Jetzt sind wir dran mit feiern“

Lesezeit 5 Minuten
198 Auftritte hat die Band gespielt – vor 300000 Menschen. Die Mummenschanz-Party im Sartory-Saal ist einer der letzten.

198 Auftritte hat die Band gespielt – vor 300000 Menschen. Die Mummenschanz-Party im Sartory-Saal ist einer der letzten.

Köln – Es ist Karnevalssamstag, 18.45 Uhr, 187. Auftritt, zum 187. Mal Halleluja, Kölsche Jung, Superjeilezick. Die Bühne im Zelt an der Sporthochschule schwankt wie ein Kahn auf hoher See im Rhythmus der ausgelassen tanzenden Jungs und Mädels hinter den Musikern. Peter Brings hüpft nach dem Gig die Stufen der Bühne runter und brüllt: „Wahnsinn, war das geil.“

Der Satz irritiert etwas am 51. Tag nach der Prinzenproklamation. Findet der Sänger gar nicht: „Da standen 3000 Anfang 20-Jährige vor uns. Die haben uns eine Riesenenergie gegeben. Die letzten sechs Gigs heute sitzen wir auf einer Arschbacke ab. Und morgen ist nur noch Schaulaufen.“ Draußen springen ein paar Jungs nackt ums Zelt, ein Hippie umarmt Gitarrist Harry Alfter und sagt, er habe vor 20 Jahren mal eine Klampfe bei ihm gekauft.

Man ist für alle da, aber das gehört zum Job.

Der Brings-Bus fährt auf der Aachener Straße an einer Brings-Bahn vorbei. „Der Kölsche Jung steht auf Platz 19 der Trendcharts“, ruft Bassist Stephan Brings. Vor 300000 Menschen haben die fünf Musiker in der Session gespielt, der Karneval ist nicht nur wichtig für die Kasse, sondern auch für die Marke. Vor allem aber ist es Maloche: Drei bis vier Stunden Nettospielzeit pro Abend, bei jedem Gig springt Stephan bei Superjeilezick von einem Podest und kreiselt, bei jedem Gig treffen sich die Jungs zu einem Pogo-Tänzchen in der Bühnenmitte. Dazu die fast nicht vorhandene Verpflegung in den Sälen, die stickige Luft, die Fotos mit den Fans, die Smalltalks, der Nachtrhythmus. „Man hat fast nie Zeit für sich“, sagt Stephan Brings, „man ist im Karneval für alle da, aber das gehört zum Job.“

Schlagzeuger Christian Blüm sieht etwas blass aus. Er hat Magenprobleme, die anderen vier sind fit geblieben. „Es hat Jahre gegeben, da sind wir alle auf dem Zahnfleisch gegangen, hatten Grippe, Peter konnte nicht singen, und wir mussten ihn ersetzen“, sagt Stephan. Vor dieser Session hat Peter aufgehört zu rauchen, Alkohol rührt er bis zum letzten Gig nicht an. „Mir geht es 200 Prozent besser seitdem. Ich war in der Session jeden Tag joggen.“

Vor dem Auftritt Bratwurst und Cola

Im Congress-Saal der Messe sind die Leute zwei- bis dreimal so alt wie an der Sporthochschule, aber sie können schöner singen. Peter inhaliert vorher eine Bratwurst und eine Cola. „Habe ich noch Zeit, aufs Klo zu gehen?“ Kaum. Eine Stunde später im Kristallsaal noch älteres Publikum, ein Mann in der ersten Reihe hält sich die Ohren zu. Harry Alfter wirft ihm Ohrstöpsel zu. „Nur noch acht“, sagt Peter beim Gang zum Bus. „Der war überflüssig.“

Im Bus ist die Euphorie weg. „Scheiße, wir haben heute noch vier“, stöhnt Christian. „Komm, wir canceln drei und fahren direkt in die Arena“, krächzt Peter. Keyboarder Kai Engel ist im Messezentrum steckengeblieben, er kennt von der veranstaltenden KG jeden Zweiten persönlich – In zwölf Minuten sollen Brings bei der Mummenschanz-Party im Sartory-Saal spielen. Kai kommt in den Bus und kriegt einen Spruch, im Sartory toben die Jecke wieder, der Adrenalinpegel gibt Kraft für den nächsten Ball im Maritim.

Um 13 Uhr sind Brings an diesem Tag beim Funkenbiwak auf dem Neumarkt für das beste Lied der Session geehrt worden. Sie sind seit zehn Stunden im Einsatz. In der winzigen Umkleide des Sartory beschweren sich die Bläck Fööss beim Veranstalter: „Warum habt ihr uns direkt nach Brings gelegt? Dat is Scheiße.“

Im Tanzbrunnen der Ball der Bürgergarde Blau-Gold, auf der linken Pobacke geht das nicht mehr. Stephan bläht vor seiner Kreisel-Einlage die Backen, „noch fünf, Jungs, noch fünf“, sagt Peter im Bus. Träumen vom Urlaub. Peter fliegt nach Fuerteventura, Kai nach La Gomera, Christian zieht sich „für zwei Wochen ein Unterhemd an“ und bleibt zu Hause, Stephan zieht es in sein Häuschen in der Eifel, Harry will „Klavier spielen und an neuen Songs tüfteln“.

Rein in die Katakomben der Arena, auf zu Gig 194 für die Session, Nummer acht für heute. Um 1.15 Uhr fordert die Lachende Kölnarena Zugabe. Die gibt es. Auf der Fahrt zum Proberaum in Braunsfeld ist Ruhe im Kölschrockerbus.

Sonntag, die letzten vier Gigs, Schaulaufen. Wieder Sporthochschule, wieder viele Losgelöste, wieder viel Adrenalin. Noch einmal in den Tanzbrunnen, noch einmal ins Maritim.

19.10 Uhr, Auftritt 198, Finale. Zum 13. Mal die Lachende Kölnarena, zum ersten Mal singt Peter im Charlie-Chaplin-Kostüm, Christian trommelt als Punk. „Ich kann noch gar nicht glauben, dass wir jetzt durch sind“, sagt Peter, auf dem Weg in die Katakomben fällt er Veranstalter Eberhard Bauer-Hofner um den Hals. In der Kabine warten die Familien, Umarmungen, Kölsch für alle, raus aus den Schottenröcken. Trotzdem ist es ruhig ist es in dem kargen Raum, draußen in der Halle feiern die Massen weiter.

Kai bindet sich eine Köbesschürze um, Peter steht am Spiegel und malt sich einen Chaplin-Bart. „So, jetzt sind wir dran mit Karneval Feiern“, sagt Harry, der mit weißer Maske und Perücke hereinkommt. Zusammen verschwinden die fünf in die Nacht.

Henning Krautmacher feiert am Zoch weiter. „Ich nehme Familie und Freunde mit auf die Tribüne An den Dominikanern und kommentiere dort den Zoch.“ Und damit ihm keine Schokoladentafel oder Pralinenschachtel ins i-Pad mit all seinen Unterlagen, Jingles, Tuschs und Liedern fällt, hat er sich schnell noch von seinem Freund Volker Rohde (Firma Logotext) ein Plexiglas-Pult bauen lassen. „Technisch bin ich ja schon länger auf dem neuestem Stand. Nun aber auch gut geschützt.“

Guido Cantz hat seinen roten Anzug längst ausgezogen und sich in den Straßenkarneval gestürzt – in seiner Porzer Heimat. Da fuhr er am Sonntag mit einem Wagen im Umzug mit.

Cat Ballou haben erst nach dem Zoch – da spielen sie auf einem Wagen – frei. „Danach packen wir die Koffer und fahren in ein Ferienhaus in der Eifel, um eine Woche lang an neuen Songs zu arbeiten“, sagt Keyboarder Dominik Schönenborn. (NR, asp)

KStA abonnieren