Bewegender KölnerWerner Schleicher bringt Jugendliche aufs Rad und die Stadt Köln sportlich nach vorne

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Ein Mann fährt Rennrad, hinter ihm ist das blaue Meer zu sehen.

Werner Schleicher auf Tour

Werner Schleicher hat den Radsport in die Schule gebracht. Nun verabschiedet sich das Aushängeschild der Sportstadt Köln in den Ruhestand. Aufhören aber wird er nicht.

Sein erstes Rennrad kauft er sich mit 15, ein Jahr später macht er damit die erste große Tour nach Österreich. Seitdem zieht sich der Radsport wie ein roter Faden durch das Leben von Werner Schleicher, der in Mülheim geboren wurde und noch immer dort lebt. Sein Büro im Sportamt der Stadt Köln liegt unweit des Radstadions in Müngersdorf. Seit 1996 verantwortet Schleicher dort die internationalen Angelegenheiten im Sport und die Sportentwicklungsplanung der Stadt. Am 31. Januar war sein letzter offizieller Arbeitstag.

Ein Mann steht vor seinem an der Wand hängenden Rennrad.

Werner Schleicher geht mit 66 Jahren in den Ruhestand.

Zweimal pro Woche setzt er sich aufs Rad und fährt nach Chorweiler zu seiner früheren Wirkungsstätte. Von 1989 bis zu seinem Wechsel ins Sportamt unterrichtete der Diplomsportlehrer an der Heinrich-Böll-Gesamtschule. Ende der 1980er-Jahre integrierte er dort den Radsport in den Lehrplan. Heute können Schüler Radsport gar als Abiturfach wählen. Gerade in einem Brennpunktstadtteil wie Chorweiler könne der Sport eine Menge bewegen, sagt Schleicher. „Durch regelmäßigen Sport bekommen die Kinder ihren Schulalltag besser organisiert, der Sport baut Brücken zur Bildung.“

Aktuell ist das Radstadion eine große Baustelle. Bis 2027 soll hier eine Multifunktionshalle entstehen, an deren Planung Schleicher federführend beteiligt war. Dass hier nicht nur Radsportler eine neue Heimat finden, sondern auch Volley- und Basketballer, war Schleicher wichtig. „Werner hatte bei der Konzeption nicht nur den Radsport im Blick, sondern die gesamte Sportstadt Köln mit all ihren Facetten“, sagt Oliver Seeck, Vorsitzender des Sportausschusses der Stadt Köln. Und da darf natürlich auch der Fußball nicht fehlen.

Ein Mann mit blonden Locken spricht zu Schülern, die auf den Stufen eines Stadions in Rio sitzen.

Werner Schleicher beim Schüleraustausch in Rio

Zur Fußball-WM 2014 in Brasilien hob Schleicher das Projekt „Mais que uma Bola – Mehr als ein Ball“ aus der Taufe, ein Austauschprogramm für Schüler der Heinrich-Böll-Gesamtschule mit Schülern in Rio de Janeiro. „Wir wollten etwas machen für benachteiligte Schüler – in Rio und in Chorweiler.“ Auf brasilianischer Seite wird das Projekt prominent betreut von dem ehemaligen Bundesligaprofi Jorginho. Der 59-jährige Brasilianer kickte unter anderem für Bayer Leverkusen und Bayern München und holte 1994 mit der Seleção den WM-Titel. Jorginho gründete nach seiner aktiven Laufbahn in seiner Heimatstadt Rio eine Fußballschule. Sein  „Instituto Bola Pra Frente“ liegt in der Zona Norte von Rio, einer der ärmsten Gegenden der Stadt.

Arabisch-jüdische Laufgruppe nimmt regelmäßig am Köln-Marathon teil

Alle zwei Jahre besuchen sich jeweils 15 Schüler aus Köln und Rio gegenseitig. Die Reise nach Rio ermöglicht den Jugendlichen aus Chorweiler einen Perspektivwechsel, der auch den Blick auf das eigene Zuhause neu ordnet. Denn neben Fußballspielen und Ausflügen zu berühmten Sehenswürdigkeiten wie Copacabana und Zuckerhut stehen auch Besuche der Armenviertel Rios auf dem Programm.

„Wir können mit interkulturellen Sportprojekten nicht die Welt verändern, aber wir können den Jugendlichen Toleranz vermitteln“, sagt Schleicher. Das gilt besonders auch für den Austausch mit den Kölner Partnerstädten Tel Aviv und Bethlehem. Vergangenen Herbst organisierte Schleicher zum zehnten Mal die gemeinsame Teilnahme einer israelischen Laufgruppe aus jüdischen und arabischen Jugendlichen am Kölner Schulmarathon. „Ich habe immer versucht, durch Sport kleine Brücken zu bauen.“ Angesichts des Krieges im Nahen Osten sei es wichtiger als je zuvor, mit der jüdisch-arabischen Laufgruppe weiterzumachen. Die Unterkunft für die Jugendlichen im Oktober zum nächsten Köln-Marathon hat Schleicher schon gebucht.

Sein Büro im Schatten des Rhein-Energie-Stadions betritt Schleicher heute das letzte Mal. Aber ans Aufhören denkt der 66-Jährige, der neben Portugiesisch auch fließend Französisch spricht, nicht. „So einfach loslassen, das kann ich nicht“, sagt er. „Ich habe ja alle Projekte in all den Jahren mit aufgebaut“, sagt der Vater zweier erwachsener Kinder. Da wolle er natürlich wissen, dass es ordentlich weitergeht. Für ihn persönlich ist auch längst nicht Schluss. Im Oktober übernimmt er einen Lehrauftrag, gleich nebenan, an der Sporthochschule. Vorher geht er aber noch mal auf Tour. Mit dem Rad von Köln nach Marseille – und zurück. „Da bekomme ich den Kopf frei und kann alles mal sacken lassen.“

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