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Pferde-PhysiotherapeutKölner erzählt, wie er die Bedürfnisse seiner Patienten erkennt

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Marc Wachtendonk arbeitet als Pferdephysiologe.

Köln – Auch wenn man’s ihr nicht ansieht: Jentel ist gewissermaßen der Labrador unter den Pferden: Freundlich, gutmütig, unkapriziös und – um im Fremdtierbild zu bleiben – eine Naschkatze, was ihrer hübschen Figur jedoch nicht anzusehen ist, obwohl sie mehr als das Zehnfache eines Labrador-Hundes auf die Waage bringt. Auf das Leckerli braucht die Stute bei Marc Wachtendonk auch nicht lange zu warten, das gibt es bereits vor der Behandlung.

Die Achtjährige kennt das Prozedere genauso wie den Mann, der ähnlich wie ein englischer Landadeliger mit Schirmmütze, Wachsjacke und Gummistiefeln vor ihr steht und nach ein paar Streicheleinheiten mit der Therapie beginnt. Er selber nennt es, dem Pferd „ein bisschen Wellness“ angedeihen lassen. Während Wachtendonk mit seinen Händen entlang der Wirbelsäule über den Rücken des Tieres tastet, bewegt die Stute ihr Maul, als würde sie kauen. Ein klares Zeichen von Zufriedenheit.

„Die werden ja nicht mit Sattel geboren"

„Tiere zeigen ihr Wohlbefinden durch Gähnen, Schmatzen, Kauen oder sich schütteln“, erklärt Wachtendonk, derweil seine Finger im Fell kreisende Bewegungen ausführen. Wie die meisten Fjordpferde hat Jentel außer ihrer hellen Farbe einen dunklen Längsstreifen in der Mähne, der sich in einem deutlichen Strich bis zum Schweif fortsetzt.

Ähnlich wie ein Sportler, der regelmäßig zur Physiotherapie geht, werden auch die Pferde und Ponys der von Sascha und Barbara Müller gegründeten Kinderreitschule in Köln-Esch regelmäßig behandelt. „Die bringen eine Leistung und werden schließlich nicht mit Sattel geboren“, sagt Wachtendonk und massiert Jentels Sitzbeinmuskulatur. Die Stute schmatzt leise. Es sieht so aus, als wisse der 42-Jährige genau, welchen „Knopf“ er bei ihr drücken muss. Allerdings ist der „bei jedem Pferd anders“, merkt der Therapeut an und setzt die Behandlung fort.

Fragt man Wachtendonk nach den Eigenschaften, die er einem Pferd zuschreiben würde, sagt er: „sensibel, sanft und gutmütig“. Natürlich gebe es hier und da welche mit „schnellen Hinterfüßen“ und auch solche, die sich gar nicht anfassen lassen wollten. „Aber das ist mir in sieben Jahren Praxis noch nicht einmal passiert.“ Grundsätzlich verläuft der Erstkontakt ähnlich wie die erste Begegnung bei Menschen: „Man stellt sich dem anderen vor.“

„Früher hat man mich belächelt"

Früher, erzählt der Kölner, sei er für das, was er macht, belächelt worden. Inzwischen ließen sogar diejenigen ihre Pferde von ihm behandeln, die seine beruflichen Ambitionen anfangs nicht ernst genommen hätten. Gott sei Dank habe sich auf dem Gebiet viel zum Positiven verändert.

Wenn sich ein Pferd plötzlich nicht mehr gut reiten lässt, wenn es beim Aufsteigen Probleme macht, wenn der Rücken beim Gang nicht mehr schwingt oder sich verkrampft – kann das jeweils ein Indikator für eine muskuläre Erkrankung sein, die der Tierphysiotherapeut lindern oder beheben kann. „Ich habe zwar keine Liege mit `nem großen Loch, wo die Pferdenase draufliegt“, merkt Wachtendonk scherzhaft an. Aber er kann aus Verhaltensäußerungen des Pferdes Rückschlüsse ziehen und entsprechend handeln.

Prophylaktische Muskel-und Gelenkpflege

Der 42-Jährige hat praktisch schon vor dem Schreiben das Reiten gelernt und hat irgendwie immer in Verbindung mit Pferden gestanden. Ausschlaggebend für seine berufliche Laufbahn sei wahrscheinlich eine Folge von „der Doktor und das liebe Vieh“, gewesen, räumt er grinsend ein. Danach hat er alle Schülerpraktika beim Fachtierarzt für Pferde absolviert, war später lange als gelernter Tierarzthelfer in der Pferdeklinik Burg Müggenhausen tätig, ließ sich dann zum Physiotherapeuten für Pferde ausbilden und machte sich 2014 in Köln-Riehl selbstständig.

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Eine „Wellness-Behandlung“, wie er seine Arbeit an Stute Jentel nennt, bereitet nicht nur dem Tier sichtlich Behagen, sondern ist auch für den ausführenden Therapeuten eine dankbare Aufgabe, weil sich „durch prophylaktische Muskel- und Gelenkpflege“ spätere Probleme oder Schmerzen verhindern lassen. Nicht zufällig sei es so, dass sich „renommierte Sportstätten inzwischen einen eigenen Therapeuten für ihre Tiere leisten“. In die Kinderreitschule in Esch kommt Wachtendonk besonders gerne, weil er den Betrieb als vorbildlich – auch in Sachen artgerechte Tierhaltung – betrachtet.

Sämtliche 28 Pferde und Ponys stehen tagsüber in Herden draußen zusammen. „Sie können sich in jede Pferdebox reinlegen und da schlafen“, versichert der Chef der Kinderreitschule. „Die Tiere sind so zufrieden!“ Marc Wachtendonk ist es auch. Vor seiner Selbstständigkeit hat er vorübergehend für ein Software-Unternehmen gearbeitet. „Und jetzt streichle ich Ponys – und das mit großem Vergnügen.“

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