Kölner Internist über den Lockdown„Können das Ziel vor dem 31. Januar erreichen“

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Die Domplatte, eigentlich einer der belebtesten Plätze der Stadt.

  • Der Lockdown wird verlängert – Bund und Länder haben sich auf Ende Januar geeinigt.
  • Prof. Michael Hallek, der Leiter des Stabes zur Pandemie-Bekämpfung an der Kölner Uniklinik, hält das aktuell für alternativlos.
  • Er sieht allerdings die Möglichkeit, mit einem Belohnungssystem binnen weniger Wochen wieder mehr Freiheiten zu schaffen. Im Interview erklärt er, wie das funktionieren könnte – und welche Zahlen derzeit relevant sind.

Die Ministerpräsidenten haben beschlossen, den Lockdown bis zum 31. Januar zu verlängern. Halten Sie diesen für richtig? Prof. Michael Hallek: Ohne Wenn und Aber. Das Ziel ist nicht die Dauer des Lockdowns, sondern das richtige Ergebnis. Das versteht inzwischen auch die Mehrheit der Politiker. Und dieses Ergebnis haben wir bisher nicht erreicht. Eine konsequente Verfolgung der Einzelfälle ist bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von über 50 einfach nicht möglich. Unser Wert liegt mindestens beim Dreifachen, wahrscheinlich höher. Um schnell wieder ein freieres Leben führen zu können, müssen wir jetzt effektiv handeln.

Wäre ein Beschluss ohne End-Datum aus Ihrer Sicht sinnvoller?

Das ist eine Frage der Kommunikation. Medizinisch gelten Zeitpunkte nicht viel. Medizinisch entscheidend ist die tatsächliche Zahl der Neuinfektionen. Es ist möglich, das gesetzte Ziel noch vor dem 31. Januar zu erreichen. Denkbar wäre aus meiner Sicht ein Belohnungssystem für Städte oder oder Bundeslände, welche niedrige Infektionszahlen haben und die dann Einzelfälle verfolgen können. Diese Zonen könnte man belohnen, also zu „grünen Zonen“ erklären, in denen man wieder mehr Lockerungen zulässt. Ein solcher Anreiz-Mechanismus, der auf dezentrale, kommunale wie persönliche Eigenverantwortung setzt, wurde in Australien mit großem Erfolg durchgeführt. Warum sollten wir so etwas nicht in den kommenden Wochen schaffen?

Sie schlagen ein Belohnungssystem vor, weil noch schärfere Maßnahmen nicht denkbar sind?

Eine Verschärfung wären beispielsweise Ausgangssperren. Das ist möglich, aber kaum zu kontrollieren – insbesondere nicht in großen Städten wie Köln. Und es stellt eine weitere Entmündigung der Bürger dar. Aber: Im Nahverkehr brauchen wir bessere Konzepte wie zum Beispiel zur Umsetzung von Abstand und Masken. Die Züge und Busse dürfen nicht maximal gefüllt werden. Auch sonst kennen wir alle wesentlichen Stellschrauben, um die Pandemie zu kontrollieren: Konzepte für Seniorenheime, Einschränkung der unnötigen Reisen, Infektionsschutz beim Einkaufen, deutliche Reduktion der Kontakte, effiziente Kontaktverfolgung und eine verbesserte Corona-App. Aber wir setzen es offensichtlich nicht gut genug um. Deshalb schaffen wir es bislang nicht, die Situation zu entspannen.

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Aber die deutlich konsequentere Umsetzung des derzeit bereits Beschlossenen, ohne Ausnahmen und mit Kontrollen vor Ort, das unterstützt die Mehrheit der Bürger, wenn man den aktuellen Umfragen glauben darf.

Die Lage an den Schulen ist aus Ihrer Sicht akzeptabel?

Wir haben auch dort ein Umsetzungsproblem. Die Ideen sind ja alle da. Regelunterricht ist derzeit einfach noch nicht sinnvoll – insbesondere für die älteren Klassen, diese Gruppe gehört Daten aus England zu der Gruppe, die die Pandemie am Leben hält. Daher braucht es Angebote für digitalen Unterricht oder Hybridunterricht, um dort Kontakte zu reduzieren. Diese Angebote müssen geschaffen werden, flächendeckend. Sind die Zahlen in „grünen Zonen“ gesunken, könnte man es wieder ändern.

Aktuell ist die Lage unübersichtlich, wegen der Feiertage gibt es deutlich weniger Meldungen. Auf welche Daten blicken Sie derzeit?

Was die Zahl der Neuinfektionen aktuell zu bedeuten hat, wissen wir leider nicht genau, an den Feiertagen gab es weniger Tests und Meldungen. Etwas präziser sind die Todeszahlen – und die sind viel zu hoch. Die Zahl der Covid-Sterbefälle bezogen auf die Bevölkerung ist momentan leider vergleichbar mit den Zahlen in den USA. Das ist sehr schlecht. Die Todeszahlen stellen die Lage verzögert dar. In der kommenden Woche können wir erstmals an den Todeszahlen ablesen, wie gut der Dezember-Lockdown tatsächlich gewirkt hat.

Eindeutiger als deutschlandweite Zahlen die Daten Ihrer Uniklinik. Wie sieht es dort mit der Belegung von Intensivbetten aus?

Bislang korrelierten unsere Daten immer recht zuverlässig mit der Infektionslast in ganz Deutschland. Aktuell sind rund 60 Corona-Patienten an der Uniklinik in Behandlung, etwa die Hälfte auf Intensivstationen. Dieser Wert ist seit Ende November relativ stabil. Die Situation verschlechtert sich nicht, sie bessert sich trotz Lockdown aber auch nicht – ich vermute, dass diese Stagnation für ganz Deutschland gilt. Die Zahlen dürfen aber auf keinen Fall steigen, dann gäbe es in Köln echte Probleme in der gesundheitlichen Versorgung.

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