TheaterpädagogikKölner Projekt bringt Kinder aus Kriegsgebieten auf die Bühne

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Szene aus dem theaterpädagogischen Stück „Neuland“ an der Henry-Ford-Realschule in Chorweiler.

Szene aus dem theaterpädagogischen Stück „Neuland“ an der Henry-Ford-Realschule in Chorweiler.

Der Verein „Theater ImPuls“ verhilft sozial benachteiligten Jugendlichen zu mehr Selbstbewusstsein. Zu Besuch an der Henry-Ford-Realschule in Chorweiler.

Im pädagogischen Zentrum der Henry-Ford-Realschule in Chorweiler herrschte am Donnerstag große Aufregung. Die Bühnenvorhänge wurden gerichtet, die Scheinwerfer justiert und der Sound gecheckt. Zuvor haben 27 Mädchen und Jungen zwischen elf und 16 Jahren, die erst kurze Zeit in Deutschland leben, und kaum Deutsch sprechen, vier Tage lang gemeinsam mit Mitarbeitenden des theaterpädagogischen Projekts „Theater ImPuls e.V.“ das Stück „Neuland“ erarbeitet.

Aus Kriegsgebieten nach Köln geflohen

Der Titel entspricht der aktuellen Lebenssituation der jungen „Schauspielerinnen und Schauspieler“. Sie alle sind mit ihren Familien aus Kriegsgebieten in der Ukraine, den Philippinen, Bosnien oder Syrien geflohen. Sie besuchen derzeit an der Realschule in Chorweiler einen Vorbereitungskurs, in dem sie die deutsche Sprache lernen, bevor sie in die Regelklassen wechseln.

„Lampenfieber ist das eine. Für die Kinder, die hier auf der Bühne stehen, gilt aber zusätzlich: Sie haben auch noch den Mut, in einem fremden Land samt fremder Sprache auf der Bühne ein Theaterstück aufzuführen“, sagt Jörg Fabrizius vom Theater „ImPuls“, das seit mehr als 25 Jahren gemeinsam mit sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen Theaterstücke erarbeitet, probt und vor kleinem Publikum aufführt.

Für die Theaterpädagoginnen und -pädagogen von „ImPuls“ ist jedes Projekt ein Abenteuer, denn die Themen werden zwar vorgegeben, die szenische Umsetzung aber wird gemeinsam mit den Kindern erarbeitet. „Wir wissen nie, wie die Gruppe reagiert. Hier in Chorweiler mussten wir wegen der Sprachbarrieren viel improvisieren, aber es hat sich gelohnt. Diese Kinder sind unsere Zukunft, wir sollten uns um sie kümmern, dann haben wir alle etwas davon“, betont Fabrizius.

Wie findet man neue Freunde in einem fremden Land?

In drei Kurzgeschichten bringen die geflüchteten Schülerinnen und Schüler ihre persönlichen Alltagserlebnisse auf den Punkt: Wie ist es anzukommen? Was bedeutet Abschied nehmen? Wie findet man neue Freunde in einem fremden Land? Und wie können wir zusammenhalten, wenn viele verschiedene Kulturen aufeinandertreffen?

Den Auftakt der 30-minütigen Aufführung macht das Thema Einsamkeit auf dem Schulhof. Der „Wunsch-Erfüller“ heißt die zweite Geschichte. Das Highlight aber ist das Stück „Bus ins Glück.“ Es geht um einen Bus, der auf dem Weg zum Flughafen, zunächst zu spät kommt und dann auch noch eine Panne hat. Die Erlösung für die genervten deutschen Fahrgäste sind zwei ausländische Mitreisende, die den Motor reparieren und daraufhin als Helden und Retter gefeiert werden.

Hilfsbereitschaft, Gemeinschaft und Akzeptanz

Hilfsbereitschaft, Gemeinschaft und Akzeptanz sind die Botschaften des Theaterprojekts, die beim Publikum offenbar gut angekommen sind. Denn das verabschiedet die Laienschauspieler mit viel Applaus. Der 16-jährige Nizar aus Charkow, der den Busfahrer sehr souverän gespielt hat, und das Bad in der Menge sichtbar genießt, sagt: „Der Auftritt ist gut für uns alle. Wenn man auf der Bühne steht, vergisst man alles und verliert auch die Angst, etwas falsch auszusprechen.“

Davon ist auch Klassenlehrerin Anna Schlidt überzeugt. „Ich merke, dass viele Kinder innerhalb des Workshops aufgeblüht sind. Sie sprechen lauter und deutlicher, gehen nicht mehr eingeschüchtert über den Schulhof, zeigen sich selbstbewusster. Ich denke, dass das Theaterprojekt einigen einen Schubs gegeben hat, denn man darf nicht vergessen, dass die meisten Kinder aus einem Kriegsgebiet kommen“.

Theaterpädagogischer Verein ist auf Spenden angewiesen

In diesem Fall hat die Realschule alle Kosten für das Theaterprojekt übernommen – für andere „ImPuls“-Projekte ist der Verein auf Fördermittel vom Bund, dem Land oder den Kommunen angewiesen. „Ohne zusätzliche Spenden, wie unter anderem auch von wir helfen, könnten wir viele Theater-Workhops jedoch nicht durchführen“, sagt Fabrizius. Der theaterpädagogische Verein ist wöchentlich in unterschiedlichen Kölner Schulen und Jugendzentren unterwegs und versucht mit seinem Mix aus Pädagogik und Theater bei sozial schwachen Kindern und Jugendlichen das Selbstbewusstsein und das Gemeinschaftsgefühl zu stärken.

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